Seit sechs Jahren gibt es die Kleinstpartei Volt – mittlerweile sind Politiker:innen der Europapartei in verschiedenen Parlamenten vertreten.Bild: Getty Images Europe / Thomas Lohnes
Analyse
Neben den großen Parteien, die im Bundestag vertreten sind, gibt es in Deutschland zahlreiche Klein- und Kleinstparteien. Eine davon ist die paneuropäische Partei Volt. Seit sechs Jahren gibt es nun die deutsche Sektion – am letzten Januarwochenende hat sich die Partei in Potsdam zum Bundesparteitag getroffen.
Doch wofür stehen die Paneuropäer:innen? Was bedeutet es überhaupt, eine europäische Partei zu sein? Und was hat Volt mit rot, grün und gelb zu tun?
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Der Volt-Spirit
Die Partei ist jung. Seit sechs Jahren gibt es die deutsche Sektion. Nach und nach steigen die Mitgliederzahlen an. Nach und nach ziehen Abgeordnete in Stadt- und Gemeindeparlamente ein. Parteienfinanzierung vom Bund gibt es für Volt nicht, nur in einzelnen Bundesländern wie Berlin – sie sind auf die freiwillige Arbeit ihrer Ehrenamtlichen angewiesen.
Der Bundestagswahlkampf war zu viel für die junge Partei.Bild: imago images / r. schmiegelt
Da die Partei weder die Mitgliederstärke einer Volkspartei hat, noch eine Jugendorganisation, die im Wahlkampf unterstützen kann, bedeutet das Ehrenamt auch Arbeit bis zur totalen Erschöpfung.
Denn: Wahlkämpfe sind intensiv. 2021 ist die Partei bei der Bundestagswahl angetreten – und an der 5-Prozent-Hürde gescheitert. Ein Dämpfer für die Paneuropäer:innen. Auch wenn ihnen klar war, dass ein Einzug unwahrscheinlich ist. Einige Mitglieder sind wortwörtlich ausgebrannt an den Herausforderungen des Wahlkampfs.
Trotzdem, so war man sich auf dem Parteitag im Januar einig: Es hat sich gelohnt. Denn im Zuge der Wahl wurden in allen Bundesländern Landesverbände gegründet – und Volt hat an Bekanntheit dazugewonnen. Eingeläutet wird auf dem Bundesparteitag auch schon der Europawahlkampf. Die Vorbereitungen laufen. Mit dem "Team Europa" werden nun auch Quereinsteiger:innen fit gemacht für eine Kandidatur und die Arbeit im Parlament.
Aber nicht nur Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen sind für den Bundesverband wichtig, auch Kommunalwahlen werden im ganzen Team bestritten. Denn zum Volt-Spirit gehört: Alle Wahlen sind wichtig. Auf kommunaler Ebene kann die Partei am ehesten überzeugen – in einigen Stadtverordnetenversammlungen ist die Partei mittlerweile vertreten. Der jungen Partei geht es darum, sich zu etablieren. Mitzuarbeiten und zu gestalten. Das ist auch einer der Punkte, weshalb sich Mitglieder für Volt entschieden haben – und nicht für die großen etablierten Parteien.
Auch innerhalb der Parteistrukturen gibt es die Möglichkeit, zu gestalten. Und für Ämter zu kandidieren, ohne sich vorher durch den Parteifilz von unten nach ganz oben zu arbeiten. Nicht wenige der Mitglieder waren von der Mitarbeit in anderen Parteien abgeschreckt.
Der Begriff "Paneuropäisch"
Die Partei Volt gibt es in allen Ländern Europas. Anders als bei anderen Parteien handelt es sich bei Volt nicht um befreundete oder Schwesterparteien, sondern um die gleiche. Sie alle haben das gleiche Grundsatzprogramm, das sich individuell auf die Spezifika der einzelnen Länder anpassen lässt.
In der Parteistruktur gibt es neben den Kommunal- und Landesverbänden, sowie dem Bundesverband auch die europäische Ebene. Einen gemeinsamen Vorstand und Parteitag inklusive. Die Vorsitzenden von Volt Europa, Francesca Romana D’Antuono (Volt Italien) und Reinier Van Lanschot (Volt Niederlande) waren ebenfalls beim Bundesparteitag im Januar 2023 anzutreffen. Genauso wie Volts Mann im EU-Parlament: Damian Boeselager.
Untereinander sind die einzelnen "Chapters", wie sich die Landes-Sektionen nennen, vernetzt. Auch mittels eines eigenen sozialen Mediums. Dort debattieren die Parteimitglieder der unterschiedlichen Länder offen miteinander. Und schließen Kompromisse – auch wenn das bei einzelnen Themen wie beispielsweise der Bewertung von Kernkraft schwierig ist.
Gemeinsam wollen die Paneuropäer:innen die EU umkrempeln. Unbequem sein, damit sich etwas verändert. Denn, was auf dem Parteitag im Januar immer wieder zu hören war: Die Voltis sind keine EU-Ultras. Vielmehr sind sie davon überzeugt, dass es für alle Herausforderungen ein starkes Europa braucht – und dazu gehört auch eine Reform der europäischen Demokratie.
Die Werte der Partei Volt
Die Grundidee von Volt: Die großen Probleme, mit denen die EU-Mitgliedsstaaten sich auseinandersetzen müssen, lassen sich am besten gemeinsam lösen. Die Grundwerte teilen sich alle EU-Chapter der Partei.
Aber auch auf nationaler Ebene hat sich Volt Schwerpunkte gesetzt: Das Klima muss geschützt, das Bildungssystem verbessert und Armut bekämpft werden. Volt Deutschland solidarisiert sich beispielsweise mit der sozialen Bewegung #IchbinArmutsbetroffen.
Auf dem Volt-Parteitag hat sich die Partei mit der Initiative #IchbinArmutsbetroffen solidarisiert.Bild: watson / rebecca sawicki
Auch innerhalb der Partei ist die Frage der Gleichberechtigung essenziell. Wie können alle Mitglieder – unabhängig von ihrem finanziellen Hintergrund – die gleichen Partizipationsmöglichkeiten bekommen?
Um die Landes- und Regionalverbände bei der Umsetzung einer Gleichberechtigungsstrategie zu unterstützen, hat eine Arbeitsgruppe einen Leitfaden formuliert. Darin enthalten sind Ideen, wie die Parteistruktur gleichberechtigter gestaltet werden kann – zum Beispiel, indem Get-Togethers im Park statt in der Kneipe stattfinden.
Auch mit Fridays for Future arbeitet die Partei eng zusammen – bis jetzt. Denn zumindest die Sektion der Fridays in Bremen wurde von den Volt-Delegierten jetzt auf die Unvereinbarkeitsliste gesetzt. Genauso wie die Jugendorganisation der Berliner Linken, die Linksjugend Solid Berlin. Der Grund: Antisemitismus.
Die Fridays for Future Sektion Bremen steht nun auf der Unvereinbarkeitsliste von Volt.Bild: imago-images / Jan Huebner/Taeger
Eine Entscheidung, die eine lange Debatte auf dem Parteitag ausgelöst hat. Am Ende aber haben sich die Delegierten für die Unvereinbarkeit entschieden – ein Safe Space für jüdische Mitglieder zu sein, war wichtiger, als bis ins klein-klein zu diskutieren.
Ein weiteres Thema, das die Partei beschäftigt: Parität. Volt will mehr Frauen – in der Partei und in leitenden Positionen. Aus diesem Grund gibt es vor der nächsten Vorstandswahl Workshops, um Frauen zu aktivieren – und zu empowern.
Beim Blick durch die Halle des Parteitags fällt auf, dass Volt nicht nur für junge Menschen attraktiv ist. Die Partei besteht aus jüngeren und älteren. Aus vollen Locken und schütterem grauen Haar. Karohemden sind genauso zu sehen, wie DocMartens – viele tragen aber auch Volt-Merchandise.
Volt ist eine progressive Partei der Mitte – mit linken, grünen und liberalen Positionen. Ein bunter Haufen also, der Kompromisse treffen muss, die für die verschiedenen Strömungen auch mal schwer zu treffen sind. Am Ende hilft der volt'sche Pragmatismus – denn alle Kompromisse stehen unter dem Kernpunkt Europa.
"Ich möchte etwas klarstellen", sagt eine junge Frau und schaut auf ihre Notizen. Sie zitiert eine Aussage von Donald Trump, der erneut für das Weiße Haus kandidiert: "Einige US-Staaten töten Babys nach der Geburt". Sie blickt auf. Vor ihr sitzt die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Kamala Harris, kopfschüttelnd und mit hochgerissen Augenbrauen.