Tool auf X enttarnt falsche Maga-Accounts – überraschende Standorte auch bei AfD-Profilen
Ein kleines Software-Update auf X hat ein politisches Beben in den USA ausgelöst. Seit Freitag können User:innen über die Funktion "Über diesen Account" einsehen, wo ein Konto registriert ist, wann es erstellt und wie oft der Name geändert wurde.
Eigentlich soll das Tool Transparenz schaffen. Stattdessen enthüllte es nun, dass zahlreiche reichweitenstarke Profile aus der Maga-Szene (Make America Great Again) gar nicht aus den USA stammen.
Die technische Änderung entwickelte sich innerhalb weniger Stunden zu einem handfesten Skandal. Denn es stellte sich heraus, dass einige der lautesten Pro-Trump-Influencer:innen der neuen Standortanzeige zufolge auf X aus Ländern wie Russland, Indien, Nigeria oder Osteuropa agieren. Ein Blick nach Deutschland zeigt: Auch hier gibt es irritierende Standortangaben.
Extreme US-Influencer auf X: Stammen sie nicht aus den USA?
Politische Aktivist:innen begannen unmittelbar nach Einführung des Features damit, die Herkunft umstrittener Accounts zu überprüfen, wie "The Daily Beast" berichtet. Schnell zeigte sich: Eine ganze Reihe prominenter Profile der radikalen Online-Rechten stammen nicht aus den USA.
Der demokratische Influencer Harry Sisson reagierte triumphierend. Er schrieb auf X:
Besonders auffällig: "MAGANationX", ein Account mit fast 400.000 Follower:innen und dem Slogan "Patriot Voice for We The People". Die Standortangabe weist jedoch Osteuropa aus, nicht die USA.
Auch ein großer Fan-Account von Ivanka Trump mit rund einer Million Follower:innen, der regelmäßig vor angeblichen Gefahren durch Migration warnt und Trump unterstützt, stammt laut Daten des Tools aus Nigeria. Der linke Influencer und Jurastudent Micah Erfan kommentierte die Enthüllungen: "Das ist die totale Apokalypse für die Online-Rechte. Es sieht so aus, als wären die Hälfte ihrer großen Accounts Ausländer gewesen, die sich die ganze Zeit als Amerikaner ausgegeben haben."
Der Journalist und Mitgründer von MeidasTouch, Brett Meiselas, warnte eindringlich: "Denkt nur an die ausländischen Einflussnahmen, die genau jetzt auf dieser App stattfinden. Denkt an die Politiker, die sich von solchen Accounts unter Druck gesetzt fühlen. Und denkt an die Desinformation, die sich durch all diese Accounts verbreitet."
AfD-Standort auf X wirft Fragen auf
Ein Blick nach Deutschland zeigt: Auch hier gibt es irritierende Standortangaben. Der X-User Volkat (@DortmundaBerlin) twitterte: "Der X-Account der Bundespartei AfD wurde natürlich in Irland registriert. Das erinnert mich alles ein bisschen an den Brexit, der ganz nach Alexander Dugins Playbook die Insel geopolitisch isolierte." Eine watson-Anfrage diesbezüglich an die AfD blieb zunächst unbeantwortet.
Doch es ist nicht der einzige AfD-Account mit abweichendem Länderstandort. So wurde das Konto der Parteifraktion NRW demnach in den USA gegründet, wie eine watson-Recherche ergab.
Die Pressestelle der AfD-Fraktion NRW erklärte hierzu auf Anfrage:
Hinzu kommt, dass die Länderangabe bei mehreren "deutschen" rechten Influencer:innen und AfD-Sympathisant:innen ebenfalls aus anderen Ländern stammt – häufig den USA –, darunter der Kanal "Team #AfD" (@TeamSotogrande). Und auch in der Kanalinfo des rechten Nachrichtenportals "Nius" steht als Registrierungsstandort USA.
Feature kurzzeitig offline – Spekulationen über Gründe
Die neue Funktion war kurz nach dem Rollout vorübergehend nicht mehr verfügbar. User:innen spekulierten, die massenhaften Enthüllungen könnten der Grund für die temporäre Abschaltung gewesen sein.
Doch das Tool ist inzwischen wieder aktiv. X-Produktchef Nikita Bier erklärte, das Feature habe noch "einige raue Kanten", die man beseitigen wolle. Wie der leitende BBC-Verify-Journalist Shayan Sardarizadeh berichtet, hat X am Wochenende die Funktion eingeführt, mit der Nutzer:innen das Land oder die Region sehen können, über die ein Account üblicherweise auf die Plattform zugreift.
Laut Nikita Bier, Produktchef von X, werden Standortdaten offizieller Regierungs-Accounts aus Sicherheitsgründen nicht angezeigt. Bier wies außerdem darauf hin, dass die angezeigten Daten durch Reisen, temporäre Ortswechsel oder die Nutzung eines VPN beeinflusst werden können. Ein Update soll laut Bier eine "Genauigkeit von 99 Prozent" erreichen. BBC Verify betont, dass die bereitgestellten Standortinformationen nicht unabhängig bestätigt werden können.
