Es ist das zweite Jahr in Folge, das mit Schlagzeilen über die Pandemie endete – und mit Nachrichten über die Bewegung hinter sogenannten Corona-Demos, den Protestveranstaltungen gegen Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen und, seit 2021, gegen die Covid-19-Impfung. Ende 2020 ging es darum, dass Michael Ballweg, der Gründer der "Querdenken"-Bewegung, eine Pause einlegte. Jetzt waren es die vielen Demonstrationen an unterschiedlichen Orten in Deutschland, die für Aufsehen sorgten.
In München zogen etwa am Mittwochabend mehrere tausend Menschen durch die Innenstadt, teils in Gruppen von mehr als 100 Personen. Dabei hatten die Organisatoren eine ursprünglich für den Abend angekündigte Demonstration mit bis zu 5000 Teilnehmern kurz zuvor abgesagt – weil sie mit den gerichtlich bestätigten Auflagen nicht einverstanden waren.
Die Polizei stoppte die Demonstranten und stellte die Personalien fest. Nach Polizeiangaben wurden rund 700 Ordnungswidrigkeitsanzeigen erstellt sowie Strafanzeigen gegen zwei Personen, die eine "verantwortliche Rolle" gespielt hätten. Etwa 1300 Menschen erhielten Platzverweise, in rund 220 Fällen habe die Polizei "drücken und schieben" müssen. In ungefähr zehn Situationen nutzten Beamte demnach einen Schlagstock. Etwa 20 Personen erhielten eine Strafanzeige etwa wegen Widerstands gegen die Polizei.
Eine auffällige Entwicklung bei den Corona-Protesten: Die Demonstrierenden nehmen augenscheinlich häufiger Kinder dorthin mit, wodurch diese in Gefahr geraten können. Im nordbayerischen Schweinfurt etwa wurde ein vierjähriges Kind verletzt, als seine Mutter versuchte, eine Polizeiabsperrung zu durchbrechen und die Polizisten Pfefferspray einsetzten. Michael Mertens, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sagte zu dem Vorfall: "Es ist verwerflich, dass eine Mutter ihr eigenes Kind als Schutzschild gegen die Polizei benutzt."
Matthias Pöhlmann, Theologe und Autor, der sich seit Jahren mit Esoterik und Verschwörungsmythen beschäftigt, sieht in diesem Umgang mit Kindern eine Eskalation. Gegenüber watson meint er:
Pöhlmann stellt daneben eine weitere Entwicklung fest: Die Protestierenden organisierten zunehmend Veranstaltungen an unterschiedlichen, kleineren Orten – weil sie davon ausgingen, der Polizei damit größere Probleme zu bereiten. Pöhlmann sagt dazu:
Die Radikalisierung der Corona-Protestbewegung ist ein weiterer Trend, den Pöhlmann unterstreicht – und den auch andere Expertinnen und Experten seit Monaten beobachten. Der baden-württembergische Antisemitismusbeauftragte Michael Blume hatte etwa schon im November 2020 vor einer Radikalisierung gewarnt, inklusive einer erhöhten Terrorgefahr.
Der Münchner Pöhlmann sieht gerade in Bayern rechtsextreme Gruppen am Werk. Er meint zu watson: "Was auffällt: Rechtsextreme Gruppierungen wie die Kleinpartei 'Der III. Weg‘ sind dabei, marschieren zunehmend an der Spitze dieser Demos und beglückwünschen sich dann in Telegram-Gruppen dafür, dass sie das schaffen."
Für das kommende Jahr sieht Pöhlmann zwei denkbare Entwicklungen. Er sagt:
In jedem Fall, meint er, dürfte eine gewisse Anzahl radikalisierter Menschen weiter aktiv bleiben – von denen Gefahr ausgehen dürfte. Pöhlmann meint:
Ein Fall, der derzeit Bundeswehr und bayerische Polizei beschäftigt, ist ein Drohvideo eines angeblichen Soldaten. "Derzeit kursiert ein Video eines angeblichen Soldaten im Netz, welches hier oft geteilt wird", twitterte das Verteidigungsministerium am Donnerstag. Es enthalte Drohungen gegen den Rechtsstaat, die nicht hinnehmbar seien. "Die Konsequenzen werden bereits geprüft."
In dem etwa eine Minute langen Clip verlangt der selbst bezeichnete Oberfeldwebel unter anderem die Rücknahme der staatlichen Corona-Maßnahmen und der Duldungspflicht, nach der die Covid-Schutzimpfung in der Bundeswehr zur Vorschrift wurde. "Dies ist eine Warnung", sagt er. "Bis morgen" werde eine Äußerung dazu verlangt. Im Begleittext zum Video heißt es: "Die Soldaten geben sich bis morgen 16:00 Uhr dialogbereit." Das Video wurde spätestens am frühen Donnerstagmorgen eine Stunde nach Mitternacht gepostet. Am Donnerstagabend wurde der Mann festgenommen, aber später wieder auf freien Fuß gesetzt.
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Benjamin Strasser, seit Dezember Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz, schrieb auf Twitter zu dem Video: "Eine Studie zu Extremismus in Sicherheitsbehörden ist überfällig. Wir gehen sie an."
Seit Beginn der Corona-Proteste im Frühjahr 2020 ist den Sicherheitsbehörden immer wieder vorgeworfen worden, schlecht vorbereitet auf Eskalationen bei den Demonstrationen zu sein. Etwa nach der bisher größten Demonstration im August 2020 in Berlin, an deren Ende eine Gruppe von Protestierenden auf die Treppe des Reichstagsgebäudes lief.
Autor Pöhlmann sieht in der Reaktion der Polizei auf die unangemeldete Corona-Demo am Mittwoch ein Beispiel für eine richtige Reaktion des Rechtsstaats. Er meint dazu: