"Herr Bundeskanzler, verglichen mit den Kanzlern, die Ihre einst so stolze Partei gestellt hat – Willy Brandt, Helmut Schmidt, Gerhard Schröder – muss man zu dem Schluss kommen: Sie können es nicht. Die Schuhe, in denen Sie stehen, sind mindestens zwei Nummern zu groß", teilt CDU-Chef Friedrich Merz gegen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aus. Es ist die Antwort des Oppositionsführers auf die Regierungserklärung des Kanzlers.
Darin sollte es um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Ampel-Haushalt gehen. Eine gerichtliche Entscheidung, die die Regierung schwer getroffen hat, wie Scholz in seiner Rede zugibt. Den Bürger:innen verspricht er allerdings trotz der Entscheidung in Karlsruhe erneut: "You'll never walk alone." Die Rede des Kanzlers sorgt dennoch für Empörung – besonders die Union wirft Scholz vor, einen schlechten Job zu machen. Rückendeckung bekommt der Kanzler allerdings von Seiten seiner Grünen-Koalitionspartner.
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Umwidmung von 60 Milliarden Euro im Etat 2021 für nichtig erklärt. Das Geld war als Corona-Kredit bewilligt worden, sollte aber nachträglich für den Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Die Richter entschieden außerdem, der Staat dürfe sich Notlagenkredite nicht für spätere Jahre zurücklegen. Das hat der Bund aber in mehreren Sondertöpfen, unter anderem für die Energiepreisbremsen, getan.
Auch Scholz deutet in seiner Rede harte Entscheidungen an. Der Bundestag habe den Abschluss der Haushaltsberatungen verschoben. "Das gibt uns Zeit, vorhandene Spielräume im Haushalt auszuloten, Schwerpunkte zu setzen und natürlich auch Ausgaben zu beschränken", sagt er. Nähere Angaben macht er dazu jedoch nicht. Auch wann der Haushalt für das kommende Jahr beschlossen werden soll, bleibt erstmal offen.
Eine Analyse, die Merz offensichtlich nicht weitreichend genug ist, er spricht Scholz nämlich prompt die Kompetenz zur Kanzlerschaft ab. "Sie sind ein Klempner der Macht", kritisiert Merz. Und er wirft Scholz vor, sich nicht für eine verfassungswidrige Manipulation der Schuldenbremse entschuldigt zu haben – er habe nicht einmal ein Wort des Bedauerns geäußert.
Der Grüne Agrarminister Cem Özdemir springt Scholz wegen der Klempner-Aussage auf X, früher Twitter, zur Seite. Er schreibt: "Meint er das negativ? Andersrum wird ein Schuh draus. Klempner sind Schaffer, lieber Friedrich Merz! Die lösen Probleme, stehen nicht nur daneben, während andere arbeiten."
Und auch Scholz' Vize Robert Habeck (Grüne) bekommt sein Fett weg. Ihm wirft Merz vor, auf dem Parteitag der Grünen, die CDU, als Partei der 90er-Jahre diffamiert zu haben. "Wir haben das als Kompliment empfunden. In den 90er-Jahren hatten wir nämlich noch Wirtschaftsminister, die etwas von Wirtschaftspolitik verstanden haben", pfeffert Merz dem amtierenden Wirtschaftsminister entgegen.
Und damit nicht genug. Merz legt nach: "In den 90er-Jahren hatten wir noch Außenminister, die nicht mit erhobenem Zeigefinger durch die ganze Welt gereist sind, und von denen keiner auf die Idee gekommen wäre, sich bei einer Israel-Resolution in den Vereinten Nationen der Stimme zu enthalten." Zudem sei der damalige Kanzler Helmut Kohl (CDU), Kanzler der Einheit, des EU-Binnenmarkts und der Währungsunion. Dagegen sei die heutige Regierung nur noch peinlich.
Grünen-Politiker Andreas Audretsch kontert daraufhin auf X: "Lösungsvorschläge von Merz: Wirtschaftspolitisch zurück in die 90er und kürzen bei der Bekämpfung von Kinderarmut. Ich glaube, das war einfach ehrlich. Mehr ist da nicht. So spricht jemand, der Angst hat, sich der Realität des 21. Jahrhunderts zu stellen."