Das "CDU-Zerstörer"-Video von Youtuber Rezo, das gerade so die Gemüter erhitzt, es kommt nicht aus dem Nirgendwo.
Es folgt auf ein Jahr voll mit meist jungen Protesten, bei denen tausende auf die Straße gingen: Werbeverbot für Abtreibung, Upload-Filter, Polizei-Gesetze, Klima-Katastrophe, #wirsindmehr oder die Abholzung des Hambacher Forsts. Rezo spricht nicht zufällig genau solche Themen an. Es handelt sich dabei um die gefühlten Ungerechtigkeiten, die sich in eine meist junge Online-Öffentlichkeit eingefressen haben.
So gesehen war es nur eine Frage der Zeit, bis einer wie Rezo im Namen seiner Leute vor den Bildschirm treten musste. Er ist kein unfairer Bengel mit zu viel Einfluss, der da gegen die CDU schießt. Es bringt auch nur bedingt etwas, Rezo jetzt mantrahaft vorzuwerfen, er stelle Zusammenhänge ungerecht dar. So kurz vor der EU-Wahl könnte sich die Union vor allem bei jungen Wählern damit ein Eigentor schießen. Denn:
Er ist nicht der einzige seiner Art, auch nicht der letzte. Mittlerweile haben drei Millionen Menschen sein Video angeschaut. Es werden stündlich mehr. Dutzende weitere Youtuber haben bereits die nächsten Videos gemacht, die wieder Hunderttausende erreichen. Hinter allem steckt die Nachricht: "Ohne Kurswechsel sind wir gefickt", die Rezo zur politischen Botschaft erhoben hat.
Die Union, das zeigen ihre Kommentare und Posts, scheint ihren eigentlichen Gegner im Fall Rezo noch immer nicht erkannt zu haben: die Bewegung hinter dem Youtuber.
Gerade werfen Kritiker dem Youtuber vor allem einen Faktencheck des Redationsnetzwerks Deutschland entgegen, der Zusammenhänge anzweifelt, die Rezo in seinem Video aufstellt. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sagte: "Er macht von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch. Journalismus ist das aber nicht". Ein Mitarbeiter Peter Taubers kritisierte bereits vorher die "unsaubere Recherche" des Youtubers.
Und es stimmt ja, Rezos Video ist ein einstündiger Ritt durch die deutsche Politik, einseitig festgemacht an der CDU als der Partei mit der meisten Regierungszeit in der deutschen Geschichte. Und es stimmt auch: Dieser Ritt hat fast so viele Handlungslücken wie die neue "Game of Thrones"-Staffel.
Nein, da spricht kein Journalist. Da spricht ein Politiker einer viralen außerparlamentarischen Opposition. Im Gegensatz zu einer Ausschuss- oder Bundestagsdebatte hat sie diesmal nur eine echte und riesige Öffentlichkeit.
Es ist verständlich, dass die Union das alles so nicht stehen lassen möchte. Ziemiak erklärte auch gegenüber watson: "Rezo will vorführen, wie dumm und unfähig angeblich die Politiker und Parteien sind." Das sei gefährlich.
Dabei tut Rezo das, was Oppositions-Politiker sonst auch tun. Er sucht Argumente und Beweise, um zu zeigen, dass es auf eine bestimmte Art und Weise nicht weitergehen kann. Er drückt dabei den Finger in offene Wunden der Regierung. Natürlich tut das weh, gefährlich ist es aber erst einmal nur für einen: für die Union.
Rezo ist nur ein neues Gesicht, das #NiewiederCDU wieder in die öffentliche Aufmerksamkeit holt. Wer jetzt nur "Stimmt nicht" ruft, statt dem politischen Gegner wieder die Wähler wegzunehmen, der wird bei Wahlen (weiterhin) Niederlagen einstecken.
Im Laufe des Tages wird der argumentativ gewappnete Philip Amthor (CDU) genau das in einem eigenen Video versuchen, wie die CDU gegenüber watson bestätigte. Ihn ins Rennen zu schicken, könnte die Debatte in die richtige Richtung lenken.