Bei Cannabis ist es mittlerweile klar: Die Ampel beschäftigt sich mit einem Gesetzentwurf, der Marihuana legalisieren wird. Anders steht es um die sogenannten harten Drogen: Ecstasy, Kokain und Amphetamine zum Beispiel. Die bleiben nach wie vor verboten, ihr Besitz strafbar. Die Grünen in Berlin wollen daran nun aber in Teilen etwas ändern – sie wollen geringe Mengen in der Hauptstadt entkriminalisieren.
Doch was bedeutet das? Und was heißt das für den Rest von Deutschland? Darüber hat watson mit Politiker:innen und Menschen aus der Drogenarbeit und Suchtprävention gesprochen.
Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert (SPD) stellt gegenüber watson klar: Eine bundesweite Entkriminalisierung ist nicht angedacht. Er sagt: "Jetzt setzen wir erstmal das Koalitionsvorhaben um. Damit fällt dann das Gros der konsumnahen Verfahren weg."
Er meint damit die Legalisierung von Cannabis. Klar sei aber auch, dass der Vorstoß der Berliner Grünen nicht neu ist. Denn: Eigenbedarfsgrenzen gibt es schon in unterschiedlichen Bundesländern.
Für Rüdiger Schmolke hingegen ist klar: Jede Forderung nach Entkriminalisierung im politischen Raum ist wichtig. Schmolke ist Vorstandsmitglied im Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit. Er sagt: "Der Krieg gegen Drogen richtet sich letztendlich gegen Drogen-Konsument:innen."
Egal ob die Staatsanwaltschaft des jeweiligen Bundeslandes das Verfahren einstellt: Eine Anzeige von der Polizei gibt es im Vorfeld trotzdem. Für Konsument:innen kann das weitreichende Folgen haben.
Schmolke führt aus:
Die Straffreiheit geringer Mengen würde Konsument:innen auf der psychosozialen Ebene entlasten – und auch viele unnötige Verfahren ersparen, die wegen geringer Mengen fallen gelassen werden. Eine restriktive Drogenpolitik lasse sich nicht rechtfertigen, erklärt Schmolke. Viel wichtiger als Verbote: Aufklärungsarbeit. "Wir nennen das Risiko- oder Konsumkompetenz", sagt Schmolke.
Dafür setzt sich beispielsweise Anke Timm ein. Sie arbeitet bei der Berliner Fachstelle für Suchtprävention. Auch Timm ist davon überzeugt, dass die Entkriminalisierung positive Effekte haben würde. Sie findet aber auch: Eine Entkriminalisierung muss immer eingebunden sein, in ein präventives und aufklärerisches Gesamtkonzept.
Im Gespräch mit watson sagt Timm:
In der Suchtprävention beispielsweise werde in Erfahrung gebracht, warum Menschen konsumieren. Ob sie eine Abhängigkeit entwickeln oder Probierkonsument:innen sind. Es werde außerdem darüber gesprochen, wie zum Beispiel mit Leistungsdruck und Stress ohne Drogen umgegangen werden kann.
Timm sagt:
Ihr gehe es nicht darum, den Konsum per se zu verbieten, sondern darum, das Einstiegsalter so weit wie möglich nach oben zu verschieben. Auch im Bereich der Drug-Checking-Angebote, die im Zweifel vor dem Konsum gestreckter oder überdosierter Substanzen bewahren können, sei es wichtig, Beratungsangebote zu schaffen.
Die strafrechtliche Verfolgung von Konsument:innen ist bei keiner Droge der richtige Weg, erklärt Dirk Heidenblut, Gesundheitspolitiker in der SPD. Letztlich, meint er, hemmt diese Kriminalisierung Hilfe und gute Gesundheitsversorgung.
Heidenblut sagt auf watson-Anfrage:
Um Konsum sicherer zu machen, hält Heidenblut den schnellen Ausbau von bundesweiten Drug-Checking-Angeboten für sinnvoll. Er sagt: "Das ist auf jeden Fall nötig und deshalb wollen wir ja auch Modelle ermöglichen und ausbauen."
Auch der drogenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Ates Gürpinar, befürwortet den Vorstoß der Entkriminalisierungsbestrebungen. Auf watson-Anfrage erklärt er:
Seine Partei hat bereits im Bundestag einen Antrag zur Entkriminalisierung des Besitzes geringer Mengen auch sogenannter harter Drogen eingebracht. Gürpinar und seine Partei befürworten einen Umgang mit dem Konsum von Drogen, der diesen "als gesundheitspolitisches Problem statt als Problem von Strafrecht und Polizei ansieht".
Gürpinar sagt:
Dazu gehöre sowohl die Entkriminalisierung von Konsument:innen, als auch die Legalisierung von Drug-Checking-Angeboten.
Die drogenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag sieht die Sache etwas anders. Linda Heitmann erklärt gegenüber watson, dass der unterschiedliche Umgang der Bundesländer mit den sogenannten harten Drogen die Möglichkeit biete, Konsummuster zu erkennen. So könne abgeleitet werden, wie sich Kriminalisierung und Entkriminalisierung auf den Konsum auswirkten.
Heitmann sagt:
Das zeige, dass die Illegalität nach wie vor einen abschreckenden Charakter habe.
Im Zuge der Legalisierung von Cannabis müsse die Entwicklung von Konsummustern betrachtet werden – dann könne überlegt werden, inwieweit Entkriminalisierung oder eine legale Abgabe anderer Substanzen Sinn ergeben könnte. Die Grünen-Politikerin geht davon aus, dass durch die Cannabis-Freigabe offener über die Gefahren des Konsums gesprochen wird.
Vom Drug-Checking, das im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist, erwartet Heitmann, auf der einen Seite den Gesundheitsschutz der Konsument:innen zu steigern und auf der anderen Aufklärungsarbeit leisten zu können.
Heitmann sagt:
Eine bundesweite Straffreiheit für harte Drogen wird es mit der Ampelregierung nicht geben. Aber die Legalisierung von Cannabis, sowie eine Neuregelung des Drug-Checking-Angebotes, sind im Koalitionsvertrag festgeschrieben.
Auch in Berlin wird die Straffreiheit für geringe Mengen harter Drogen wohl nicht in dieser Legislatur kommen – die Koalitionspartner sind dagegen.