Was Horst Seehofer am Dienstag zum Fall des ermordeten Politikers Walter Lübcke gesagt hat, schwankte zwischen Beruhigung und Krisen-Modus. Jetzt schlage erst einmal die "Stunde der Ermittler", sagte Seehofer. Immerhin sei noch kaum etwas bekannt über die Beweggründe des Stephan E.
Aber Seehofer sagt eben auch andere Worte: "Wir haben darüber gesprochen, die Gefährdungslage für die Bevölkerung anzuheben, uns aber zum jetzigen Zeitpunkt dagegen entschieden." Man wolle für solche Maßnahmen den richtigen Zeitpunkt und die Ergebnisse der Ermittler abwarten.
Der Minister, das zeigen diese Ausführungen, sieht offenbar das Potential für eine kritische Notlage in Bezug auf die Gefahr von Rechtsextremisten in Deutschland. Ausgerechnet Horst Seehofer ist es, der als erster jene klaren Worte findet, die viele Kritiker gerade beim Rest der Union vermissen. "Wir müssen den Antisemitismus und den Rechtsextremismus sehr sehr ernst nehmen" sagt er. Es sei ein "Alarmsignal Hoch Drei", wenn ein hoher Repräsentant des Staats ermordet würde. Die Häme für das Opfer und den Beifall für den Täter nennt der Minister "abscheulich und widerwärtig."
Zuletzt sind rechtsextreme Übergriffe laut polizeilicher Kriminalstatistik eigentlich zurückgegangen. Experten und Beobachter der rechten Szene sprechen aber schon seit Jahren von einem erhöhten Risiko rechtsextremer Anschläge.
Diese Einstufung der Lage versuchte dann am Dienstag auch der Innenminister zu vermitteln, der zusammen mit dem Präsidenten des BKA, Holger Münch, und dem Chef des Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, vor die Öffentlichkeit trat. Münch etwa sagte: "Nur weil nichts passiert, nimmt das Risiko nicht ab."
Wo Seehofer von einer neuen Qualität sprach, lieferte der BKA-Präsident Zahlen.
Auch, was der Chef des Verfassungsschutzes sagt, lässt aufhorchen. Haldenwang habe besonders zu denken gegeben, dass der Täter seit 2009 nicht mehr in Erscheinung getreteten sei.
"Wie wir bei den Islamisten die Kategorie der Schläfer kannten, müssen wir uns auch bei Rechtsextremen um diese Täter kümmern“, sagte Haldenwang.
Stephan E. habe nur deshalb überführt werden können, weil seine biologischen Daten noch immer in den Datenbanken der Behörden zu finden seien. Normalerweise müssen solche Daten von verurteilten Tätern irgendwann gelöscht werden. Im Zuge des NSU-Untersuchungsausschusses wurde für die Ermittlungsbehörden in Bezug auf Verbrechen mit politischen Hintergrund ein "Lösch-Moratorium" eingeführt. Will heißen: Die Daten von rechtsextremen Tätern müssen nicht mehr gelöscht werden.
Jetzt, so sagt Haldenwang, werde man das Umfeld von Stephan E. durchleuchten. E. stand in seiner Vergangeneheit in Verbindung mit rechtsextremen Gruppen wie "Combat 81". BKA-Präsident Münch fügte hinzu: "Die Gefährdungslage behalten wir im Auge."