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USA: Nach Parteitag in Chicago führt Trump in Umfrage – fünf Hürden für Harris

23.08.2024, USA, Chicago: Die demokratische Präsidentschaftskandidatin und Vizepräsidentin Kamala Harris während der Democratic National Convention. Foto: Jacquelyn Martin/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Kamala Harris auf dem Parteitag der Demokraten in Chicago.Bild: AP / Jacquelyn Martin
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USA: Nach euphorischem Parteitag rollen fünf Probleme auf Harris zu

23.08.2024, 13:0623.08.2024, 13:07
anne-kathrin hamilton
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Es war ein gigantisches Fest, mit dem die Demokraten sich hinter ihre neue Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris vereint haben. Am Ende steht sie strahlend in einem Meer aus weißen, roten und blauen Ballons. Die Demokratin wird auf der Bühne umringt von ihrer Familie. Es regnet Konfetti, Musik dröhnt aus Lautsprechern, Tausende Delegierte johlen und jubeln.

Es ist das Ende eines viertägigen Parteitags in Chicago, voller Show mit Stars und Künstler:innen, mit diversen Liebeserklärungen und ganz großen Emotionen. All das, um die neue Frontfrau und Präsidentschaftskandidatin der Demokraten zu zelebrieren.

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Der viertätige Parteitag der Demokraten geht zu Ende, mit viel Jubel und Luftballons.Bild: imago images / Mike Segar

Politische Schwergewichte wie Michelle und Barack Obama sowie Bill Clinton stärken der Demokratin den Rücken. Auch aus dem Showbusiness und aus Hollywood erhält sie namhafte Unterstützer:innen. Harris wird als Kämpferin für das Gute, als Beschützerin der Schwachen, gar als Retterin der USA in Szene gesetzt.

Doch das große Spektakel und der choreografierte Freudentaumel der Demokrat:innen sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass es für Harris schwer werden dürfte, sich bei der Wahl im November gegen ihren republikanischen Kontrahenten Donald Trump durchzusetzen.

Der größte Kritikpunkt: Es fehlt Harris an politischer Tiefe.

Wofür steht sie am Ende und wie will sie ihre Versprechen umsetzen? Nach dem Parteitag rollen fünf Probleme auf Harris und die Demokraten zu, die sie anpacken müssen, um Trump ins Abseits zu schießen.

1. Harris fehlt es an klaren Inhalten

Die 59-Jährige ist seit gut dreieinhalb Jahren als Vizepräsidentin Teil der Regierung von Joe Biden und steht mit in der Verantwortung für all das, was aktuell politisch nicht läuft. "Es gibt ja in der Tat ungelöste Probleme, so wie zum Beispiel die unkontrollierte Immigration", sagt etwa der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Michael Link.

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"Kamala for the peopel" - aber was genau sind die Inhalte von Harris, wenn sie ins Weiße Haus zieht?Bild: AP / Juliana Yamada

Ausgerechnet für Migration – genauer: für die Bekämpfung von Fluchtursachen – war Harris in den vergangenen Jahren zuständig – und es ist ein wichtiges Wahlkampfthema, bei dem Trump seine Konkurrentin vor sich hertreibt.

Bei anderen wichtigen Themen wie Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Inflation ist die Lage zwar nicht schlecht, doch in der Stimmung der Menschen schlägt sich das nicht nieder. Auch das ist für Harris ein großes Problem.

Sie müsse nun "Wege finden, inhaltlich bei den Themen Sicherheit, Migration und Lebenshaltungskosten mit glaubwürdigen Vorschlägen zu punkten", meint Link. Ihr Paradethema im Wahlkampf wiederum hat Harris mit dem Kampf um das Recht auf Abtreibung gefunden, das sie als Frau deutlich besser vertreten kann, als Biden es je gekonnt hätte.

2. Harris bewegt sich nur in ihrem "Safe Space"

Als Staatsanwältin und Senatorin trat Harris in der Vergangenheit souverän und sicher auf. In ihre Vizepräsidentenrolle dagegen fand sie sich nie wirklich ein. Sie war in den vergangenen Jahren wenig sichtbar auf dem – zugegebenermaßen nicht ganz einfachen – Posten, konnte inhaltlich nicht punkten, machte Patzer, wirkte oft unsicher und verkrampft.

Bis vor einigen Wochen galt sie noch als zusätzlicher Ballast für Biden in dessen Wahlkampf und hatte wie der Präsident mit dramatisch schlechten Beliebtheitswerten zu kämpfen.

Seitdem die Demokraten Harris als ihre neue Frontfrau auserkoren haben, hat sich ihre Beliebtheit im Land rasant verbessert. Allerdings hat sich Harris in den vergangenen Wochen, seitdem Biden aus dem Rennen ausgestiegen ist und sie an die Spitze katapultiert wurde, ausschließlich in einem geschützten Raum bewegt. Ihre Auftritte wurden bis ins Detail choreografiert und inszeniert.

Keine Interviews, keine Pressekonferenzen, keine Besuche an politisch heiklen Orten, keine Bewegungen auf unbekanntem Terrain. Die Parteitagsshow ist der vorläufige Höhepunkt dieser Inszenierung. In den kommenden Wochen wird Harris sich in Situationen beweisen müssen, die nicht komplett der Kontrolle ihres Wahlkampfteams unterliegen.

3. Harris muss die "Swing States" erobern

In den meisten der 50 US-Bundesstaaten ist das Rennen um das Präsidentenamt schon vor dem Wahltag gelaufen, weil die Wähler:innen dort zuverlässig entweder für die Republikaner oder die Demokraten stimmen. Ein paar Staaten sind aber politisch hart umkämpft.

In diesen sogenannten "Swing States" werden teils extrem knappe Wahlausgänge erwartet: in Pennsylvania, Wisconsin, Michigan, North Carolina, Georgia, Arizona und Nevada. Harris und Trump konzentrieren ihren Wahlkampf fast ausschließlich auf diese Regionen. In diesen wenigen Bundesstaaten dürfte am Ende eine sehr kleine Zahl von Stimmen den finalen Ausgang der Wahl beeinflussen.

Der Sieg Bidens in Georgia etwa wurde bei der jüngsten Wahl 2020 durch weniger als 12.000 Stimmen entschieden.

4. Robert F. Kennedy könnte Trump unterstützen

Es gibt Spekulationen, dass der parteilose Präsidentschaftsbewerber Robert F. Kennedy aus dem Rennen aussteigen und Trump unterstützen könnte. Der 70-Jährige hat für den deutschen Freitagabend eine Rede zum aktuellen "historischen Moment" und seinem "weiteren Weg" angekündigt – und zwar in Arizona, wo auch Trump parallel Wahlkampf macht.

Kennedys Vize Nicole Shanahan hatte zuletzt einen Zusammenschluss mit Trump ins Spiel gebracht.

Independent presidential candidate Robert F. Kennedy Jr., leaves the Pennsylvania Judicial Center, Tuesday, Aug. 20, 2024, in Harrisburg, Pa. (AP Photo/Matt Slocum)
Robert F. Kennedy könnte sich einen Posten unter Trump erhoffen.Bild: AP / Matt Slocum

Der Neffe des legendären Ex-Präsidenten John F. Kennedy ist bei der Präsidentenwahl zwar chancenlos – in Umfragen liegt er im Schnitt bei nur rund fünf Prozent. Da sich Harris und Trump in Umfragen aber ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern, könnte sein Ausstieg Trump zugutekommen und ihm entscheidende Stimmen liefern.

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Sollte dieser Dämpfer unmittelbar nach der großen Krönungsmesse der Demokraten in Chicago kommen, würde er Harris auch etwas von ihrem dort gewonnen Schwung nehmen.

5. Trump führt nach Parteitag plötzlich vor Harris

Die Harris-Euphorie spiegelt sich in einer aktuellen Umfrage nicht wider. Laut der Prognoseplattform "Polymarketeinen" gibt es einen unvorhergesehenen Zuwachs für Trump. Klar ist: Die US-Wahl 2024 wird ein Nervenkitzel.

Trump liegt derzeit mit 51 Prozent vor Harris, die auf 48 Prozent kommt. Der Unterschied mag gering erscheinen, doch nur 24 Stunden zuvor seien die Zahlen noch umgekehrt gewesen, berichten US-Medien.

Einem Blick auf den Graphen zur US-Wahl 2024 am Mittwoch (21. August, Stand: 16.15 Uhr) zufolge ist Trumps Vorsprung sogar noch weiter gewachsen, berichtet die "Frankfurter Rundschau". Inzwischen liege der Ex-Präsident 5 Prozentpunkte vor der amtierenden Vizepräsidentin.

Republican presidential nominee former President Donald Trump speaks along the southern border with Mexico, Thursday, Aug. 22, 2024, in Sierra Vista, Ariz.
Donald Trump will zurück ins Weiße Haus.Bild: FR157181 AP / Rick Scuteri

Dabei wurden Harris noch am 15. August die besten Chancen zugeschrieben, als sie mit 54 zu 44 Prozent vor Trump führte. Allerdings behält sie diesen Vorsprung in anderen Umfragen derzeit ein, wenn auch nur knapp. Zur Erinnerung: Umfragewerte verändern sich oft und geben keine klare Prognose auf den Wahlausgang.

Jedoch glänzt Harris bei einer Wählergruppe: bei den Hispanics in den USA.

Laut einer aktuellen Umfrage von "The Economist" und "YouGov" beträgt der Vorsprung von Harris in dieser Gruppe derzeit glatte 20 Punkte (54 Prozent zu 34 Prozent). Zuletzt hatten sich die Hispanics unter Biden immer mehr den Republikanern zugewandt. Jetzt ist das anders.

(mit Material der dpa)

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