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US-Wahl 2024: Trump gewinnt bei der Working Class – wird ihr aber schaden

06.11.2024, USA, West Palm Beach: Der republikanische Präsidentschaftskandidat und ehemalige US-Präsident Donald Trump bei einer Wahlparty am Mittwoch, 6. November 2024, in West Palm Beach, Florida. F ...
Alt, weiß, alt: der nächste US-Präsident Donald Trump.Bild: AP / Alex Brandon
Analyse

US-Wahl 2024: Trump räumt bei Working Class ab – absurd, aber nicht überraschend

06.11.2024, 16:3106.11.2024, 17:14
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Es ist gelaufen, Donald Trump wird nach einer Pause seine nächste Amtszeit als US-Präsident antreten. Während viele nach Wegen suchen, den Schock zu verarbeiten (Atemtechniken, Alkohol, Auswandern), dürften seine Wähler:innen endorphinbenebelt durch die Straßen squaredancen.

Überraschend ist, dass sich Trump auch in Bundesstaaten mit einem vergleichsweise niedrigem Pro-Kopf-BIP durchsetzen konnte, zum Beispiel North und South Dakota, aber auch in kaputt deindustrialisierten Rust Belt, zu dem etwa Wisconsin und Michigan gehören, kurz: eher wirtschaftlich schwache Regionen mit geringem Durchschnittseinkommen und hoher Armutsquote.

Die meisten der Bewohner:innen gehören zur Working Class. Stellt sich die Frage, warum Trump bei dieser punkten konnte.

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Trump und Vance für die Arbeiterklasse?

Auf den ersten Blick scheint die Antwort naheliegend: Trump und sein Running Mate JD Vance, selbst Emporkömmling, führten einen Wahlkampf, der ihrer Aussage nach die Arbeiterklasse an erster Stelle stellt. Sie versprachen vieles, etwa industriell ausgelagerte Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe in die USA zurückzuholen, Familien mit Kindern zu unterstützen und den Eliten die Leviten zu lesen.

Kleiner Einschub: JD Vance ist Millionär, Trump einer der 400 reichsten US-Amerikaner:innen.

Oberflächlich betrachtet mögen die Vorhaben vielleicht vielversprechend klingen, doch bei genauem Hinschauen entpuppt sich das als Wahlkampfgepolter.

Trump und der Mindestlohn

In den USA liegt der gesetzliche Mindestlohn bei 7,25 US-Dollar, was das Land hinter den meisten Industriestaaten zurückfallen lässt. Jetzt gibt es aufgrund des föderalen Systems auch Bundesstaaten mit deutlich höherem Mindestlohn, aber auch andere, die wegen Sonderregelungen hingegen etwas unter der landesweiten Vorgabe angesiedelt sind.

Republican presidential nominee former President Donald Trump gives a thumbs-up as Republican vice presidential nominee Sen. JD Vance, R-Ohio, speaks at an election night watch party, Wednesday, Nov.  ...
Designierter Vize-Präsident JD Vance kriegt ein Däumchen von Trump.Bild: AP / Alex Brandon

Bleiben wir beim gesetzlichen Mindestlohn von 7,25 Dollar die Stunde, ist es ein Trauerspiel. Wer für den Mindestlohn eingestellt ist, liegt mit seinem Verdienst deutlich unter dem Medianeinkommen, es sind lediglich 18 Prozent. Immer wieder kündigten Präsidentschaftskandidat:innen an, den Mindestlohn zu erhöhen. Auch Kamala Harris, wenngleich sie sich konkrete Zahlen sparte.

Donald Trump hingegen ließ das Thema komplett unter den Tisch fallen. Bei seinem Fritten-Cameo in einer McDonald's-Filiale wich er einer Frage zur Erhöhung des Mindestlohns aus. "Nun, ich denke das. Diese Menschen arbeiten hart", sagte Trump. “Sie sind großartig. Und ich habe gerade etwas gesehen – einen Prozess, der wunderbar ist“, war seine Antwort dazu.

Im Papier zum "Project 2025", von dem sich Trump halbherzig distanzierte, ist gar die Rede davon, die Mindestlohngesetze zu lockern, sodass selbst die 7,25 US-Dollar passé wären.

Trump und Gewerkschaften

Bleiben wir bei "Project 2025". Die Autor:innen machen sich darin auch dafür stark, eine gewerkschaftliche Organisierung zu erschweren, Gewerkschaftsgründungen zu verhindern, Arbeitskräfte, die ihre Kolleg:innen mobilisieren, schnell zu bestrafen und auch bestehende Gewerkschaften zu verdrängen.

Dass Trump mit Elon Musk, seines Zeichens kein Gewerkschaftsfreund, anbandelt, dürfte mindestens ein Wohlwollen gegenüber dieser Positionen zeigen. Zumal er im Gespräch mit dem Tech-Milliardär lobte: "Wenn sie streiken, sagst Du: Das ist okay, dann seid Ihr alle weg. Ihr seid alle weg. Jeder von Euch ist weg."

Auch wenn es einen umfassenden Schutz für Streikende gibt, lassen sich Gesetzesreformen mit entsprechenden Mehrheiten durchdrücken. Solche, die Arbeitskräften, die sich für bessere Bedingungen einsetzen, auf Dauer schaden.

Trump und die Steuern

Auch wenn sich Trump gerne als Eliten-Bekämpfer gibt, seine Steuerreformen dienen eher, diese zu stärken. Die Unternehmenssteuer soll von 21 auf 15 Prozent gesenkt werden, der Spitzensteuersatz von 39,6 auf 37 Prozent. Gleichzeitig betonte er, dass im Bereich Sozialleistungen Haushaltskürzungen möglich wären. Die würden vor allem Geringverdienende, Arbeitslose und Migrant:innen treffen, "Business Insider" berichtete.

ARCHIV - 05.10.2024, USA, Butler: Der republikanische Präsidentschaftskandidat und ehemalige US-Präsident Donald Trump (l) hört zu, als Elon Musk während einer Wahlkampfveranstaltung bei der Butler Fa ...
Teuflisches Duo: Donald Trump und Elon Musk.Bild: AP / Julia Demaree Nikhinson

Die Pläne verschlechtern die Lebenslage vieler, vieler Menschen. Eingerechnet ist da noch nicht der protektionistische "Amercia First"-Ansatz. Zölle in Höhe von 20 Prozent auf alle Importe, fordert Trump, kurz: "Buy American, hire American". China-Importe sollen sogar 60-Prozent-Zölle bekommen. Allerdings importieren die USA chinesische Waren im großen Stil, darunter auch Vorprodukte. Gesamtwert der importierten Güter: 427,23 Milliarden US-Dollar.

Importe würden durch die Zölle drastisch teurer werden, was wiederum das Preisniveau anhebt. Die Kosten für die Produktion von Waren dürften so steigen, die Preise für diese entsprechend mit. Hinsichtlich möglicher Einkommensentwicklung, siehe Mindestlohn, keine rosigen Aussichten.

Auch Vorgängerregierungen Teil des Problems

Wieso stimmen also Menschen aus der Working Class für Trump? Dafür dürfte es eine Vielzahl an Gründen geben. Einer ist Trumps Gepolter, seine Inszenierung als Retter der arbeitenden Bevölkerung, die seit Jahren unter wechselnden Regierung kaum spürbare Lebensverbesserungen erlebte. Seit den 1980er-Jahren verharrt der Mindestlohn auf demselben Niveau, Sprünge bleiben aus, wie sich etwa beim "Wirtschaftsdienst" nachlesen lässt.

Hinzukommt, dass Wahlkampf-Ansagen deutlich mehr Wert beigemessen wird als festgeschriebenen politischen Positionen. Trump konnte sich ergo als charismatischer Führer verkaufen, eine Figur, die gemeinhin als Antwort auf alle Probleme der Bevölkerung durchgeht und hintenrum daran werkeln, diese zu verschlimmern. Vereinfacht ausgedrückt.

Zuletzt konnte er mit dem Feindbild Migrant:innen von den wirklich Ursachen ablenken. Nicht diejenigen, die Löhne festlegen oder die Mieten anheben sind schuld, sondern Nicht-Einheimische. Eine Strategie, die auch in Deutschland fleißig genutzt wird.

Vorbereitungen auf Streit mit Trump: Kalifornien legt Geld auf die Seite

Schon während Donald Trumps erster Amtszeit kam es häufig zu Konflikten zwischen ihm und demokratischen Gouverneur:innen. Besonders mit Kalifornien gab es für den ehemaligen und zukünftigen Präsidenten viele Streitpunkte.

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