Der Französische Präsident Emmanuel Macron.Bild: MAXPPP
Analyse
Emmanuel Macron ist in seinem eigenen Land nicht annähernd so beliebt, wie im EU-Ausland. Dass das auch für sein Mitte-Bündnis "En Marche!" gilt, hat die sich spätestens nach der zweiten Runde der Parlamentswahl am Sonntag gezeigt. Macrons Partei verpasst die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung.
Das französische Parlament setzt sich aus zwei Kammern zusammen: dem Senat und der Nationalversammlung. Um ein Gesetz zu verabschieden, müssen ihm beide Kammern zustimmen. Macron ist also auf das Wohlwollen des Parlaments angewiesen, um regieren zu können – so wie die deutsche Bundesregierung auch. Doch in Frankreich ist das unüblich.
Was also bedeutet sein Verlust der Mehrheit in der Nationalversammlung? Und wie könnte das französische Parlament in Zukunft aussehen?
Regieren wird schwieriger
Erstmals seit über 30 Jahren steht der französische Präsident somit ohne absolute Parlamentsmehrheit da und muss mit seiner Regierung auf die Unterstützung anderer Lager bauen. Macrons Mitte-Bündnis erhält 251 Sitze, für die absolute Mehrheit bräuchte es mindestens 289 Sitze.
Ein Regieren mit Koalitionen über das eigene politische Lager hinweg sowie mit Kompromissen ist in Frankreich weniger üblich als in Deutschland. Für eine mögliche Koalition oder Zusammenarbeit muss die Präsidentenpartei nun auf mögliche Partner im Parlament zugehen.
Das dürfte das Regieren für den Präsidenten erschweren. Und vor allem verlangsamen. Möglicher Partner des Macron-Lagers könnten die bürgerlich-konservativen Républicains werden, aber das ist längst nicht ausgemacht. Stattdessen könnte der Präsident nämlich auch auf wechselnde Mehrheiten setzen – sozusagen projektbasierte Zusammenarbeit.
Die nach dem Wahlergebnis deutlich gestärkten Parteien am linken und extrem rechten Rand werden auf mehr Einfluss pochen und auf einen harten Oppositionskurs einschwenken. Die amtierende Premierministerin Élisabeth Borne aus dem Macron-Lager sieht in der neuen Sitation ein Risiko für das Land. Trotzdem müsse das Ergebnis akzeptiert werden.
Die bisherige Premierministerin Élisabeth Borne.Bild: abaca / Blondet Eliot/ABACA
Borne nannte außerdem die Prioritäten der künftigen Regierung: Ab dem Sommer solle es starke und konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Kaufkraft der Franzosen geben. Das Streben nach Vollbeschäftigung sowie der ökologische Wandel ständen oben an, das Schul- und Gesundheitswesen müssten verbessert werden. Weitere Prioritäten seien die Souveränität Frankreichs im Energiesektor und dem Lebensmittelbereich.
Präsident Macron sei "weiter entschlossen zu handeln und voranzuschreiten im übergeordneten Interesse der Französinnen und Franzosen", hieß es aus dem Umfeld des Staatschefs, wie der Sender BFMTV in der Nacht zum Montag berichtete. Die Ergebnisse seien im Élyséepalast als "enttäuschend" aufgenommen worden, "stellen aber das Ergebnis der Präsidentschaftswahl nicht infrage, und auch nicht, dass das Präsidentenlager führt". Die Frage sei, wie es jetzt weiter gehen werde. Ein Rezept dafür gibt es nicht.
Sieg für Ressemblement National
Glücklicher als Macron dürfte am Wahlabend seine Kontrahentin Marine Le Pen gewesen sein. Natürlich, auch ihre Partei, die Ressemblement National (RN), hat nicht die absolute Mehrheit. Trotzdem geht sie mit 88 Sitzen deutlich gestärkt aus der Wahl zur Nationalversammlung hervor.
Rechtsaußen Politikerin Marine Le Pen.Bild: MAXPPP / Courbe
Die Sitze der RN haben sich im Vergleich zur vorherigen Legislaturperiode knapp verelffacht. Sie holte 80 Sitze mehr als 2017. Schon bei der Präsidentschaftswahl war Marine Le Pen in die zweite Wahlrunde gekommen. Das hatte die Zerrissenheit des Landes einmal mehr demonstriert.
"Das Volk hat sich ausgesprochen, es schickt eine sehr starke Gruppe des Rassemblement National in die Nationalversammlung", sagte Le Pen. Das Ziel sei, Macron in eine Minderheit zu zwingen und im Parlament entschlossen Opposition zu betreiben gegen Macron sowie das linke Bündnis angeführt von Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon.
Mélenchon als Premier?
A propos Jean-Luc Mélenchon. Der ultralinke Politiker hatte sich nach seinem Ausscheiden bei der Präsidentschaftswahl um den Posten des Premierministers beworben. Und die Franzosen haben ihn gewählt: Im ersten Wahlgang zur Nationalversammlung bekam das Linke-Bündnis Nupes genauso viele Stimmen, wie das Mitte-Bündnis von Macron. Auch jetzt nach dem zweiten Wahlgang sind Mélenchon und seine Genossen die zweitstärkste Kraft im Parlament.
Das französische Politikurgestein Jean-Luc Mélenchon.Bild: MAXPPP / Sébastien Muylaert
Dass es einen Premier aus einem anderen politischen Lager als dem des Präsidenten geben wird, ist unwahrscheinlich. In den vergangenen Jahrzehnten kam diese sogenannte "Kombination" insgesamt nur drei Mal vor.
Klar ist aber auch, dass die zweitstärkste Kraft im französischen Parlament harte Oppositionsarbeit leisten – und sicherlich Vorsitze in Ausschüssen besetzen wird. Mélenchon sprach nach der Wahl von einer "Wahlniederlage des Macronismus". Er erneuerte den Anspruch des von ihm geführten Linksbündnisses, das Land regieren zu wollen. "Alle Möglichkeiten sind in eurer Hand", rief er vor jubelnden Anhängern.
Auch die Parlamentswahl zeigt: Frankreich ist gespalten. Die Mitte hat zwar die relative Mehrheit erhalten, aber die Ränder rechts und links sind gestärkt hervorgegangen. Frankreich könnte nun eine Zeit der politischen Instabilität bevorstehen.
(Mit Material von dpa)
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