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Frankreich: Macrons Premier Lecornu tritt zurück – das droht nun Europa

President Macron And Moldova s President Sandu Press Conference - Paris Frances President Emmanuel Macron and French army Minister Sebastien Lecornu during a press conference at the Elysee Palace in P ...
Premierminister Lecornu geht – zurück bleibt ein angeschlagener Präsident Macron.Bild: imago images / ABACAPRESS
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Frankreich: Macrons Premier tritt zurück – vor allem eine Partei profitiert von Krise

Frankreich steckt knietief in einer Krise: Das Land muss Staatsschulden von 3,3 Billionen Euro drastisch verringern, kein politisches Lager hat im Parlament eine Mehrheit und nun hat sich innerhalb eines Jahres der dritte Premierminister verabschiedet. Ein Experte erklärt nun, wie es weiter geht: für Präsident Macron, das Land und Europa.
06.10.2025, 17:5106.10.2025, 17:51

Der nächste wirft das blau-weiß-rote Handtuch: Frankreichs Premierminister Sébastien Lecornu ist am Montag nach nur 27 Tagen im Amt überraschend zurückgetreten. Dabei hatte er erst am Abend zuvor die Ressortverteilung in seiner neuen Regierung vorgestellt. Doch genau das sorgte für mächtig Ärger bei den konservativen Républicains, die bisher in der Mitte-Rechts-Koalition mit Macrons Bündnis regierten.

Sie fühlten sich bei der Entscheidung nämlich übergangen und drohten prompt mit einem Ausstieg aus der Minderheitsregierung. Lecornu kam einem möglichen Misstrauensvotum zuvor. Und nun?

Präsident Emmanuel Macron hatte es zuletzt mit immer neuen Premierministern versucht, doch es fehlt die Aussicht auf Erfolg. Im Parlament hat kein Parteienbündnis eine Mehrheit und ein Vermitteln des Premiers zwischen den politischen Blöcken wird immer schwieriger.

"Die drei Blöcke – links, Mitte, rechts – stehen sich unversöhnlich gegenüber", erklärt auch Dominik Grillmayer vom Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg. Welche Optionen es für Macron nun gibt, wer von der verzwickten Lage profitiert und welchen Einfluss das Chaos auf Europa hat, schildert der Politologe Grillmayer gegenüber watson.

Frankreich nach Lecornu: Macron könnte Neuwahlen ausrufen

"Die instabile politische Lage wächst sich zu einer immer größeren Regierungskrise aus", analysiert Grillmayer. Macron trage daran eine "Mitschuld", nachdem er im Sommer 2024 "ohne Not" das Parlament aufgelöst habe.

Bei den Neuwahlen habe er noch weiter an Zustimmung verloren. Um nun aus der selbst verschuldeten Misere herauszukommen, könnte Macron tatsächlich erneut Neuwahlen ausrufen. Dafür hat er zwei Optionen:

  • Neuwahlen des Parlaments
  • vorgezogene Präsidentschaftswahlen

Die nächsten Präsidentschaftswahlen stehen eigentlich erst 2027 an. Kritiker:innen fordern ein Vorziehen der Wahlen nach dem Lecornu-Rücktritt. Laut Jacob Ross von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik fordern "viele, nicht nur Extreme" Macrons Rücktritt, wie er auf X schreibt.

Vorgezogene Präsidentschaftswahlen hatte Macron jedoch "bisher ausgeschlossen", wie Grillmayer watson erklärt.

ARCHIV - 26.08.2024, Frankreich, Paris: Die französische Abgeordnete und Vorsitzende der rechtsextremen Partei Rassemblement National (RN) Marine Le Pen (r) und der Vorsitzende der französischen recht ...
Jordan Bardella und Marine Le Pen könnten mit dem Rassemblement National von der Krise in Frankreich profitieren.Bild: AP / Thomas Padilla

Rassemblement um Le Pen könnten profitieren

Stattdessen könne Macron aber auch das Parlament auflösen und damit Neuwahlen einleiten. Doch Grillmayer bezweifelt, dass der Schritt echte Veränderung bringen würde: "Selbst in diesem Fall wäre allerdings zu bezweifeln, dass sich an den schwierigen Mehrheitsverhältnissen etwas ändert."

Laut Umfragen sei dann davon auszugehen, dass die rechtspopulistische Partei Rassemblement National von Marine Le Pen "gestärkt aus den Wahlen hervorginge". Doch eine absolute Mehrheit hält Grillmayer für "unwahrscheinlich".

Er befürchtet aufgrund dieser Ausgangslage, dass "die politische Blockade" in Frankreich bis zu den Präsidentschaftswahlen 2027 weiter anhalten könnte. Egal ob Hängepartie oder politischer Richtungswechsel in Frankreich: Auswirkungen hat Frankreichs Krise auch über die Landesgrenzen hinaus.

Frankreich-Lage bedroht auch Europa

Auch Grillmayer betont vor diesem Hintergrund, dass Frankreich in der Zeit bis zu den Präsidentschaftswahlen 2027 "als Partner in Europa dringend gebraucht wird".

Falls Macron nicht mehr Präsident sein sollte und "keine der gemäßigten Parteien mehr den Staatschef stellen, könnte Frankreichs europapolitischer Kurs eine neue Richtung nehmen". Der Frankreich-Experte befürchtet:

"Die Zusammenarbeit, auch im Bereich der Verteidigung, würde absehbar erheblich schwieriger."

Bleibt Macron hingegen weiter im Amt, ist er dennoch in seiner Unterstützung der Ukraine und eines starken Europas auf ein funktionierendes Parlament angewiesen. Grillmayer erklärt, dass der Präsident in "außen- und verteidigungspolitischen Fragen" zwar über "weitreichende Befugnisse" verfüge.

Er sei etwa "qua Verfassung" der Armeechef und "Garant der nationalen Unabhängigkeit und der territorialen Integrität". Dementsprechend könne Macron auch, wenn nicht sein Parteienbündnis, sondern ein Linksbündnis oder der rechte Rassemblement National den Regierungschef stellen sollte, "sein Engagement für eine Stärkung der europäischen Verteidigungsfähigkeit fortsetzen".

Dennoch brauche er etwa "um den Verteidigungshaushalt wie von Macron gewünscht zu erhöhen", die Zustimmung des Parlaments.

Lernt Frankreich von Deutschland? Erinnerungen an die Ampel

Wie auch immer sich Macron entscheidet: Trifft Grillmayers Einschätzung zu, dass sich auch bei Neuwahlen keine klaren Mehrheitsverhältnisse ergeben und dementsprechend wieder eine Minderheitsregierung gebildet wird, braucht es in Frankreichs Parlament einen Umschwung.

Lecornu machte in seiner Abschiedsrede bereits klar, dass er sich von den Politiker:innen mehr Verantwortung für das Land als für die eigene Partei wünscht. Dementsprechend hätte es mehr Einigkeit in der Regierung gebraucht, um Kompromisse einzugehen.

Eigentlich hätte Lecornus Regierung diesbezüglich schon von einem Beispiel ausgerechnet aus Deutschland lernen können, wie Politologe Jacob Ross auf X schrieb:

"Man kann nicht zugleich Minister und in der Opposition sein. Diese Lektion hätte man sich in Frankreich in Deutschland abgucken können."

Damit spielte der Wissenschaftler offensichtlich auf das Scheitern der Ampelkoalition an, welche 2024 nach drei Jahren auch an der Unruhe um die ständig ausscherende FDP scheiterte. Die Liberalen verpassten im Zuge dessen auch den Wiedereinzug in den Bundestag, die Ampel wurde abgewählt.

Bleibt also zu hoffen, dass sich Frankreichs Politiker:innen daran orientieren. Dennoch gibt es gute Gründe, um das zu bezweifeln. Grillmayer zufolge hat "die Zeit taktischer Spielchen" vor den Präsidentschaftswahlen 2027 begonnen.

Mögliche Präsidentschaftsbewerber würden bereits abwiegen, was ihnen Regierungsbeteiligungen oder punktuelle Unterstützungen von Premierministern bringen könne. "Unter diesen Umständen ist es enorm schwierig, auch nur Minimalkompromisse zu erzielen."

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