Sie ist jung, sie ist grün und sie ist sehr aktiv in den sozialen Medien: Emilia Fester ist mit 24 Jahren die jüngste Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Und sie schafft es immer wieder in die Twitter-Trends – via Shitstorm. Inhalt der Kritik sind nicht nur Aussagen Festers, sondern auch ihre Darstellungsform.
Denn oft tanzt die 24-Jährige in ihren Videos, um so auf ihre politischen Einstellungen und Forderungen zu verweisen. Oder auch, um ihr neues Leben im politischen Berlin zu teilen.
Was sagt diese Kritik über unsere Gesellschaft aus? Und was über die Kommunikationsstrategie von Fester? Darüber hat watson mit dem Social-Media-Experten Bendix Hügelmann gesprochen.
Dass die Deutschen per se ein Problem mit Emotionalität in der politischen Kommunikation haben, so pauschal würde Hügelmann es nicht ausdrücken. Auf seinem Blog "Political Influencer" analysiert er die politische Kommunikation von Abgeordneten. Und er meint, Emilia Fester tauge nicht als pars pro toto, also sozusagen als Blaupause für alle. "Es gibt viele andere, die ganz gezielt Emotionen nutzen und dadurch sehr viel positives Feedback auf ihr politisches Wirken bekommen", sagt Hügelmann. Als Beispiel nennt er Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
Am Umgang mit Fester ließen sich hingegen zum Teil misogyne, also frauenfeindliche, Grundzüge in der Gesellschaft feststellen. Fester stelle für viele Menschen – gerade im rechten Spektrum – eine Reizfigur dar: "Eine junge Frau, die sich für die Grünen für feministische Politik und Klimagerechtigkeit einsetzt. Da überlappen sich viele Trigger, die in entsprechenden Kreisen zu Shitstorms führen können", sagt Hügelmann. Er wolle aber in keiner Weise von einem festgeschriebenen Absolutismus sprechen.
Doch nicht alles sei Misogynie: Denn es gibt auch inhaltliche Kritik. Ein Auslöser ist ein Porträt über Fester im "Spiegel". Allein die Überschrift hat viele Gemüter erregt. Sie lautet: "Letztendlich opfere ich auch meine eigene Jugend für diesen Job".
Für diesen Satz wird Fester stark kritisiert. Auch und gerade, weil sie sich in das Amt hat wählen lassen und 10.000 Euro monatlich dabei verdient. Hügelmann sagt dazu: "Durch diesen Satz ist Fester zu einem Symbol geworden, an dem sich missbilligende Kräfte abarbeiten. Und dieser Satz hängt ihr noch immer nach." Aus Sicht des Experten, sei es aber zu kurzsichtig, die Kritik an dieser Aussage auf die Person Emilia Fester zu beziehen.
Hügelmann sagt:
Denn Fester erhalte wie alle Abgeordneten hohe Diäten. Gleichzeitig verstehe Hügelmann auch, dass der Schritt in das Abgeordnetendasein hart sein könne. Plötzlich: Person des öffentlichen Lebens. Plötzlich: Teil der politischen Willensbildung. Plötzlich: übervolle Arbeitstage.
"Burnout im Bundestag ist ein Thema, über das wir als Gesellschaft öfter sprechen sollten", sagt Hügelmann. Denn die Arbeitsbelastung für Abgeordnete sei extrem hoch. Trotzdem: "Hier stellt sich natürlich die Frage: Wie äußere ich mich, ohne, dass es am Ende empathielos rüberkommt?", fasst Hügelmann zusammen. Denn klar sei auch: Abgeordnete hätten sich freiwillig um das Amt beworben.
Insgesamt attestiert Hügelmann Fester eine "robuste" Kommunikationsstrategie. Damit meint er: Die Kommunikation ist zielgerichtet. Fester stelle sich selbst in den Mittelpunkt ihres Social-Media-Auftrittes. Mit der inhaltlichen Ebene stelle Fester dann den Bezug zu ihren politischen Forderungen her.
Eine gelungene Form der Kommunikation – und der angewendeten Emotionalität – sieht Hügelmann auch bei Habeck. Genauso wie bei dessen Kollegen Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).
Er sagt:
Auch die sozialen Medien seien ein Grund für diese Entwicklung – die technische Möglichkeit, Emotionalität und Kommunikation direkt an die Bürgerinnen und Bürger zu bringen. Ein Wandel: Die Kommunikation von Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf der einen Seite, die der "Neuen" auf der anderen. "Das ist eine Form von Veränderung und die ruft unterschiedliche Reaktionen hervor", ordnet Hügelmann ein. Von Befürwortung über Ablehnung hin zur Irritation.
Natürlich seien aber nicht die sozialen Medien allein verantwortlich für die Wende, vielmehr seien sie nur das Werkzeug. Hügelmann sagt: "Man muss auch in der Lage sein, so kommunizieren zu können, wie Robert Habeck das tut. Das ist weder selbstverständlich, noch für jede und jeden ohne weiteres darstellbar." Allein seine klare Form der Sprache stünde schon im starken Kontrast zu der Sprache, die Scholz nutze. Die Art und Weise, wie Habeck sich artikuliere, sei es, die uns erstaune. Nicht, dass er es über Social Media tue.
Die sozialen Medien stellten eher eine Erweiterung der Kommunikation dar: Der Abgeordnete ist dadurch nicht nur im eigenen Wahlkreis nahbar und aktiv, sondern kann auch mit Bürgerinnen und Bürgern in anderen Wahlkreisen in Kontakt kommen. So könnten die Plattformen zur Nähe zwischen den Politikern und den Wählenden führen.
Insgesamt sind viele in Deutschland bereit für die neue Kommunikation. Ob diese über TikTok, Instagram, Twitter oder die Tagesschau stattfindet, dürfte am Ende zweitrangig sein. Wichtig ist aber, dass die Emotionen echt sind.
Denn wenn die Emotion zur Pose würde, verliere sie ihren Wert, meint Hügelmann.