Wer weiß ist, heterosexuell und jung, sowie perfektes Deutsch spricht, unterschätzt möglicherweise die Diskriminierung in Deutschland. Besonders, wenn das eigene Umfeld ebenso überwiegend weiß ist.
Doch Diskriminierung ist hierzulande ein gewaltiges Problem.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat am Dienstag den aktuellen Lagebericht "Diskriminierung in Deutschland" veröffentlicht und dabei auf gravierende Missstände hingewiesen. Nach wie vor ist Diskriminierung demzufolge Teil vieler Bereiche des täglichen Lebens. Bei der Vorstellung des Berichts sprechen mehrere Expert:innen eine dringende Warnung an die Bundesregierung aus.
Laut Antidiskriminierungsstelle zeigen sich Diskriminierungen in Deutschland in vielen Bereichen. Besonders betroffen seien Menschen in Arbeitsverhältnissen, im Bildungssektor sowie beim Zugang zu Wohnraum und Gesundheitsdienstleistungen. Das betrifft nicht nur Menschen mit Migrationsgeschichte.
Franke betonte, dass Diskriminierung nicht ausschließlich aufgrund der ethnischen Herkunft, des Geschlechts oder der Religion stattfinde. Auch Altersdiskriminierung und Benachteiligungen aufgrund einer Behinderung oder sexuellen Identität seien weit verbreitet.
Neben struktureller Hindernisse, die den Zugang zu gleichberechtigter Teilhabe erschweren, spiele auch der Mangel an Aufklärung und Unterstützung eine entscheidende Rolle.
Die Antidiskriminierungsstelle fordert insbesondere mehr Engagement bei der Umsetzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). "Viele Menschen wissen nicht einmal, dass sie sich gegen Diskriminierung wehren können", erklärt hierzu die kommissarische Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, Bernhard Franke. Dies sei eines der Hauptprobleme, die dringend angegangen werden müssten. Und die Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman sagte bei der Vorstellung des Berichts: "Das AGG ist oft so lückenhaft, dass es selbst bei handfesten Diskriminierungen nicht hilft."
Das AGG, das seit 2006 in Kraft ist, bietet bereits umfangreiche rechtliche Möglichkeiten. Doch bei der Durchsetzung mangele es noch häufig. Zudem fehle es den Betroffenen mitunter an Informationen darüber, welche Rechte ihnen zustehen. Hier sieht die Antidiskriminierungsstelle erheblichen Handlungsbedarf: "Die Menschen müssen wissen, welche Schritte sie unternehmen können, wenn sie Diskriminierung erleben", sagt Franke.
Eine Studie der Antidiskriminierungsstelle aus dem Jahr 2022 ergab, dass 35 Prozent der befragten Personen bereits Diskriminierungserfahrung gemacht haben. Besonders alarmierend sei, dass die meisten Vorfälle nicht gemeldet werden. Dies liege oft daran, dass Betroffene befürchten, negative Konsequenzen zu erleiden oder eben schlicht nicht wissen, wo sie Unterstützung erhalten können.
Die Antidiskriminierungsstelle fordert daher den Ausbau von Beratungs- und Anlaufstellen. Die bestehenden Kapazitäten seien unzureichend, um den Bedarf zu decken. Franke erklärte: "Es braucht mehr Beratungsangebote, die leicht zugänglich sind. Betroffene müssen unkompliziert Hilfe erhalten können."
Neben einer besseren Infrastruktur für Beratungsstellen sei auch eine stärkere Öffentlichkeitsarbeit notwendig, um das Bewusstsein für das Thema zu schärfen.
Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit der Antidiskriminierungsstelle liegt auf der Prävention. Hierbei gehe es nicht nur darum, Diskriminierung nachträglich zu ahnden, sondern auch präventiv gegen Ungleichbehandlung vorzugehen. Schulen und Arbeitsplätze sollten verstärkt Maßnahmen ergreifen, um Diskriminierung vorzubeugen und ein inklusives Umfeld zu schaffen. "Prävention beginnt mit Aufklärung", betonte Franke. Nur durch umfassende Bildungsarbeit und Sensibilisierung könne eine diskriminierungsfreie Gesellschaft erreicht werden.
Franke appellierte an die Bundesregierung, die Bekämpfung von Diskriminierung stärker in den politischen Fokus zu rücken. In der Pressemitteilung hieß es, dass zusätzliche gesetzliche Regelungen notwendig seien, um die Rechte der Betroffenen zu stärken. Es gehe nicht nur darum, bestehende Gesetze besser umzusetzen, sondern auch darum, neue Schutzmechanismen zu schaffen.
Besonders hervorgehoben wurde die Bedeutung von Sanktionen. "Nur wenn Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot auch spürbare Konsequenzen haben, wird sich etwas ändern", sagte Franke. Er verwies auf Beispiele aus anderen europäischen Ländern, in denen Diskriminierungsvergehen strenger geahndet werden.
Die Antidiskriminierungsstelle betonte auch die Verantwortung der Gesellschaft, Diskriminierung aktiv entgegenzuwirken. Neben staatlichen Maßnahmen sei es notwendig, dass sich auch Unternehmen, Bildungseinrichtungen und die Zivilgesellschaft stärker gegen Ungleichbehandlung positionieren. "Diskriminierung darf nicht hingenommen werden – egal, wo sie auftritt", erklärte Franke.
Abschließend wurde deutlich gemacht, dass die Bekämpfung von Diskriminierung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei. Nur durch das Zusammenwirken von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft könne eine nachhaltige Verbesserung erreicht werden.