Auf 139 Seiten kommt das Wahlprogramm von CDU und CSU und liegt damit nach der Seitenanzahl technisch im Mittelfeld. Der Name: "Das Programm für Stabilität und Erneuerung. Gemeinsam für ein modernes Deutschland." Auf den ersten Blick scheinen sich die Wörter "Stabilität" und "Erneuerung" zu widersprechen.
Schon auf den ersten Seiten wird aber klar, wie CDU und CSU das auflösen wollen: Die Unionsparteien wollen die Politik, wie sie unter der scheidenden Kanzlerin Angela Merkel stattfand, weiterlaufen lassen – und ein bisschen upgraden.
Die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit haben die Unionsparteien im dritten Kapitel mit dem Namen "Neuer Wohlstand – mit nachhaltigem Wachstum zum Klimaneutralen Industrieland" untergebracht. Aber auch in anderen Programmpunkten finden Nachhaltigkeit, Klima- und Biodiversitätsschutz immer wieder ihren Platz. Ihr Motiv fassen sie so zusammen:
Angestrebt wird ein klimaneutrales Industrieland Deutschland bis 2045. Um das zu erreichen, setzen CDU und CSU vor allem auf den Emissionshandel – also CO2-Bepreisung mit Zertifikaten – der auf Luft- und Schiffsverkehr ausgeweitet werden soll. Die Einnahmen daraus sollen durch Stromverbilligungen an die Bevölkerung zurückfließen.
Firmen, die in klimafreundliche Technologien investieren und Energie sparen, sollen weniger Steuern zahlen. Generell sprechen sich CDU und CSU in ihrem Wahlprogramm gegen Steuererhöhungen aus. Auch der Solidaritätszuschlag soll allumfassend abgeschafft werden. Wie der Weg zur Klimaneutralität finanziert werden soll? "Mit nachhaltigem Wachstum."
Um die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen, setzen die Schwesterparteien außerdem auf neue Technologien und Innovationen. Welche genau das sein werden, ist im Programm nicht benannt. Um aber den Erfindungsgeist der deutschen Wirtschaft zu beflügeln, soll ein "Entfesselungspaket" die Wirtschaft unterstützen. Sein Inhalt: weniger Steuern, weniger Papierkram für Unternehmen.
In der Automobilindustrie solle neben der E-Mobilität die Wasserstoff-Technologie weiter gefördert werden. Ein Dieselfahrverbot lehnen die Unionsparteien genauso ab wie ein Tempolimit auf den Autobahnen. Im Programm schreiben sie:
Das Schienennetz und das Nachtzug-Angebot sollen ausgebaut, mehr Güter über die Schiene transportiert werden. Für den Flugverkehr sollen synthetische Kraftstoffe und klimaneutrale Technologien entwickelt werden, die Schifffahrt soll perspektivisch auf alternative Kraftstoffe umsteigen. So soll zum Beispiel die Nutzung von Ammoniak oder Methanol "zur Marktreife" gebracht werden.
Die Unionsparteien sprechen sich in ihrem Programm dafür aus, den Zuzug von Facharbeitern zu fördern. Dafür wollen sie mehrere Punkte angehen:
Um kluge Menschen ins Land zu holen, sollen Programme zur Gewinnung herausragender internationaler Wissenschaftler ausgebaut werden. Die Union spricht sich aus diesem Grund für das auf EU-Ebene vorgeschlagene Tech-Visum-Programm. Gleichzeitig wollen sie für diese Menschen bessere Bleibeperspektiven schaffen.
Was aus Sicht von CDU und CSU nicht passieren soll:
Aus diesem Grund will die Union das Asylverfahren und auch Rückführungen "gerechter, strukturierter und effizienter" gestalten. Dafür müsse klar zwischen Notleidenden und Nicht-Schutzbedürftigen unterschieden werden. Deshalb sollen weitere sichere Herkunftsstaaten festgelegt werden – nur wenn ein Staat als sicher gilt, können Menschen dorthin abgeschoben werden. Außerdem sind die Chancen auf Asyl für Menschen aus diesen Ländern deutlich geringer. So würden gleichzeitig Anreize abgebaut, die Menschen bisher nach Deutschland und Europa gezogen hätten.
Die Festlegung, welche Staaten als sichere Herkunftsländer anzusehen sind, treffen Bundestag und Bundesrat. In letzterem sind die Bundesländer vertreten und wirken so auf die Gesetzgebung des Bundes ein. In der Vergangenheit hatte zwar der Bundestag eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsländer beschlossen, im Bundesrat wurde diese Entscheidung allerdings gekippt. Die Union plant aus diesem Grund, ein neues Konzept der sicheren Herkunftsstaaten zu schaffen und so den Bundesrat zu umgehen. Auch die Ausweitung des Familiennachzugs lehnt die Union ab.
Die Schwesterparteien möchten sich außerdem für mehr Integration einsetzen. Und zwar nach dem Motto: Fordern und Fördern, wie es aktuell auch im Bereich der Sozialhilfe praktiziert wird. Gefordert wird:
Unterstützt werden sollen sie dabei mit einer verbindlichen Sprachförderung für Kinder, sowie einem digitalen Sprachkurs-Angebot vor allem für Frauen und Mütter. Außerdem soll die Arbeitsmarktintegration unterstützt werden, indem zum Beispiel mehr Menschen mit Migrationsgeschichte im öffentlichen Dienst eingestellt werden. In Deutschland predigende Imame sollen Teil des Integrations-Programms sein, indem sie auch in Deutschland und in deutscher Sprache ausgebildet werden.
Um die kulturelle Vielfalt im Land weiter zu unterstützen, soll die Förderung der nationalen Minderheiten – Sorben, Friesen, Dänen und deutsche Sinti und Roma – fortgeschrieben werden. Antisemitismus soll klar benannt und bekämpft werden. Im Programm schreibt die Union:
Auch Islamfeindlichkeit, Antiziganismus und rassistische Abwertungen von Gruppen wollen die Schwesterparteien mit den Mitteln des Rechtsstaates bekämpfen. Um passende Gesetze formulieren zu können, sollen außerdem regelmäßige Extremismus-Berichte die aktuelle Lage beleuchten.
Um Frauen die gleichen Chancen wie Männern zu ermöglichen, wollen CDU und CSU mehr Frauen motivieren, einen MINT-Beruf zu ergreifen. Die Abkürzung MINT steht für Mathematik, Information, Naturwissenschaften und Technik.
Ebenso sollen sie zum Gründen ermuntert werden – unter anderem, indem der Druck genommen wird, dass alles beim ersten Mal ein Erfolg sein muss. Das Ziel der Union ist beispielsweise, Beteiligungen an Start-ups erst zu besteuern, wenn aus diesen Beteiligungen Gewinne erzielt oder Anteile verkauft werden.
Beseitigt werden soll die Lohn- und Rentenlücke, die zwischen Männern und Frauen klafft. Dafür soll unter anderem das Entgelttransparenz-Gesetz weiterentwickelt werden. Dieses Gesetz soll seit 2017 dafür sorgen, dass Männer und Frauen gleiches Gehalt für gleiche Arbeit bekommen.
Gleichzeitig soll das Gesetz für gleichberechtigte Teilhabe – also die Frauenquote in Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst – verbessert werden. Und zwar, indem es familienfreundlicher wird. Frauen in Führungspositionen sollen so die Möglichkeit haben trotzdem auch Mutter zu sein.
Auch sonst sollen Familien besser gefördert werden, zum Beispiel durch Homeoffice. So sollen Beschäftigte ihre Zeit besser einteilen können und so Kind und Karriere unter einen Hut bringen.
Außerdem möchten die Unionsparteien Familienzeitkonten einführen, damit Paare während der "Rushhour des Lebens" mehr Zeitsouveränität haben. Eltern können angesparte Zeit nutzen, um während der Phase in der sie eine Familie gründen weniger Arbeiten zu müssen, ohne Abzüge zu haben.
CDU und CSU setzen auf den Aufstieg durch Bildung. Als konkrete Punkte, um Bildung und Herkunft zu entkoppeln, nennen sie:
Außerdem soll die politische Bildungsarbeit gestärkt werden. Die Schwesterparteien begründen das so:
Einen Mietendeckel lehnt die Union ab. Stattdessen sollen bis 2025 mehr als 1,5 Millionen neue Wohnungen entstehen. Um Anreize dafür zu schaffen, sollen Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt und Steuervorteile für jene geschaffen werden, die neuen Mietraum bauen. Da der Platz in den Städten außerdem begrenzt sei, wollen CDU und CSU auch das Umland stärken – "vor allem durch eine starke Anbindung an Bus und Bahn sowie eine moderne Grundversorgung". Von sozialem Wohnungsbau ist im Programm keine Rede.
Kurz und knapp: sehr optimistisch. Der Union nach zu Urteilen ist in Deutschland eigentlich schon alles prächtig – eine Regierung unter einem Unions-Kanzler wird das Land aber für alle noch ein bisschen besser machen. Insgesamt 20 Mal rufen die Schwesterparteien das "Modernisierungsjahrzehnt" aus und wirken dabei überzeugt, alle Fragen der Zeit gestellt und beantwortet zu haben.
Im Programm stecken am Ende mehr Klimaschutz-Absichten drin, als noch 2017. Oftmals vertraut die Union aber auf den Erfinderreichtum deutscher Unternehmen – und auf Technologien, die bisher nicht existieren.
Gleichermaßen optimistisch gehen CDU und CSU auch an die Finanzierung ihrer Pläne heran: Der wirtschaftliche Aufschwung, mit dem die Union fest rechnet, wird das Geld in die Kassen spülen. Betriebe sollen dank "Entfesselungspaket" weniger Steuern zahlen. Wie das finanziert werden soll, falls die Wirtschaft doch nicht so stark wächst, schreibt die Union in ihrem Programm nicht.