Wehrdienst: "Dann wird einer ausgelost und die anderen führen ihr Leben weiter"
Wochenlang diskutierten die Koalitionär:innen von CDU, CSU und SPD über die Ausgestaltung eines neuen Wehrdienstes – und Alternativen, falls sich nicht genug Freiwillige melden. Die Herausforderungen in Zeiten aggressiver Kreml-Politik sind klar: Die Bundeswehr soll in den Augen der Mehrheit wieder personell aufgerüstet werden.
Doch wie und mit wem? Junge Menschen wurden bei der Diskussion in den vergangenen Wochen meist übergangen. Das störte auch einen der wenigen öffentlichen Lautsprecher von Gen Z und Gen Alpha: Quentin Gärtner.
Der Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz vertrat die Interessen junger Menschen sogar im Verteidigungsausschuss am Montag. Drei Tage später beschloss die Bundesregierung unter anderem, dass im äußersten Fall eines Mangels an Wehrdienstleistenden eine Teilpflicht in Kraft werden soll – beschlossen vom Bundestag und entschieden wohl per Losverfahren.
watson: Quentin, was hältst du von der Idee eines Losverfahrens, das im äußersten Fall zum Einzug in den Wehrdienst genutzt werden soll?
Quentin Gärtner: Prinzipiell hat sich dadurch nichts geändert, denn der Bundestag müsste auch bei der bisher bestehenden Gesetzeslage über eine Rückkehr der Wehrpflicht entscheiden. Aber die Idee eines Losverfahrens finde ich sehr seltsam.
Wieso?
Ich stelle mir vor, mit fünf Freunden nach dem Schulabschluss in der Kneipe zu sitzen, und am nächsten Tag wird einer von ihnen ausgelost, der zum Bund muss, während die anderen vier ihr Leben normal weiterführen können. Das verschlechtert in meinen Augen erneut das Gerechtigkeitsgefühl junger Menschen und ist nicht geeignet, um Frust abzubauen.
Hat es dich überrascht, worauf sich die Regierung am Donnerstag geeinigt hat?
Nein, das hat mich nicht überrascht. Es zeigt, dass wir nach wie vor weiterkämpfen und Gas geben müssen, damit unsere Stimmen nicht überhört werden. Die Bundesregierung muss es schaffen, uns in den Diskussionen zum Wehrdienst zu berücksichtigen – aber auch in denen zum Haushalt. Aktuell wird Politik so gemacht und Geld so ausgegeben, dass ältere Menschen davon profitieren – und nicht meine Generation.
Hattest du gehofft, dass andere Dinge entschieden werden?
Ich habe mich ehrlich gesagt schon von der Idee einer vollumfänglich funktionierenden Generationengerechtigkeit verabschiedet. Meine Generation ist die "Gebergeneration" und wird mehr beitragen müssen, als sie zurückfordern kann. Trotzdem muss der Staat uns darauf vorbereiten, diese Verantwortung zu tragen. Es ist ein falsches Signal, unsere Bereitschaft zu ignorieren und uns keine Angebote zu machen.
Ist diese Bereitschaft denn da?
Davon bin ich überzeugt. Viele von uns möchten Verantwortung übernehmen, sei es im Wehrdienst oder in anderen Diensten. Aber es kann nicht sein, dass auf der einen Seite von uns gefordert wird, uns einzubringen, während auf der anderen Seite keine Förderung stattfindet. Eine Bundesregierung, die so massiv Schulden aufnimmt, muss auch in Bildung investieren, um uns auf diese Aufgaben vorzubereiten. Es braucht eine klare Offensive für junge Menschen. Der Staat muss uns unterstützen und uns die Mittel an die Hand geben, um die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen.
Wo könnte die Regierung deiner Meinung nach nun nachschärfen, um für die Wehrdienstpläne eine größere Akzeptanz bei jungen Menschen zu erreichen?
Der Staat und die Regierung müssen zeigen, dass sie bereit sind, für junge Menschen einzutreten – und zwar so, "dass es kracht". Es braucht massive Investitionen in Bildung, Klimaschutz und Infrastruktur. Besonders wichtig sind Investitionen in die psychische Gesundheit und die Lebensqualität junger Menschen. Schulen dürfen keine seltsamen Aufbewahrungsorte sein, sondern müssen zu lebenswerten Orten werden. Es geht darum, das öffentliche Leben junger Menschen zu fördern. Die Streichung des Kulturpasses beispielsweise war ein großer Fehler.
Du hast auch im Verteidigungsausschuss bereits gefordert, dass mehr in die psychische Resilienz junger Menschen investiert werden muss. Wieso?
Mehr als ein Viertel der Schüler beschreibt ihre Lebensqualität als gering. Angst und Depressionen haben seit Corona zugenommen. Die Bundesregierung täte gut daran, hier aktiv zu werden – nicht nur für die jungen Menschen selbst, sondern auch für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.
Wie hängt das mit dem Wehrdienst zusammen?
Eine Gesellschaft, die verteidigungsfähig sein möchte, muss nicht nur militärisch stark sein. Es braucht ein System, das von wehrhaften Demokraten getragen wird. Die Schulen müssen also das Demokratiebewusstsein junger Menschen fördern – ebenso ihre Resilienz, sodass sie auf Krisen reagieren können. Das ist entscheidend für die Gesamtverteidigungsfähigkeit unseres Landes.
Aus heutiger Sicht: Hattest du am Montag im Ausschuss das Gefühl, von den anwesenden Politiker:innen in deinem Anliegen ernst genommen zu werden?
Am Montag hatte ich das Gefühl, dass ich für uns junge Menschen selbstbewusst Punkte setzen konnte. Und zwar nicht nur am "Katzentisch". Ob die anwesenden Politiker mein Anliegen wirklich ernst genommen haben, kann ich nicht sagen. Immerhin sind einige auf mich zugekommen, haben mir zu einem gelungenen Auftritt gratuliert und signalisiert, dass sie bereit sind, sich inhaltlich mit uns auseinanderzusetzen – auch wenn sie teils anderer Meinung sind.
Deine Zeit als Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz endet an diesem Wochenende, du studierst mittlerweile. Geht es in Zukunft ähnlich politisch für dich weiter?
Ich werde weiterhin für die Belange junger Menschen laut sein und mich dafür einsetzen, dass sie mehr Gehör finden.
