Um Angela Merkel ist es erstaunlich ruhig geworden. Nach ihrem freiwilligen Ausscheiden aus dem Amt der Bundeskanzlerin 2021 gab sie nur wenige öffentliche Auftritte. Zudem meldete sie sich kaum zu aktuellen politischen Themen, wie es andere Ex-Kanzler:innen vor ihr taten. Und auch mit ihrer eigenen Partei – der CDU – wollte sie nicht mehr so wirklich viel zu tun haben. 2022 schlug sie das Angebot aus, den Ehrenvorsitz der Christdemokrat:innen zu bekleiden.
Viele werteten dies als Affront, als Zeichen des Auseinanderlebens Merkels und ihrer Partei, die sich von der in 16 Jahren Kanzler:innenschaft aufgebauten und – für CDU-Verhältnisse – progressiven Politik Stück für Stück entfernt hat, etwa in der Migrationspolitik. Und die sich für Merkels einstigen Erzfeind Friedrich Merz als neuen Chef entschieden hat
Nun hat Merkel den nächsten Schritt weg von der CDU unternommen: Sie tritt aus einer parteinahen Organisation aus.
Nun das nächste Kapitel der Entfremdung: Laut Informationen des "Spiegels" hat Angela Merkel entschieden, aus der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) auszutreten. Die KAS ist ein christdemokratischer Thinktank und gilt als CDU-nah, fungiert etwa als Talentschmiede für kommende Bundespolitiker:innen der CDU.
Die Stiftung hat nur eine begrenzte Anzahl an Mitgliedern, von denen ein Großteil einen CDU-Hintergrund hat: Neben dem Vorsitzenden Norbert Lammert, ehemaliger Bundestagspräsident, gehören der KAS etwa die ehemaligen Bundesminister:innen Jens Spahn und Julia Klöckner sowie die Ministerpräsidenten Daniel Günther (Schleswig-Holstein) und Michael Kretschmer (Sachsen) an.
Warum gibt Merkel also einen Sitz in diesem exklusiven Gremium auf, das geschmückt mit Parteifreund:innen ist? "Ich bin aus dieser Rolle einfach rausgewachsen", soll sie dem "Spiegel" zufolge zu Norbert Lammert gesagt haben, als dieser versuchte, sie gar für eine weitere Amtszeit im Vorstand der Stiftung zu gewinnen.
Innerparteiliche Flügelkämpfe und Streitigkeiten um inhaltliche Leitlinien wurden während Merkels aktiver Zeit in der Partei auch in der Konrad-Adenauer-Stiftung ausgetragen. Dementsprechend setzte sie sich dafür ein, gemäßigte Konservative, die ihre Politik unterstützen, in die Mitgliedsposten der KAS zu bringen.
Das gelang nicht immer: 2017 versuchte sie erfolglos, Annette Schavan als Vorstandsvorsitzende der Stiftung zu installieren. Stattdessen wurde es ebenjener Norbert Lammert. Dennoch verhalf Merkel laut "Spiegel" etwa Tanja Gönner, Hildegard Müller und Hermann Gröhe zu ihrer Mitgliedschaft. Merkels Austritt würden manche daher so bewerten, dass sie ihren "Ehemaligenklub" im Stich lasse.
Womöglich will Merkel nach ihrer langen Politkarriere auch einfach ihre Ruhe und mit dem ganzen Stress nichts mehr zu tun haben. Dass sie ihre ehemalige Partei mit derlei Aktionen jedoch ein ums andere Mal in Verlegenheit bringt, nimmt sie zumindest billigend in Kauf.
Die CDU emanzipiert sich derweil ebenfalls weiter schnellen Schrittes von der 16 Jahre währenden – und eigentlich so erfolgreichen – Merkel-Ära: Ihren Sitz in der Konrad-Adenauer-Stiftung übernimmt ausgerechnet Parteichef Friedrich Merz.