Mitglieder des Bündnisses "Berlin 2030 Klimaneutral" reagieren auf das Scheitern vom Volksentscheid "Berlin 2030 Klimaneutral".Bild: dpa / Christophe Gateau
Deutschland
Bis 2030 sollte Berlin klimaneutral werden, zumindest wenn es nach der Initiative "Berlin 2030 Klimaneutral" ginge – doch ein entsprechender Volksentscheid ist gescheitert. Es fehlte an der nötigen Mindestzahl an Ja-Stimmen. Die Berliner:innen setzen sich also vorerst keine ehrgeizigen Klimaziele. Für die einen ist es ein Schock, bei anderen weckt es offenbar Schadenfreude.
Das Bündnis "Klimaneustart" wollte mit der Abstimmung eine Änderung des Landes-Energiewendegesetzes erreichen. Konkret sollte sich Berlin verpflichten, bis 2030 und nicht wie bislang vorgesehen bis 2045 klimaneutral zu werden. Doch Berlin stimmte gegen diesen Vorschlag – oder kam gar nicht zur Abstimmung. Für den Meteorologen und Journalisten Özden Terli offenbar unbegreiflich.
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Klimaschützer und Naturwissenschaftler reagieren enttäuscht
Auf Twitter lässt Terli seinem Frust freien Lauf. "Wer mit 'nein' gestimmt hat, hat mit 'ja' zu Extremwettern jeglicher Art zugestimmt. Bitte, dann nicht beschweren, wenn es übel wird", schreibt er. Wie übel es werden könnte, dazu postet er eine Grafik mit den Worten "Glückwunsch zur Klimakatastrophe".
Auch Naturwissenschaftler und Klimaschützer Sebastian Seiffert ist offenbar enttäuscht über den gescheiterten Volksentscheid. Dabei denke er vor allem an seine Kinder. "Abende wie heute tun weh", schreibt er auf Twitter. Wieder müsse er als Vater einsehen, dass es einfach nicht gelingt, große Mehrheiten für die Zukunft seiner Kinder zu erreichen. In Zukunft werde er nun noch härter für den Klimaschutz arbeiten.
Laut Wahlleitung stimmte mit rund 442.000 Wähler:innen eine knappe Mehrheit dafür (50,9 Prozent). Etwa 423.000 Wählende votierten dagegen (48,7 Prozent). Damit wurde jedoch nur eine Voraussetzung für einen erfolgreichen Volksentscheid erfüllt. Die zweite Voraussetzung, eine Zustimmungsquote (Quorum) von mindestens 25 Prozent aller Wahlberechtigten, wurde verfehlt. Das wären etwa 608.000 Ja-Stimmen gewesen. Am Volksentscheid beteiligten sich 35,8 Prozent der rund 2,4 Millionen Wahlberechtigten.
Für den Experten für Klimaschutz Volker Quaschning ist dieses Verfahren wohl ein Rätsel. "Das Ergebnis zählt aber nicht wegen zu geringer Wahlbeteiligung, weil Abstimmung extra auf Sondertermin gelegt wurde", schreibt er auf Twitter. Er fragt sich, warum die Politik so viel Angst vor mehr Klimaschutz habe.
Gescheiterte Volksentscheid sei "Entzauberung galore"
Die Journalistin Anna Schneider betont auf Twitter hingegen, dass der gescheiterte Volksentscheid zeigt, "wie wenig die Öko-Hauptstadtjournalisten-Moraldarstellerblase mit dem Großteil der Bevölkerung zu tun hat". Für sie sei es eine "Entzauberung galore" – also in Hülle und Fülle. Berlin werde wohl doch eher nicht die Welt retten, schreib sie. Das habe sie befürchtet.
Eine Ansage, die der Unternehmensberater und vormals Geschäftsführer des WWF (World Wide Fund For Nature) offenbar so nicht stehen lassen konnte. Er schreibt auf Twitter dazu: "Dass man es feiert, Klimaneutralität mit verhindert zu haben und glaubt, dass man selber von der Klimakrise nicht betroffen sein wird, muss irgendwie pathologisch sein."
Klimaneutralität bedeutet, dass keine Treibhausgase emittiert werden, die über jene hinausgehen, die zum Beispiel durch die Natur aufgenommen werden. Dafür müssten die klimaschädlichen Emissionen etwa von Verbrennerautos, Flugzeugen, Heizungen, Kraftwerken oder Industriebetrieben um etwa 95 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden.
Johannes Winkel, Bundesvorsitzender der Jungen Union, ist offensichtlich erleichtert über den Ausgang des Volksentscheids.
Keine Lust mehr auf so einen "kindischen und populistischen Unsinn"
Winkel findet es "stark", dass der Volksentscheid nicht nur das Quorum meilenweit verfehlt habe, "sondern dass von den Wählern fast die Hälfte ausdrücklich mit Nein gestimmt hat", schreibt er auf Twitter. Die Menschen haben seiner Meinung nach schlicht keine Lust mehr auf "so einen kindischen und populistischen Unsinn".
Die Hauptstadt hätte mit einem strengeren Klimaziel nicht allein dagestanden. Nach Angaben des Vereins German Zero visieren in Deutschland etwa 70 Städte das Ziel an, bis spätestens 2035 klimaneutral zu werden. Auf europäischer Ebene unterstützt die EU-Kommission 100 Kommunen, die bis 2030 an der "EU-Mission für klimaneutrale und intelligente Städte" teilnehmen.
Nach dem Scheitern des Berliner Volksentscheids für ehrgeizigere Klimaziele wollen die Initiatoren der Abstimmung und andere Klimaschützer:innen nicht klein beigeben. "Es ist schade für alle Menschen in Berlin. Wir machen natürlich weiter, wir kämpfen weiter", sagt Jessamine Davis, Sprecherin des Bündnisses "Klimaneustart".
Denn: Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Die EU will bis 2050 soweit sein.
(Mit Material der dpa)
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