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Karsten Wildberger warnt vor KI-Abhängigkeit Deutschlands – auch mental

30.06.2025, Brandenburg, Potsdam: Karsten Wildberger (CDU), Bundesdigitalminister, sitzt im Hasso-Plattner-Institut (HPI) f
Digitalminister Karsten Wildberger (CDU) sieht in Deutschland eine gefährliche Schieflage.Bild: dpa / Michael Bahlo
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Mentale Abhängigkeit ade: Wildberger will Digital-Revolution in Deutschland

Deutschland droht nicht nur technologisch, sondern auch geistig den Anschluss zu verlieren, warnt Digitalminister Karsten Wildberger. Jetzt fordert er mehr Tempo, eigene KI-Modelle und den Mut, digital endlich entscheidend voranzugehen.
08.08.2025, 10:4508.08.2025, 10:45
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Deutschland gilt im internationalen Vergleich weiter als Digital-Nachzügler. Während Estland, Dänemark oder Finnland längst zentrale Online-Portale für Behördengänge etabliert haben, müssen Bürger:innen hierzulande noch immer mit Papierformularen, langen Wartezeiten und analoger Terminvergabe leben. Der internationale E-Government-Index der Vereinten Nationen führt die Bundesrepublik nur im oberen Mittelfeld – weit hinter den Spitzenreitern.

Digitalminister Karsten Wildberger (CDU) sieht darin eine gefährliche Schieflage. Vor allem bei Schlüsseltechnologien wie Künstlicher Intelligenz (KI) drohe Deutschland den Anschluss zu verlieren. Und zwar nicht nur technisch, sondern auch im Kopf.

Wildberger über Abhängigkeit: Wollen viel, machen aber zu wenig

"75 Prozent unserer Cloudleistungen kommen von den großen US-Konzernen. Das ist aber nichts Schlechtes. Gleichzeitig brauchen wir mehr europäische Lösungen", sagt er im Gespräch mit dem "Tagesspiegel".

06.05.2025, Berlin: Karsten Wildberger (parteilos), Bundesminister f�r Digitalisierung und Staatsmodernisierung, legt im Beisein von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) vor Bundestagspr�sidentin Julia  ...
Im Digitalministerium setzt Bundeskanzler Friedrich Merz auf Karsten Wildberger.Bild: dpa / Michael Kappeler

Besonders alarmierend findet Wildberger hierzulande die Haltung vieler Entscheider:innen: "Für mich war die US-Reise ein Weckruf. (…) Wir begeben uns in eine mentale Abhängigkeit, weil wir auch viel wollen, aber wenig machen." In den USA habe er eine "extreme Offenheit und Begeisterung für Technologie" erlebt, gepaart mit einem klaren Führungsanspruch.

Er fordert, "die Bremse zu lösen", denn: "Wir haben hier die Talente. Wir müssten in einer ganz anderen Gewichtsklasse spielen, was wir eigentlich auch können, aber aktuell nicht tun." Deutschland müsse den Blick stärker nach vorn richten und mehr in eigene digitale Projekte investieren, anstatt vor allem den Status quo zu sichern.

Deutschland hinkt digital hinterher: Wildbergers Plan für mehr Tempo

Der Digital-Minister will die Modernisierung der deutschen Behördenlandschaft beschleunigen. Sein Ziel: zentrale Amtsgeschäfte wie Kfz-An- oder Ummeldungen sollen bundesweit online möglich sein, ohne Papierberge, ohne Behördengänge. "Oftmals sind Verfahren in einer Kommune 20 Kilometer weiter komplett anders gelöst. Diese Komplexität ist herausfordernd. Dafür gibt es keine Lösungen auf Knopfdruck, aber wir wollen in dieser Legislaturperiode spürbar besser werden."

Ein Blick nach Estland zeigt, wie weit Deutschland hinterherhinkt: Dort lassen sich fast alle Verwaltungsakte digital abwickeln, Bürger:innen müssen nur noch für wenige Ausnahmen persönlich erscheinen. Wildberger will nun aufholen – mit einem Fokus auf einheitliche Standards und gemeinsame Schnittstellen für Bund, Länder und Kommunen.

ARCHIV - 28.06.2024, Berlin: Der Schriftzug Bürgeramt ist an der Fassade vom Bürgeramt Lichtenberg beim Bezirksamt Lichtenberg zu sehen. Bürgerämter bieten eine Vielzahl von Dienstleistungen wie im Be ...
Bürokratische Angelegenheiten kosten in Deutschland nicht nur viel Geld, sondern auch Zeit.Bild: dpa / Jens Kalaene

Digitalisierung in Deutschland: KI als Hebel für Tempo und Effizienz

Einen entscheidenden Hebel sieht der Minister in Künstlicher Intelligenz. Schon heute testet das Digitalministerium KI-gestützte Genehmigungsprozesse, die Bearbeitungszeiten von Stunden auf Minuten verkürzen. "Generative KI findet Lösungen auf eine ganz andere Art und Weise. (…) Das nimmt die Maschine einfach ab und damit verschwindet auch die Komplexität."

Auch bei der Genehmigung von Infrastrukturprojekten – vom Glasfaserausbau bis zum Wasserstoffnetz – könnten KI-gestützte Systeme künftig große Teile der Datenprüfung übernehmen. Das, so Wildberger, spare nicht nur Zeit, sondern auch Kosten.

Digital-Minister will europäische Lösungen statt Dauerimport

Um die Abhängigkeit von den USA zu verringern, setzt Wildberger auf eigene europäische Basismodelle für KI, auf große Rechenzentren ("KI-Gigafactories") und auf die gezielte Förderung junger Tech-Unternehmen. "Innovation kommt oft von dort, wo man es nicht erwartet."

Beispiele für solche Newcomer gibt es bereits: Das Münchner Unternehmen Helsing entwickelt KI für Verteidigungsanwendungen, mehrere Start-ups in Frankreich und den Niederlanden arbeiten an Sprach- und Bildmodellen, die europäischen Datenschutzstandards entsprechen.

Damit solche Projekte eine Chance haben, will Wildberger Doppelentwicklungen vermeiden: "Ich möchte sicherstellen, dass die Dinge nicht mehr doppelt gebaut werden. Es ist meine Aufgabe, hier auch ein bisschen zu nerven."

Digitalisierung: Wildberger will innovationsfreundlichere Regeln

In Sachen Regulierung fordert Wildberger eine flexiblere EU-Politik: "Die Umsetzung von KI-Gesetzen ist zu bürokratisch. Risiken müssen adressiert werden, aber nicht überreguliert." Beim geplanten Omnibusverfahren im Herbst wolle Deutschland darauf drängen, dass Innovationen nicht ausgebremst werden.

Für Wildberger ist klar: Wer bei KI und digitaler Verwaltung international mithalten will, muss mehr Mut zum Ausprobieren zeigen und schneller handeln. "Wir müssen der Zukunft mal eine Chance geben."

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