Die CDU will sich erneuern – und zwar massiv. Das zeigte sie bei ihrem Parteitag am Wochenende nur zu deutlich.
Eine Erneuerung war auch bitter nötig: Es ist rund ein Jahr her, da musste die Union (CDU/CSU) die heftigste Wahlschlappe ihrer gesamten Existenz ertragen. Mit 24,1 Prozent der Wähler:innen-Stimmen musste sie nach 16 Jahren Regierung in die Opposition.
Jetzt soll alles anders werden. Zurzeit profitiert die Partei auch wieder von Fehlern, die die Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP in ihrer Krisenpolitik gemacht hat. Aktuellen Umfragen zufolge überholt die CDU die SPD bei möglichen Wähler:innen-Stimmen.
Die Ergebnisse etwa der Forschungsgruppe Wahlen sind eindeutig: Die Konservativen kämen auf 28 Prozent, wäre an diesem Sonntag Bundestagswahl, die Sozialdemokraten nur auf 19 Prozent.
Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Bundesparteitag der CDU hat watson zusammengefasst.
Wer die Entwicklung der CDU verfolgt, der oder die erinnert sich vielleicht daran, wie oft Friedrich Merz an die Macht wollte. Wie oft er gescheitert ist. Und auch, dass sich dabei parteiinterne Gruppierungen zusammenschlossen, um ihn als Vorsitzenden zu verhindern.
2018 versuchte er es – und verlor gegen die damalige Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer. 2021 trat er gegen Armin Laschet an – doch auch hier verlor er. Nach der Wahlpleite 2021 musste Laschet jedoch seine Konsequenzen ziehen und räumte den Chefsessel – da stand Merz schon bereit. Beim digitalen Parteitag im Januar dieses Jahres wurde er dann endlich der Chef der CDU.
Und ihm wurde ein Trümmerhaufen überlassen:
Doch offenbar zeigt Merz Führungskompetenzen, die ihm viele vorab nicht zugetraut hatten. Und das führte dazu, dass es quasi nur Liebe für den Vorsitzenden der Konservativen gab. Jeder Redner und jede Rednerin sah sich wohl irgendwie gezwungen, dem Parteichef für seine Arbeit, für seine Rede, für sein Engagement und überhaupt für alles zu danken.
Alles, was gut läuft, läuft den Delegierten zufolge wegen Merz gut.
Friedrich Merz, der Heilbringer. Der die CDU geeint und die Kanten geschärft hat, die Partei dazu auch noch feministischer machte und gleichzeitig den konservativen Konsens nicht aus den Augen verlor: Ein Drahtseilakt, den Merz offensichtlich ohne größere Stolperer meisterte.
Vor allem den Streit mit der CSU legte Merz bei. Die beiden Parteichefs Merz und Markus Söder demonstrierten einen liebevollen Schulterschluss. Söder kam sogar zum Parteitag und gab zu, selbst Fehler gemacht zu haben. Der Neustart 2022 sei "nicht nur besser gelaufen, als es die Linken erhofft haben". Die Zusammenarbeit in Fraktion und Partei "ganz besonders mit Eurem Vorsitzenden, lieber Friedrich, läuft exzellent, besser, als wir beide es wahrscheinlich erwartet hätten".
Merz sagte danach, man arbeite und kämpfe gut, freundschaftlich und vertrauensvoll zusammen. "Wir sind dabei geschlossen wie selten zuvor."
Dass Nachrichten-Apps Eilmeldungen verschicken, während eine Oppositionspartei tagt, kommt nicht gerade oft vor. Doch am Freitagabend bimmelten in ganz Deutschland die Handys: "CDU beschließt Frauenquote". Die Delegierten stimmten nach einer längeren Debatte und einem jahrelangen Streit für eine schrittweise und vorübergehende Einführung der Frauenquote in Parteigremien.
Interessant ist, dass sich vor allem die jungen Parteimitglieder gegen so eine Quote aussprachen.
Und nicht nur beim Thema Frauenquote mussten die Junge Union (JU) mit ihrem Chef Tilman Kuban und der parteiinterne Wirtschaftsverband Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) eine Niederlage hinnehmen. Auch bei einer Debatte über die Forderung nach Gleichstellung von Frauen und Männern konnten die Gegenvorschläge der JU und MIT keine Mehrheiten gewinnen. Der Parteitag stimmte dafür, das Ziel der Gleichberechtigung ebenso wie das der Gleichstellung ins neue Grundsatzprogramm aufzunehmen.
Die Kritiker:innen des Begriffes "Gleichstellung" betonten, man wolle sich nicht über die Entscheidung des Einzelnen stellen, es gehe eher um Chancengerechtigkeit. Für manche in der CDU gilt Gleichstellung als "linker Kampfbegriff".
Dagegen hielt etwa die Frauen-Union. Deren Chefin, Annette Widmann-Mauz, argumentierte, die Grundwerte der Partei müssten dem Wandel der Zeit angepasst werden. Gleichstellung habe nichts mit Gleichmacherei zu tun. Auch CDU-Vize Karin Prien erklärte, schon seit 2007 sei Gleichstellung Grundsatzposition der CDU. Hinter solche Begrifflichkeiten zurückzufallen, wäre befremdlich.
CDU-Vorstandsmitglied Serap Güler ging sogar noch ein paar Jahre weiter zurück: Stimme man gegen die Einführung des Begriffs "Gleichstellung", falle man sogar noch hinter das Jahr 1986.
Einen ersten Schritt, um mehr weibliche Köpfe auf Führungspositionen zu setzen, hat die Partei bereits hinter sich gebracht: Sie wählte die Merz-Vertraute Christina Stumpp zu stellvertretenden Generalsekretärin der Partei.
Mit Mario Czaja kümmert sie sich nun etwa um die Organisation von Wahlprogrammen oder auch von Parteitagen. Generalsekretär:innen von Parteien gelten zudem als rechte Hand des Vorsitzes.
Diesen Vorschlag hatten führende Mitglieder der CDU schon vor einigen Monaten öffentlich gemacht: Junge Menschen sollten zu einem sozialen Dienstjahr verpflichtet werden.
Nachdem 2011 die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung die Wehrpflicht für junge Männer gekickt hatte, will die CDU jetzt Männer und Frauen in die Pflicht nehmen. Die CDU fordert die Einführung eines verpflichtenden sozialen Jahres. Sie nennt es Gesellschaftsjahr.
Eine freiwillige Variante in das neue Grundsatzprogramm aufzunehmen, lehnten die Delegierten ab. Mit dem Gesellschaftsjahr soll jungen Menschen ermöglicht werden, "sich zeitweilig und konkret für unser Land und für unsere Gesellschaft zu engagieren". Der Dienst solle flexibel ausgelegt werden, "sei es bei sozialen Einrichtungen, in Krankenhäusern, bei der Bundeswehr, im Zivilschutz beim THW oder bei der Feuerwehr, über anerkannte Hilfsorganisationen im Ausland oder im Sport und in der Kultur oder bei Natur- und Umweltschutzverbänden".
Entlohnt werden solle der Dienst durch ein "attraktives Dienstgeld".
Begründet wird der Antrag so:
Ein Gesellschaftsjahr fördere zudem die Persönlichkeitsentwicklung und mache den Staat widerstandsfähiger. Junge Menschen sollen demnach "in der Regel unmittelbar nach dem Schulabschluss" ein solches Jahr hinter sich bringen. Eine Rechtspflicht solle mit Vollendung des 18. Lebensjahrs eintreten, wobei auch ein früheres Absolvieren möglich sein solle.
Die Befürworter der freiwilligen Variante führten an, eine Dienstpflicht entspreche nicht dem liberalen Menschenbild der CDU und schade dem Arbeitsmarkt. Außerdem gebe es dafür nicht genügend Personal.
Wieder musste JU-Chef Tilman Kuban eine Niederlage einsacken. Er initiierte zwar den Vorschlag eines solchen Dienstjahres. Allerdings wollte er, dass es sich dabei um einen freiwilligen Schritt junger Menschen handelt.
(Mit Material der dpa)