Ein roter Tsunami sollte über die USA hinwegfegen. Doch der Wunsch der Republikaner tritt wohl nicht ein. Die ersten Ergebnisse der Zwischenwahlen nehmen ihnen den Wind aus den Segeln. Die Demokraten hingegen schlagen sich besser als erwartet.
"Es zeigt sich wieder, dass die amerikanische Gesellschaft so gespalten ist, dass man den Umfragen nicht trauen kann – jedenfalls nicht im Detail", sagt der Politikwissenschaftler Thomas Greven im Gespräch mit watson. Er forscht zur US-Politik an der Freien Universität Berlin und ist Redakteur bei den "Blättern für deutsche und internationale Politik".
Das wahrscheinlichste Szenario, das Beobachter:innen vorausgesagt haben, könnte tatsächlich eintreffen. Und zwar, dass die Republikaner das Repräsentantenhaus gewinnen und die Demokraten den Senat halten.
Allerdings gewinnen die Republikaner nicht haushoch, wie es Donald Trump und seine MAGA-Kandidat:innen angekündigt haben. Laut Expertenstimmen könnte die republikanische Partei nur einen knappen Sieg im Repräsentantenhaus einfahren.
MAGA steht für Trumps früheres Wahlkampfmotto "Make America Great Again" (auf Deutsch etwa: "Macht Amerika wieder großartig").
"Egal, wie es ausgeht – für die Republikaner ist es eine bittere Nacht", schreibt die USA-Expertin Annika Brockschmidt auf Twitter. Entgegen der Umfragen und der schlechten Zustimmungswerte für den amtierenden Präsidenten Joe Biden haben viele Wähler:innen die Demokraten gewählt.
Und das dürfte Trump und seinen MAGA-Republikaner sauer aufstoßen.
Laut Greven leugnen viele der MAGA-Kandidat:innen Bidens Wahlsieg. Um Macht zu erhalten oder zu gewinnen, könnten sie durchaus auf unlautere Methoden zurückgreifen – sogar zu Gewalt. "Diese Wahlen könnten die letzten sein, die noch halbwegs ordnungsgemäß durchgeführt werden", meint Greven.
Greven zufolge sei es gefährlich, wenn MAGA-Kandidat:innen Ämter besetzten, die mit der Durchführung der Präsidentschaftswahlen 2024 betraut sind. "Damit ist deren Legitimität gefährdet." Die Demokraten haben allerdings die Gouverneurswahlen in den wichtigen "Battleground States" Pennsylvania, Wisconsin und Michigan gewonnen. Dadurch gelangen dort keine republikanische "Election Deniers" (Wahlleugner) an die Macht.
Dabei sollten die Kongresswahlen eine große Bestätigung von Trumps MAGA-Agenda werden. Nun muss er in seiner eigenen Partei beweisen, dass er fit für die Präsidentschaftswahl 2024 ist. Laut Jacqui Heinrich kommen bei den Republikanern erste Zweifel auf. Sie arbeitet als Korrespondentin im Weißen Haus und jemand aus den republikanischen Reihen habe ihr verraten: "Es sollte spätestens jetzt klar sein. Wir haben ein Trump-Problem."
Auch der amerikanische Journalist Philip Melanchthon Wegmann zitiert eine Quelle aus dem republikanischen Lager. Ihr zufolge sei nun alles offen für die Präsidentschaftswahl 2024. "Free for all", sprich, die Bühne ist frei für andere republikanische Kandidat:innen. Nie zuvor sei Trump angreifbarer gewesen, heißt es. Etliche seiner republikanischen Kandidat:innen, für die er sich mächtig eingesetzt hat, haben verloren.
Diese Niederlage für Trump könnte zum Sprungbrett für Ron DeSantis werden.
Der Republikaner Ron DeSantis fährt ein erfolgreiches Ergebnis in Florida ein. Wie vorausgesagt, wird er souverän – mit fast 60 Prozent – zum Gouverneur wiedergewählt. Zusätzlich gelingt es ihm, drei Bezirke für die Republikaner zu gewinnen, die zuvor demokratisch waren. Diese Leistung bleibt bei der Partei nicht unbemerkt.
Trump wittert bereits Gefahr und warnt DeSantis vor einer Präsidentschaftskandidatur.
Sollte DeSantis 2024 für das Weiße Haus kandidieren, droht Trump seinem möglichen Rivalen mit unangenehmen Enthüllungen. Er könne über DeSantis "Dinge erzählen, die nicht besonders schmeichelhaft sind", sagt Trump am Wahltag gegenüber dem amerikanischen Fernsehsender "Fox News Digital". "Ich weiß mehr über ihn als jeder andere – mit Ausnahme vielleicht seiner Frau", meint Trump.
Bisher gelten die Karriere und das Privatleben von DeSantis als frei von Skandalen. Ein großer Pluspunkt gegenüber Trump, der etwa in etliche Justizverfahren verstrickt ist. Nun bleibt der erwünschte Erdrutschsieg der Republikaner aus und das könnte Trump den Rückenwind seiner Partei kosten.
Bei diesen Midterms steht nicht nur für Trump viel auf dem Spiel – sondern für die gesamten USA. Das haben wohl auch die jungen Menschen im Land erkannt.
Aufnahmen des jungen US-Politikers Victor Shi zeigen lange Warteschlangen an amerikanischen Universitäten. So nehmen Studierende etwa in Michigan stundenlange Wartezeiten auf sich, um ihre Stimme abzugeben.
Ähnliche Szenen spielen sich laut der Videos von Shi an Universitäten in Kalifornien, Illinois und Texas ab. In einem Post schreibt er: "Keine Umfrage hätte diese Energie vorhersagen können."