Wütend hält die Europa-Abgeordnete der Grünen, Helga Trüpel, ihr Smartphone in die Luft. "Dieses endlose Negativ-Framing der Leute muss ein Ende haben", schimpft sie bei einem Auftritt zum Thema Artikel 13 am Donnerstag in Berlin. Es geht um einen Protest der Wikipedia. Am Morgen hatten die Macher ihre Website öffentlichkeitswirksam abgeschaltet, um gegen befürchtete Upload-Filter zu demonstrieren.
"Auf dem Handy, wo die jungen Leute ja nachsehen, geht die App aber noch immer", ärgert sich Trüpel. Sie ist überzeugt: Es handele sich um einen bewussten Versuch, gegen das neue Urheberrecht in Europa Stimmung zu machen und das gehe gar nicht.
Neben ihr sitzt ein manchmal zustimmend nickender Axel Voss. Sein Einsatz für die EU-Urheberrechtsreform hat den CDU-Politiker etwa unter dem Hashtag #NiewiederCDU zum Gespött des Internets und zu einer Hassfigur für Netz-Aktivisten gemacht.
Die rechtliche Verantwortung der Plattformen für Urheberrechtsverletzungen jetzt aus der neuen Richtlinie zu streichen, so ist Trüpel überzeugt, würde zum Abbruch der Reform führen. Künstlerinnen und Künstler müssten aber von Plattformen wie YouTube und Facebook beschützt werden.
Dahinter steckt ein fast ideologisch anmutender Kampf der Grünen-Politikerin gegen die großen Anbieter aus dem Silicon Valley. "Wir müssen Internetmonopole besser kontrollieren", sagt sie. Seit Jahren gilt sie unter Kollegen als Hardlinerin, was das Thema Urheberrecht anbetrifft. Ganz in diesem Sinne lässt sie am Freitag ein Schreiben verteilen.
Ein "Manifest für ein offenes und faires Netz" nennt sie das. Das offene Netz, das ist etwas, für das auch die Kritiker der Reform seit geraumer Zeit auf die Straße gehen. Sie fürchten, dass Artikel 13 neue Zensur-Möglichkeiten mit sich bringt. Gegen Zensur will auch Helga Trüpel sein, so steht es in der Unter-Überschrift ihres Manifests, allerdings mit einer Ergänzung: "aber mit Bezahlung von Künstlerinnen und Künstlern".
Das Manifest haben außer Trüpel auch Axel Voss und 95 weitere EU-Parlamentarier unterzeichnet, außerdem eine Vielzahl an europäischen Kreativschaffenden, Verbänden und Verwertungsgesellschaften. Darunter auch die deutsche GEMA und die VG Wort.
Das Schreiben umfasst eine DIN-A4-Seite und beginnt mit einem Absatz voller Floskeln und Ausrufezeichen:
Das Urheberrecht müsse an die digitale Welt angepasst werden, heißt es weiter. Gegen die Kritiker der Reform teilen Helga Trüpel und ihre Mitunterzeichner hart aus:
Eine Absage an Uploadfilter ist das nicht. Das Manifest versucht jedoch, den Fokus auf etwas anderes zu lenken: Die Plattformen sollen demnach nicht zum Blockieren von Inhalten gedrängt werden, sondern zur Lizenzierung. Sie sollen künftig Pauschal-Lizenzen mit den Verwertungsgesellschaften abschließen. Die Künstler könnten dadurch fair bezahlt werden, so die Argumentation. Kritiker halten den Befürwortern der Reform jedoch vor, das würde in erster Linie die großen Verwertungsgesellschaften und Verlage stärken.
Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck sprach sich im vergangenen Monat gegen die Urheberrechtsreform aus. Die Grünen-Europaabgeordnete und Spitzenkandidatin für die anstehende Europawahl, Ska Keller, ist ebenfalls gegen die Reform. Die Piratenpolitikerin und stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Europafraktion, Julia Reda, ist die lauteste Stimme gegen Artikel 13 im EU-Parlament.
Helga Trüpel ficht das jedoch nicht an. Sie setzt sich schon seit Jahren für die Reform ein. Auch außerhalb von Urherberrechtsfragen fordert sie eine stärkere Regulierung von Plattformen wie YouTube und Facebook.
Mit einem Tweet zum Terroranschlag in Christchurch sorgte Trüpel vor kurzem für Aufsehen. Sie schrieb:
Kritiker warfen ihr wegen dieses Tweets Unkenntnis und eine Instrumentalisierung des Anschlags für ihre politische Agenda vor. Da der Anschlag live gestreamt wurde, hätten nicht einmal Uploadfilter die Veröffentlichung verhindern können. Facebook hatte das Video zudem frühzeitig gelöscht und blockiert neue Uploads seitdem.