Die Silicon Valley zählt zu den größten Banken der USA.Bild: IMAGO/ZUMA Wire
Analyse
Lara Knuchel / watson.ch
Am Freitag musste die 16. größte Bank aus den USA, die Silicon Valley Bank, zwangsläufig schließen. Es war der zweitgrößte Bankenkollaps in der Geschichte des Landes.
Der Kollaps der Bank führt derzeit zu Ängsten an den Märkten, es könnte lediglich der Anfang einer weiteren Finanzkrise sein. Doch bevor wir weiter spekulieren – was ist eigentlich genau passiert? Eine kurze Erklärung des Silicon-Valley-Bank-Desasters und wie es dazu kam:
Was machte die SVB?
Die Silicon Valley Bank, kurz SVB, war bis vor ihrem Kollaps die 16. größte Bank in den USA. Sie wurde bereits Anfang der 80er-Jahre gegründet, begann aber vor allem nach der Finanzkrise mit ihrem größten Geschäft: der Förderung von High-Tech-Unternehmen und Start-Ups.
So mauserte sich die SVB, die den aufstrebenden Firmen die nötige Finanzierung bereitstellte, zur Hausbank des Silicon Valleys; 2016 hatte die SVB einen Marktanteil von über einem Viertel im Tal der Tech-Industrie und war damit dort die bedeutendste Bank. Gemäß einer Analyse des Medienunternehmens Bloomberg war rund die Hälfte aller Start-Ups in den Vereinigten Staaten Kunde bei der Silicon Valley Bank.
Die Tech-Unternehmen ihrerseits lagerten ihr Geld bei dem Finanzinstitut. Und das war dank eines Investitionsbooms im Techsektor in den letzten Jahren je länger je mehr. Zum Zeitpunkt ihres Zusammenbruchs hatte die SVB eine Bilanzsumme von etwas über 209 Milliarden Dollar. Das ist viel, aber im Vergleich zu den größten Banken in den USA – die größte davon JP Morgan Chase (3.2 Billionen Dollar) – galt die Silicon Valley Bank immer noch als eine der kleineren in den Staaten.
Was ist passiert?
Am Freitag wurde die Silicon Valley Bank zwangsweise durch die US-Regulierungsbehörden geschlossen. Der Schließung ging ein Run ihrer Bankkunden voraus, die ihre Einlagen panikartig abziehen wollten.
Der Kollaps der SVB ist die zweitgrößte Bankenpleite in der Geschichte der USA. Sie sorgte (und sorgt immer noch) für große Unruhen an den Märkten. Auch als Folge des SVB-Desasters fielen gegen Ende Woche die Aktienkurse weltweit, dabei verloren insbesondere die Bankaktien an Wert. Nun geht die Angst um, die Turbulenzen könnten zu einer Kettenreaktion führen und weitere Unsicherheiten in Bezug auf das ganze Finanzsystem auslösen.
Wie kam es zum Bankrun?
Warum wollten die Kunden ihr Geld abziehen? Die Silicon Valley Bank wurde gleich doppelt von der kontinuierlichen Erhöhung der US-Leitzinsen durch das Federal Reserve System, Fed, getroffen. Einerseits, weil die höheren Zinsen auch den Techunternehmen zu schaffen machten: Sie verteuerten deren Finanzierung, weil sie auf Investitionen und Krediten höhere Zinsen zahlen mussten.
Fed-Chef Jerome Powell warnt, dass die Zinserhöhungen kein Ende haben, solange die Inflation so stark wütet.Bild: FR159526 AP / Jose Luis Magana
Das hatte zur Folge, dass die Unternehmen in letzter Zeit Teile ihrer Einlagen, die sie bei der SVB parkiert hatten, abzogen, um ihre höheren Ausgaben decken zu können. Das alleine sollte aber eigentlich kein Problem sein. Zum Verhängnis wurde der SVB aber, weil sie die höheren Zinsen auch selbst zu spüren bekam.
Ihre vielen Kundengelder hatte die Bank nämlich zu großen Teilen in US-Staatsanleihen sowie Hypothekenpapiere angelegt. Während der Pandemie und als die Techbranche ihren Höhepunkt erlebte, waren etwa 90 Milliarden Dollar so investiert – eigentlich also sehr sicher. Weil nun aber das Fed seine Zinsen so stark erhöhte, verloren diese Anleihen stark an Wert.
Der Wert von Staatsanleihen
Wer Staatsanleihen bei sich im Portfolio hat, darf sich über eine ziemlich sichere Anlage und regelmäßige Zinsen, die darauf anfallen, freuen. Diese Zinsen sind aber im Umkehrschluss eher tief, weil das Risiko ebenfalls gering ist.
Wenn eine Zentralbank wie das Fed nun die Zinsen erhöht, werden auf Staatsanleihen, die neu herausgegeben werden, höhere Zinsen bezahlt. Diese sind somit am Markt begehrter und haben mehr Wert als die älteren – von denen die Silicon Valley Bank einen Haufen in ihren Büchern hatte.
Um ihren Kunden ihr Geld ausbezahlen zu können, war die SVB gezwungen, Teile ihrer Anlagen zu verkaufen. Doch weil diese nun einen viel tieferen Wert hatten, war es schwierig, sie loszuwerden. Der Verlust, der vorher zunächst lediglich buchhalterischer Natur war, begann sich nun auch in realen Werten zu manifestieren.
Als das Ausmaß der Probleme sich erkennbar machte, versuchte die SVB noch, sich mit der Herausgabe von Aktien zu finanzieren. Als das bekannt wurde, begann die Panik – schließlich kann es als ein Zeichen dafür gewertet werden, dass ein Unternehmen sich in gröberen finanziellen Schwierigkeiten befindet.
Als Folge davon verlor die SVB-Aktie am Donnerstag rund 60 Prozent ihres Wertes. Die Bank schaffte es nicht, sich kurzfristig zu finanzieren und die Regulierungsbehörden entschieden sich am Freitag dafür, den Handel mit der Aktie vorbörslich zu stoppen und die Bank zu schließen. Nicht geholfen hat dabei, dass auch mehrere große Kapitalgeber und Starinvestoren die Techfirmen dazu aufgerufen hatten, ihr Kapital besser aus der SVB abzuziehen.
Wie gefährlich ist die Pleite der SVB?
Keine Frage: Die Nervosität an den Märkten ist groß. Das zeigte sich erst heute Morgen wieder, als beispielsweise der SMI nach einem Sinkflug in der vergangenen Woche mit einem Minus in den Tag startete. Die Nervosität zeigt sich auch daran, dass am Wochenende eine weitere kleine Bank in New York schließen musste, weil die Kunden ihr Vertrauen verloren hatten.
Allerdings sind derzeit vor allem auch viele Emotionen im Spiel. Und genau diese wollen die US-Behörden jetzt beruhigen. Zwar betonte die US-Finanzministerin Janet Yellen am Sonntag, man werde die SVB nicht staatlich retten ("Das machen wir nicht noch einmal"). In der aktuellen Situation sei dies aber auch gar nicht nötig: "Das Bankensystem als Ganzes ist stabil." Allerdings gab auch Yellen zu, dass man sich jetzt Sorgen mache um die Einleger. Entsprechend konzentriere man sich jetzt darauf, deren Bedürfnisse zu erfüllen.
US-Finanzministerin Janet Yellen hatte viel zu tun übers Wochenende.Bild: AP / Mariam Zuhaib
Mit der Garantie zur Versicherung der Kundeneinlagen bei der Silicon Valley Bank wollen die US-Behörden Ruhe in den Sturm bringen. Nachdem mehrere Krisensitzungen übers Wochenende abgehalten wurden, gab Yellen bekannt, dass die US-Notenbank Fed, das Finanzministerium und der Bundeseinlagensicherungsfonds FDIC für sämtliche Gelder aufkommen würden, um die Einlagen bei der SVB zu garantieren. Eigentlich sind Einlagen nur bis zu den üblichen 250'000 Dollar über den Einlagensicherungsfonds FDIC garantiert.
Ab Montag können die Kundinnen und Kunden nun wieder auf ihr deponiertes Geld zugreifen, allerdings unter Aufsicht der Behörden. Doch das ist noch nicht alles: Sollten weitere Banken in Nöte geraten, würde man auch deren Kunden eine Versicherung garantieren, so Janet Yellen in einem Fernseh-Interview am Sonntag. Dafür wurde eigens ein neues Instrument namens Bank Term Funding Program (BTFB) angekündigt. Dieses ist beim Fed – und nicht beim Finanzministerium – angesiedelt und soll die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellen, um Kunden der SVB, der New Yorker Bank Signature (die ebenfalls schließen musste) und allfälliger weiterer Kunden zu versichern.
Die US-Behörden sind bemüht, zu betonen, dass die Allgemeinheit nicht daran mitbezahlt. So versicherte die Finanzministerin, es würden keine Steuergelder dafür aufgewendet. Und Präsident Biden sagte, seine Regierung werde "diejenigen zur Verantwortung ziehen, die für diesen Schlamassel verantwortlich sind". So oder so ist aber klar: Insbesondere angesichts der weiterhin hohen Inflation – und somit der starken Reaktion der Notenbanken mit höheren Zinsen – ist der Sturm an den Märkten wohl noch länger nicht vorüber.
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