Gewalt gegen Frauen ist allgegenwärtig – auch in Deutschland. Eine kriminalstatistische Auswertung des deutschen Bundeskriminalamts (BKA) von Ende 2021 zeigt: Auch Gewaltdelikte innerhalb von Partnerschaften nehmen zu. Im Pandemiejahr 2020 sind die Zahlen beispielsweise um 4,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr angestiegen. Der Trend setzt sich fort. Die Opferzahlen steigen seit Jahren stetig an. Unklar ist, ob dies an der größeren Bereitschaft von Frauen liegt, die Fälle zur Anzeige zu bringen oder es tatsächlich mehr Gewalt gibt.
Bundesjustizminister Marco Buschmann will mit schärferen Maßnahmen ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen setzen und Täter noch härter bestrafen. Neben positiver Resonanz erntet Buschmann auch Gegenwind für dieses Vorhaben. Die Kritik: Es sei die bequemere Lösung, ohne explizit etwas gegen häusliche Gewalt bewirken zu können. Das Problem liegt laut Kritikern tiefer.
Buschmanns Plan: Er will das Strafgesetzbuch ergänzen. "Jeden Tag erfahren Frauen Gewalt durch Männer – einfach nur, weil sie frei und selbstbestimmt leben wollen. Jeden Tag werden Frauen verletzt, traumatisiert oder sogar getötet – weil sie sich männlichem Herrschaftswahn widersetzen. Auch in unserem Land ist das Ausmaß frauenfeindlicher Gewalt erschütternd", sagte der FDP-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe am Montag.
Gewalttaten von Männern gegen Frauen dürften "nicht als "private Tragödien" oder "Eifersuchtsdramen bagatellisiert werden", argumentierte Buschmann weiter. "Geschlechtsspezifische Gewalt muss als solche benannt und mit der gebotenen Strenge bestraft werden." Mit einer entsprechenden Änderung des Strafgesetzbuches wolle er auch ein Signal in die Gesellschaft senden: "Wer aus männlichem Besitzdenken Frauen angreift, handelt unserer Werteordnung in besonders eklatanter Weise zuwider."
Ob höhere Strafen solche Gewalttaten allerdings eindämmen oder verhindern können, darüber wird heiß diskutiert. Auf Twitter bezeichnen einige User diese Maßnahme etwa als "guten Vorstoß" oder "sinnvoll". Doch kritische Stimmen glauben nicht an die Wirksamkeit der Strafmaß-Ergänzung.
So meldet sich etwa die Journalistin und Feministin Teresa Bücker zu Wort: "Bevor dieser Vorstoß vorschnell gelobt wird, bitte einmal kurz darüber nachdenken und fragen, ob höhere Strafen etwas verändern."
Sie spricht von der Erhöhung des Strafmaßes als "Scheinlösung": "Diese Politik ist bequem. Das Strafmaß verändern kostet nichts, im Gegensatz zu Geld für Präventionsarbeit. Und es vermeidet auch die Frage nach den Ursachen. Es ist eine Scheinlösung", findet sie.
Eine Twitter-Userin mit erziehungswissenschaftlichem Hintergrund sieht ein Kernproblem im Umgang mit häuslicher Gewalt: die mangelnde Strafverfolgung bei Fällen der häuslichen Gewalt. "Gewalt gegen Frauen überhaupt mal bestrafen, wäre schon was: Vergewaltigung ist quasi ein straffreies Verbrechen, häusliche Gewalt ebenso, Femizid ist bislang keine Kategorie in der polizeilichen Kriminalstatistik", schreibt sie.
Ähnlich sieht es die Anwältin und Dozentin für Familienrecht, Asha Hedayati. Ihrer Meinung nach seien härtere Bestrafungen allein der falsche Ansatz: "Es hilft nichts, wenn Gewalt gegen Frauen in familiengerichtlichen Verfahren keinen interessiert. Wenn Frauen gezwungen werden, über Umgangsverfahren weiter Kontakt zum Täter zu haben. Wenn es heißt: Gewalt gegen die Mutter betrifft das Kind nicht."
Sie glaubt, dass sich kaum etwas ändern würde, wenn Alleinerziehende weiterhin "massiv" von Armut betroffen seien. Oder "wenn ältere Frauen nur noch zwischen Altersarmut und Gewalt wählen können", findet Hedayati.
Stattdessen fordert die Juristin, Ursachenforschung zu betreiben. Es sei für die Präventionsarbeit wichtig, herauszufinden, wie und warum es zu Männergewalt komme und wie man sie stoppen könne.
(mit Material von dpa)