Februar 2015L: Eine Gruppe Geflüchteter erhält Schwimmwesten und wartet darauf, in Sicherheit gebracht zu werden.Bild: imago images / ZUMA Wire
Analyse
Das Schiffsunglück von Pylos mit mehreren Hundert ertrunkenen Geflüchteten hat die Migrationskrise wieder in den Fokus gerückt. Dabei hätte das Migrationsdrama ständige Aufmerksamkeit verdient – seit 2014 starben oder verschwanden auf dem Mittelmeer mehr als 27.000 Menschen.
Carlo Natter, Philipp Reich / watson.ch
100 Millionen Menschen waren 2022 laut der UNO-Flüchtlingshilfe weltweit auf der Flucht. Oder anders ausgedrückt: fast die gesamten Einwohner von Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammen.
Rund 30 Millionen dieser Flüchtlinge leben auf dem afrikanischen Kontinent. Krieg, Armut und Unterdrückung – viele wurden aus ihrer Heimat vertrieben oder erhoffen sich fernab davon ein besseres Leben. Das ultimative Ziel: Europa.
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Zwar sanken seit dem Höhepunkt der "europäischen Flüchtlingskrise" im Jahr 2016 die Zahlen derjenigen, die nach Europa flüchten wollen, noch immer nehmen aber weiter täglich Tausende von Menschen den gefährlichen Weg auf sich. Allein in diesem Jahr haben sich laut dem "Missing Migrants Project" der Internationalen Organisation für Migration (IOM) schon über 100.000 in Richtung Europa aufgemacht.
Seit 2016 sind es gar 1.655 Millionen.
Viele Flüchtlinge entscheiden sich für den gefährlichen Wasserweg übers Mittelmeer, gilt er doch als der schnellste Weg, um ohne Einreisegenehmigung nach Europa zu kommen. Im Wesentlichen gibt es drei Hauptrouten, um die Migrantinnen und Migranten übers Wasser nach Europa zu bringen:
- Westliche Route von Marokko nach Spanien
- Zentrale Route von Libyen oder Tunesien nach Italien
- Östliche Route über die Türkei nach Griechenland
Seenot: Mehr als ein Prozent der Schutzsuchenden stirbt
Mit Abstand am häufigsten wird die zentrale Route benutzt. Weil es keine legalen Zuwanderungsmöglichkeiten gibt, sind Menschen auf der Flucht häufig auf teilweise skrupellose Schleuser angewiesen, die ihre "Kunden" mitunter in seeuntauglichen oder überladenen Schiffen transportieren.
Regelmäßig kommt es deshalb zu Katastrophen, oft bereits in Küstennähe, wie die Karte aller gestorbenen und vermissten Migranten im Mittelmeer zeigt.
Mehr als ein Prozent aller Geflüchteten bezahlen ihre Reise mit dem Tod. Zuletzt kam es Mitte Juni südlich der griechischen Halbinsel Peloponnes zu einem verheerenden Bootsdrama, als ein komplett überfüllter Fischkutter sank und vermutlich mehr als 500 Schutzsuchende mit sich in die Tiefe riss. Nur 104 Menschen konnten gerettet werden, 78 Menschen wurden tot geborgen.
Seit 2014 sind im Mittelmeer über 27.000 Menschen gestorben oder verschwunden, rund 25.000 davon sind ertrunken. Die Zahlen der IOM basieren auf offiziellen Aufzeichnungen der Küstenwache, lokalen Ärzten und den nationalen Behörden. Wie viele Migranten auf dem Weg nach Europa tatsächlich sterben, bleibt allerdings unklar.
Die Zahlen dürften noch höher liegen, denn viele Leichen werden nie geborgen.
Asylpolitik: Verzögerte Rettung Grund für hohe Opferzahlen
Ein Grund für die hohen Opferzahlen seien verzögerte staatliche Rettungsaktionen, erklärte die IOM Ende März dieses Jahres. Ihr zufolge starben allein in diesem Jahr mindestens 127 Menschen bei sechs Schiffbrüchen – unter anderem, weil staatlich geleitete Rettungsaktionen verzögert waren. In einem siebten Fall, bei dem 73 Menschen ertranken, habe es überhaupt keine Reaktion gegeben.
Stuttgart: Bei einer Protestaktion machen rund 200 Aktivist:innen auf das Bootsunglück aufmerksam Bild: dpa / Andreas Rosar
Von unterlassener Hilfeleistung ist nun auch beim Bootsunglück vor dem Peloponnes die Rede. Die griechische Küstenwache hatte der Besatzung des Bootes nach eigenen Angaben etwa zwei Stunden vor dem Unglück mehrfach Hilfe angeboten, doch diese sei ausgeschlagen worden.
Das ist die IOM
Die
Internationale Organisation für Migration (IOM) ist eine weltweite zwischenstaatliche Organisation im UN-System, welche 1951 gegründet wurde und ihren Hauptsitz in Le Grand-Saconnex bei Genf hat. Sie führt auf nationaler und zwischenstaatlicher Ebene Hilfsprogramme für Migranten durch. Mitglieder sind 169 Staaten. Das IOM wird von einigen Seiten kritisiert, dass es mehr nach wirtschaftsorientierten als nach humanitären Prinzipien agiere.
Nun gibt es jedoch Vorwürfe, dass der Kapitän des Patrouillenboots bei der Entdeckung des Kutters nicht eingeschritten sei. Einige Medien zitierten Überlebende, die Küstenwache habe den Untergang des Boots sogar erst verursacht, indem sie es in Richtung Italien habe schleppen wollen. Die Küstenwache entgegnete, dass das Boot gesunken sei, weil es an Bord eine Massenpanik gegeben habe. Sicher ist bisher nur, dass die See ruhig war, als das Boot sank.
Die Ampel-Koalition ist mit einem lauten Bruch gescheitert. Nach wochenlangen Streitgesprächen steht seit Mittwochabend fest: Der Finanzminister Christian Lindner (FDP) ist nach einer Kündigung durch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) raus. Die FDP-Minister:innen brechen mit der Ampel. Die Vertrauensfrage wird gestellt und Neuwahlen stehen an.