Inmitten der krisenreichen Weltlage kommt hoher Besuch nach Deutschland: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan trifft auf Einladung des Kanzlers Olaf Scholz (SPD) am Freitag in Berlin ein. Dann wird die Hauptstadt vielerorts wohl Kopf stehen.
Denn in der Millionenstadt ist am Freitag und Samstag bereits mit zahlreichen Demonstrationen und Pro-Palästina-Kundgebungen zu rechnen. Die Polizei bereitet sich derweil auf einen Großeinsatz vor. Es werde zu "erheblichen Einschränkungen beim Verkehr in der Stadt kommen", sagte eine Sprecherin. Hier erfährst du, was bisher bekannt ist.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte Erdoğan bereits nach dessen Wiederwahl zum Präsidenten im Mai eingeladen. Mittlerweile hat sich die politische Lage geändert – und der Besuch erhält dadurch eine besondere Brisanz. Denn die Meinung des türkischen Staatschefs zum Nahostkonflikt ist eindeutig: Er nennt die islamistische Hamas etwa eine "Befreiungsorganisation". Ganz anders als Deutschland, die EU und die USA: Hier gilt die Hamas als "Terrororganisation". Zudem hat Erdoğan sich diesbezüglich kritisch gegenüber dem Westen geäußert und sprach von "Heuchelei".
Zwei Tage vor seinem Besuch hat er auch Israel erneut scharf angegriffen. Vor der Fraktion seiner islamisch-konservativen Partei AKP im Parlament bezeichnete Erdoğan Israel am Mittwoch als "Terrorstaat" und beschuldigte das Land zum wiederholten Mal des Genozids.
Der Besuch werde aus aktuellen Umständen herausfordernd sein, ließ die Bundesregierung verlauten. Doch die deutsche Position zu Israel sei felsenfest. Scholz werde diese beim Gespräch mit Erdoğan auch "sehr deutlich machen". Eine Absage des Besuchs steht deshalb nicht im Raum.
Bevor der türkische Präsident auf den Kanzler zum Abendessen trifft, empfängt ihn zunächst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Wann genau, darf die Öffentlichkeit aus Sicherheitsgründen noch nicht erfahren. Allerdings wird am frühen Nachmittag mit der Ankunft Erdoğans gerechnet. Der genaue Zeitpunkt seiner Abreise war am Mittwoch noch nicht bekannt.
Auch die Strecke, die der Konvoi mit Erdoğan vom Berliner Flughafen BER zum Regierungsviertel und wieder zurückfährt, wird geheim gehalten. Klar ist: Dort ist mit Einschränkungen zu rechnen.
Zudem wird wie bei Erdoğans letzten Besuch in Berlin im Jahr 2018 im Regierungsviertel wohl wieder die sehr hohe Sicherheitsstufe 1 gelten. Wahrscheinlich ist, dass die Polizei für Freitag eine Anordnung für das Regierungsviertel erlässt, wonach das Abstellen von Autos und Fahrrädern dort verboten ist.
Wer hofft, einen Blick auf den hohen Besuch beim Länderspiel Deutschland-Türkei am Sonnabend werfen zu können, dürfte enttäuscht werden. Größere öffentliche Auftritte werden bewusst vermieden. Mit einer Rede an Erdoğan-Anhänger oder bei pro-palästinensischen Demonstrationen ist ebenfalls nicht zu rechnen. Die Verantwortlichen haben streng darauf geachtet, solche Auftritte zu vermeiden. Das genaue Programm sei jedoch noch nicht beschlossene Sache, hieß es Anfang der Woche.
"Die Polizei Berlin ist in der Bewältigung komplexer Einsatzlagen, darunter auch Besuche von Staatsoberhäuptern, erfahren", hieß es vonseiten der Behörde. Derzeit steht der Feinschliff bei der Einsatzplanung an. Pläne könnten sich jedoch noch ändern.
Als Erdoğan 2018 nach Berlin reiste, herrschte Ausnahmezustand. Damals nächtigte der türkische Präsident drei Tage lang am Brandenburger Tor im Hotel Adlon. Von "Einschränkungen zu Lande, zu Wasser und in der Luft" war damals die Rede. Insgesamt waren mehr als 4000 Polizist:innen im Einsatz, besonders im Regierungsviertel waren die Sicherheitsvorkehrungen sehr hoch. Sie waren teilweise schwer bewaffnet, patrouillierten zwischen Kanzleramt und dem Adlon. Auch gepanzerte Fahrzeuge waren zu sehen.
Beim damaligen Staatsbesuch wurden zudem Scharfschützen auf Dächern positioniert. Spürhunde suchten nach Sprengstoff und Polizeiboote fuhren auf der Spree auf und ab, zudem wurde der Luftraum gesperrt. Ob dies auch am Freitag wieder so sein wird, ist derzeit noch unklar.
(Mit Material von dpa)