Erstklassiger Baseball-Spieler, Absolvent an den renommierten Universitäten Yale und Harvard, Offizier bei der US-Navy, ausgezeichneter Veteran mit dem Bronze-Star, Gouverneur von Florida – und als nächstes womöglich Präsidentschaftskandidat für die Republikaner. Das ist der Lebenslauf von Ron DeSantis.
Im Vergleich mit dem Image von Ex-Präsident Donald Trump wirkt DeSantis nahezu makellos. Doch so frei von Skandalen ist auch seine Vergangenheit nicht. Und in dieses bisher unberührte Bienennest stechen jetzt Trump – und Journalist:innen mit ihren Recherchen.
Der Ex-Präsident kennt sich mit Skandalen aus. Gerade erwartet ihn eine mögliche Anklage wegen einer Schweigegeldzahlung. Dazu teilte DeSantis gegen Trump jüngst aus. Er wisse nicht, "wie man dazu kommt, einem Pornostar Schweigegeld zu zahlen, damit dieser zu einer angeblichen Affäre schweigt". DeSantis habe "echte Probleme" im Bundesstaat Florida, mit denen er umgehen müsse. Diesen Seitenhieb kann Trump offenbar nicht auf sich sitzen lassen.
Trump teilte auf seiner Plattform "Truth Social" einen Screenshot eines "MeidasTouch"-Artikels. Darin behauptet das US-amerikanische Mediennetzwerk, der Gouverneur von Florida habe "mit minderjährigen Mädchen auf einer Trinkparty gefeiert, während er an einer Schule in Georgia unterrichtete".
Trump prophezeit seinem Konkurrenten, dass auch ihm noch falsche Vorwürfe und Lügengeschichten blühen werden. Doch falsche Anschuldigungen sind offenbar gar nicht vonnöten. Zwei renommierte Zeitungen gruben Fakten über DeSantis' Vergangenheit aus, die er wohl lieber verschlossen im Keller behalten hätte.
Eine Zwischenstation in seinem Lebenslauf wirft beim genauen Hinsehen kein gutes Licht auf den "Saubermann": sein Job als junger Navy-Anwalt im Gefangenenlager Guantanamo.
Das Gefängnis gehört zur "Guantanamo Bay Naval Base", einem Marinestützpunkt der US Navy auf Kuba. DeSantis war zwischen März 2006 und Januar 2007 auf der Basis stationiert. Das geht aus seinen Militärakten hervor, die der britischen Zeitung "Independent" vorliegen.
Brisant: Das Camp geriet damals aufgrund der grausamen Foltermethoden und Misshandlungen in den Fokus globaler Kritik – und mittendrin DeSantis als juristischer Berater für Zwangsernährung.
Zahlreiche Insassen in orangefarbiger Knast-Kleidung knien nebeneinander auf dem Boden – die Köpfe mit schwarzen Säcken verdeckt. Es sind jene Bilder, die um die Welt gingen. Damals arbeitete dort der junge DeSantis. 17 Jahre später rückt er als potenzieller Präsidentschaftskandidat in die Weltöffentlichkeit.
Laut einem Bericht der US-amerikanischen Zeitung "Washington Post" übernahm der 27-jährige DeSantis – direkt nach der Havard Law School – den Job als Navy-Anwalt im Gefangenenlager Guantanamo. Dort beriet er über Zwangsernährung von Insassen, die in den Hungerstreik getreten waren. Anwälte der Betroffenen sowie internationale Organisationen bezeichneten die Maßnahmen als Folter.
Und DeSantis?
"Ich wurde beauftragt, mich mit diesen Terroristen auseinander zu setzen", erklärt er in einem Interview 2018 mit einem lokalen CBS-Fernsehsender. DeSantis erinnert sich an einen kommandierenden Offizier, der ihn um Rat bat, wie er mit den Hungerstreikenden umgehen sollte. "Sie können tatsächlich zwangsernährt werden", antwortet DeSantis in seiner Rolle als Rechtsberater. "Hier ist, was Sie tun können. Hier sind die Regeln dafür."
Laut der "Washington Post" war es letztlich die Entscheidung des Pentagon, Zwangsernährung zu genehmigen. So verlief die Prozedur: Häftlinge wurden auf einen Stuhl geschnallt und ein Schlauch wurde in ihre Nase gestopft. Darüber füllte man laut Militärakten zwei Dosen eines Proteingetränks ein. Anwälte der Inhaftierten versuchten erfolglos, die schmerzhafte Methode zu stoppen, und argumentierten, dass sie gegen internationale Folterkonventionen verstoße.
DeSantis soll aus nächster Nähe Einblick in einige der beunruhigendsten Vorfälle im Gefängnislager gehabt haben. Das geht aus den Recherchen der "Washington Post" hervor. Dazu hat die US-Zeitung öffentliche Aufzeichnungen und Medienberichte untersucht und Dutzende Interviews geführt. Befragt wurden etwa der kommandierende Offizier von DeSantis, der Gefängniswärter, ehemalige Häftlinge sowie Verteidiger.
Er ging durch Korridore aus Stahlgittern und blickte vielen Häftlingen direkt in die Augen, sagt sein ehemaliger Kommandant, Patrick McCarthy, gegenüber der Zeitung. Ihm zufolge stand DeSantis direkt im Austausch mit den Häftlingen und ihren Anwälten. Ein Opfer erinnert sich an ihn.
"Er hat zugesehen, und ich habe wirklich geschrien, geweint", sagt Mansoor Adayfi im Gespräch mit dem "Independent". Der jemenitische Staatsbürger soll 14 Jahre auf dem US-Marinestützpunkt festgehalten worden sein. Während seines Hungerstreiks im Jahr 2006 haben ihn Lagermitarbeiter:innen brutal zwangsernährt. DeSantis sei angeblich für mindestens eine dieser Sitzungen anwesend gewesen. Adayfi berichtet der Zeitung von der Prozedur. "Ich blutete und erbrach mich und schrie, während eine Reihe uniformierter Militärangehörige zusahen."
DeSantis hat laut den Recherchen der "Washington Post" wiederholt argumentiert, dass die USA richtig lagen, Häftlinge außerhalb des Rechtssystems zu inhaftieren. Die Misshandlungsvorwürfe von Inhaftierten und ihren Anwälten kritisierte er als Versuch, das System zu manipulieren.
Nach den Hungerstreiks gefragt, sagt DeSantis im CBS-Interview: "Was ich daraus gelernt habe … ist, dass sie Dinge wie den Missbrauch von Häftlingen offensiv gegen uns einsetzen. Es war eine Taktik, Technik und Vorgehensweise." Unabhängige Menschenrechtsorganisationen sehen das anders.
Die Vereinten Nationen hatten die Zwangsernährung als Folter bezeichnet. Auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz zog ein ähnliches Urteil über die Bedingungen im Gefängnis. Die US-Regierung wehrte sich damals gegen diese Vorwürfe.
Doch UN-Expert:innen sind sich bis heute einig:
Guantanamo sei ein "hässliches Kapitel unerbittlicher Menschenrechtsverletzungen", heißt es in einem UN-Report 2022. Laut "Washington Post" und "Independent" habe das Büro von DeSantis nicht auf eine detaillierte Liste von Fragen im Zuge ihrer Recherchen reagiert. DeSantis sollte nicht beschuldigt werden, Befehle befolgt zu haben, meint sein ehemaliger Vorgesetzte McCarthy. Er warnt vor dem Narrativ: Es sei alles DeSantis' Schuld.
Dennoch kann es sich Trump wohl nicht verkneifen, DeSantis den Spitznamen "Ron DeSanctimonious", auf Deutsch "Ron, den Scheinheiligen" zu verpassen. Bereits im November verkündete Trump, er werde im Falle einer Kandidatur von DeSantis Dinge über ihn erzählen, "die nicht besonders schmeichelhaft sind".