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US-Geiseln im Iran: So "sabotierten" die Republikaner Jimmy Carters Wiederwahl

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US-Geiseln werden im März 1980 den Medien vorgeführt. Fotos dieser Art gelten in den USA bis heute als Symbol der Schande.Bild: imago images / TT
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US-Geiseln im Iran: So "sabotierten" die Republikaner Jimmy Carters Wiederwahl

Haben die Republikaner 1980 die Freilassung von 52 US-Geiseln in Iran verzögert, um die Wiederwahl von Präsident Jimmy Carter zu verhindern? Neue Hinweise stützen die umstrittene These.
08.08.2023, 18:26
Peter Blunschi / watson.ch
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444 Tage. Vielen Amerikanern ist diese "Schnapszahl" auch nach mehr als 40 Jahren sehr präsent als Synonym für nationale Schande und Ohnmacht. Denn so lange dauerte die Geiselnahme von 52 US-Staatsbürgern in der Botschaft in Teheran. Freigelassen wurden sie an jenem 20. Januar 1981, an dem Ronald Reagan als neuer US-Präsident vereidigt wurde.

Der ehemalige Hollywood-Schauspieler hatte den demokratischen Amtsinhaber Jimmy Carter mit einem Erdrutschsieg geschlagen. Während des Wahlkampfs 1980 war das Geiseldrama in Iran omnipräsent. Im Herbst schien eine Lösung in greifbarer Nähe zu sein. Sie hätte Carter zur Wiederwahl verhelfen können, doch die Geiseln kamen nicht frei.

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Ronald Reagan und Ehefrau Nancy 1981 während seiner Vereidigung. Am selben Tag wurden die Geiseln freigelassen.Bild: imago images / imago stock&people

Schon damals wurde spekuliert, das Wahlkampfteam des Republikaners Reagan habe versucht, die Freilassung zu verzögern, um Carters Wiederwahl zu verhindern. Es wäre ein ungeheuerlicher Vorgang gewesen, der sogar den Watergate-Skandal in den Schatten gestellt hätte. Und der hatte Präsident Richard Nixon das Amt gekostet.

Schweizer Diplomat hat keine Zweifel

Im Zentrum stand Reagans Wahlkampfleiter, der spätere CIA-Direktor William Casey. Er soll sich mehrfach mit Vertretern des iranischen Mullah-Regimes getroffen haben, um sie zu überzeugen, die US-Geiseln bis zur Wahl am 4. November in "Gewahrsam" zu halten. Beweise gab es nicht, entsprechend heftig dementierten die Republikaner die Gerüchte.

Zwei Untersuchungen im Kongress kamen 1993 zum Schluss, es gebe keine glaubwürdigen Indizien für einen derartigen Deal. Nun aber berichtet die NZZ über neue Beweise, die die These der Sabotage von Jimmy Carters Wiederwahl stützen. Für den früheren Schweizer Diplomaten Flavio Meroni besteht demnach kein Zweifel mehr, dass sich die Dinge so abgespielt hatten.

"Weniger humanitäre Prinzipien"

Der heutige 75-Jährige war in die Bemühungen zur Lösung der Geiselkrise involviert – die Schweiz vertritt seit der iranischen Revolution 1979 und dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen die US-Interessen in Teheran. Letztes Jahr veröffentlichte Meroni zusammen mit zwei ehemaligen Diplomaten aus Iran und Algerien ein Buch zu den Ereignissen.

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Ex-Präsident Jimmy Carter besuchte die befreiten Geiseln im Militärkrankenhaus in Wiesbaden.Bild: imago stock&people / ZUMA/Keystone

Die offiziellen Verhandlungen fanden in Algier statt, doch heute ist Flavio Meroni überzeugt, dass das Reagan-Team ebenfalls geheime Gespräche führte. "Die Iraner haben gespürt, dass Reagan weniger humanitäre Prinzipien hatte als Carter. Sie erwarteten daher, dass es leichter sein würde, mit seiner Regierung ins Geschäft zu kommen", sagte er der NZZ.

Worum geht es dabei? Dazu muss man ein wenig ausholen.

Unter der Herrschaft von Schah Mohammed Reza Pahlavi war Iran der wichtigste Verbündete der USA – und von Israel! – in der Golfregion. Mit der von Ajatollah Khomeini angeführten islamischen Revolution verschlechterten sich die Beziehungen. Am 4. November 1979 stürmten Studenten die US-Botschaft in Teheran und nahmen 66 US-Staatsbürger als Geiseln.

Sie verlangten die Auslieferung des nach Ägypten geflüchteten Schah. Zwei Wochen später wurden Frauen und Afroamerikaner freigelassen, doch 52 Männer blieben in Haft. Ein von Präsident Carter im April 1980 angeordneter Militäreinsatz wurde zum Desaster. Zwei Helikopter stürzten in einem Sandsturm ab, acht US-Marines kamen ums Leben.

Iran braucht dringend Waffen

Dennoch zeichnete sich im September eine mögliche Lösung ab. Die Iraner willigten in offizielle Verhandlungen mit den USA ein. Zwei Gründe waren dafür verantwortlich. Der Schah war in Kairo an Krebs gestorben, womit die Hauptforderung der Geiselnehmer obsolet war. Und der irakische Diktator Saddam Hussein hatte das Nachbarland überfallen.

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Eine Demonstrantin hält ein Bild des ehemaligen Schahs von Iran, Mohammad Reza Pahlavi, und seiner Frau Farah Pahlavi.Bild: imago images / ZUMA Wire

Er wollte von den Wirren nach der Revolution profitieren und einen Teil Irans erobern. Die Mullahs brauchten nun dringend Waffen. "Seit dem Beginn des Krieges hatten die Iraner an allen Türen geklopft – bei den Deutschen, bei den Italienern, bei den Südafrikanern, bei uns, um nach Waffen zu fragen", erinnerte sich der Schweizer Diplomat Meroni in der NZZ.

Furcht vor der "October Surprise"

In den USA gab es Waffen, die der Schah bestellt und bezahlt hatte. Die Regierung Carter signalisierte Bereitschaft, sie zu liefern, als Gegenleistung für die Freilassung der Geiseln. In Ronald Reagans Wahlkampfteam, das durch Insider über die Gespräche informiert war, fürchtete man eine "October Surprise", die Jimmy Carter zur Wiederwahl verhelfen könnte.

Wahlkampfleiter William Casey traf sich demnach in Madrid und Paris mit Vertretern des iranischen Regimes, um seinerseits Waffenlieferungen in Aussicht zu stellen, wenn die Geiseln länger in Haft blieben. Ein Memo der Botschaft in Spanien, das erst 2001 von einem Journalisten aufgespürt wurde, bestätigte, dass Casey zum fraglichen Zeitpunkt vor Ort war.

Eine "strikt private" Reise

Den bislang aber wohl stärksten Beweis für eine Sabotage von Carters Wahlkampf aber lieferte erst in diesem Frühjahr der frühere texanische Spitzenpolitiker Ben Barnes. Er war ein Protegé von Ex-Gouverneur John Connally, der beim Mordanschlag auf John F. Kennedy 1963 in Dallas im Auto neben dem Präsidenten saß und schwer verletzt wurde.

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Der frühere texanische Gouverneur John Connally reiste 1980 in den Nahen Osten, um den Iranern indirekt einen Deal anzubieten.Bild: imago stock&people / ZUMA Press

Der einstige Demokrat Connally hatte sich 1980 für die Präsidentschaftskandidatur bei den Republikanern beworben, war aber gegen Reagan chancenlos. Im Juli 1980 brach er zusammen mit seinem Vertrauten Barnes zu einer "strikt privaten" Reise in den Nahen Osten auf, nach Jordanien, Syrien, Libanon, Saudi-Arabien, Ägypten und Israel.

"Besserer Deal als mit Carter"

Er habe keine Ahnung gehabt, worum es ging, sagte Barnes im März der "New York Times". Erst vor Ort habe er mitbekommen, wie John Connally Regierungsvertretern der besuchten Länder mitteilte: "Sagt den Iranern, sie bekommen mit Reagan einen besseren Deal als mit Carter." Aber dafür müssten sie mit der Geiselfreilassung bis nach der Wahl warten.

Sein Mentor habe – letztlich vergeblich – gehofft, in einer Regierung Reagan Außen- oder Verteidigungsminister zu werden, so Barnes. Er wolle Wiedergutmachung für das Unrecht leisten, das Carter angetan wurde, begründete der heute 85-Jährige sein "Coming out". Vier von der "New York Times" befragte Persönlichkeiten bezeichneten Barnes als glaubwürdig.

Geiselnahmen als Geschäftsmodell

Falls dieser Deal existierte, hätte Ronald Reagan sein Versprechen gehalten. Das zeigte sich 1986, als der Iran-Contra-Skandal aufflog. Demnach hatte die Regierung Reagan die Einnahmen aus geheimen Waffenverkäufen an Iran an die rechten Contras weitergeleitet, die einen verdeckten Krieg gegen die linke Sandinisten-Regierung in Nicaragua führte.

Was genau geschah, wird man vielleicht nie erfahren. Die meisten Beteiligten sind tot. Der 98-jährige Jimmy Carter befindet sich in Palliativpflege. Die Iran-Geiseln waren damals nicht sein einziges Problem. Die US-Wirtschaft litt unter einer hohen Inflation (1980 betrug sie 14 Prozent). Umso wichtiger wäre für ihn ein Coup mit den Geiseln gewesen.

Die Iraner wiederum haben aus Geiselnahmen ein eigentliches Geschäftsmodell gemacht. Seit Jahren werden immer wieder Europäer mit fadenscheiniger Begründung verhaftet und unter teils erbärmlichen Bedingungen festgehalten. Ziel ist in der Regel die Freipressung von Iranern, die wegen – geplanter – Anschläge auf Oppositionelle in Europa inhaftiert sind.

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