Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) stand einer Gruppe wütender Bauern gegenüber – die Polizei musste eingreifen.Bild: imago images / Bernd Elmenthaler
Deutschland
05.01.2024, 10:0802.02.2024, 21:30
Sicherheitsleute und Polizist:innen schieben mit voller Kraft eine Gruppe aufgebrachter Menschen zurück. Sie bilden eine Mauer zwischen ihnen und dem Vizekanzler Robert Habeck (Grüne), der an der Nordseeküste eine Fähre verlassen will.
Bei den etwa hundert Demonstrierenden handelt es sich um Bauern, die ihrem Frust freien Lauf lassen. Dabei blockierten sie am Donnerstag den Anleger in Schlüttsiel, sagt ein Polizeisprecher. Habeck habe deshalb wieder auf die Hallig Hooge zurückkehren müssen.
Demonstrierende hindern Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) daran, die Fähre zu verlassen.bild / screenshot x
Erst in der Nacht erreicht der Wirtschaftsminister das Festland mit einer weiteren Fähre, wie die Flensburger Polizei und ein Ministeriumssprecher am Freitagmorgen bestätigen.
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Rund 30 Beamte seien im Einsatz gewesen. Sie hätten auch Pfefferspray eingesetzt. Von Verletzten war nichts bekannt. Doch die Hetzjagd gegen Habeck löst eine Welle des Entsetzens aus – bei der Bundesregierung und der Opposition.
Bundesregierung bezeichnet den Vorfall als "beschämend"
"Bei allem Verständnis für eine lebendige Protestkultur: Eine solche Verrohung der politischen Sitten sollte keinem egal sein", schreibt Regierungssprecher Steffen Hebestreit am frühen Freitagmorgen auf der Plattform X, vormals Twitter. Die Blockade der Ankunft von Bundesminister Habeck in einem Fährhafen sei beschämend und verstoße gegen die Regeln des demokratischen Miteinanders.
Grünen-Politiker Erik Marquardt stellt eine klare Forderung an den Deutschen Bauernverband. Er müsse Mitglieder, die sich an solchen "Protesten" beteiligen, umgehend rausschmeißen, schreibt er auf X. "Ansonsten muss man davon ausgehen, dass die Führung des Verbandes eine gewalttätige Eskalation als Teil ihrer Lobbyarbeit mindestens duldet", führt er aus.
Auch Marquardts Parteikollege, Rasmus Andresen, stellt eine klare Forderung auf X an den Deutschen Bauernverband: "Ich bin als Europaabgeordneter aus der Region erst wieder zu Gesprächen bereit, wenn sich die Landwirte entschuldigen und sich der Bauernverband von dieser Aktion distanziert. Dialog Ja, Hetzjagd Nein." Laut ihm ist dieser "Protest" absolut inakzeptabel. Das sieht wohl auch Justizminister Marco Buschmann (FDP) so.
"Gewalt gegen Menschen oder Sachen hat in der politischen Auseinandersetzung nichts verloren!", stellt Buschmann klar. Auf X schreibt er weiter: "Das diskreditiert das Anliegen vieler Landwirte, die friedlich demonstrieren." Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schreibt ebenfalls: "Dort, wo Worte durch Gepöbel und Argumente durch Gewalt ersetzt werden, ist eine demokratische Grenze überschritten."
Auch einigen CDU-Mitgliedern geht diese Art von Protest offenbar zu weit.
Ex-CDU-Generalsekretär äußert sich kritisch: "Das geht so nicht"
Der frühere CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak erklärt auf X, es werde hier eine Grenze überschritten. "Wer die Ampel inhaltlich laut kritisiert, darf jetzt nicht schweigen. Das geht so nicht!" Für CDU-Politiker Johann Wadephul sei das nicht Schleswig-Holstein. "Und wir lassen es nicht zu, dass sowas hier zum Stil wird. Ich bin an der Westküste aufgewachsen. Gerade raus ohne Blatt vor dem Mund – ja. Gewalt – nein", teilt er über X mit.
Allerdings haben sich bisher weder CDU-Chef Friedrich Merz, der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) noch Hubert Aiwanger von den Freien Wählern zu dem Vorfall geäußert.
Das fällt auch Grünen-Politikerin Katharina Schulze auf. Auf X kritisiert sie: "Von Markus Söder und Hubert Aiwanger bislang kein einziges Wort zu den versuchten Angriffen auf Habeck. Aber bei den Protesten am Montag stehen sie sicherlich wieder in der ersten Reihe und hauen auf die Ampel drauf."
Bauern wollen trotzdem am 8. Januar streiken
Am Donnerstag reagierte die Bundesregierung auf die massiven Bauernproteste wegen des geplanten Abbaus von Subventionen: Die Koalition will auf die Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft verzichten. Die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll gestreckt und in mehreren Schritten vollzogen werden.
Der Deutsche Bauernverband hält die Maßnahmen aber für unzureichend – und hält an einer ab Montag geplanten Aktionswoche fest.
Landwirte fahren im Konvoi durch die Stadt, auf einem Plakat steht "GrünGelbRot Bauern tot".Bild: dpa / Stefan Puchner
Eine Sprecherin Habecks sagt der Deutschen Presse-Agentur am Abend zu dem Vorfall am Fähranleger, der Minister sei gerne bereit gewesen, mit den Landwirten zu sprechen. "Leider ließ die Sicherheitslage ein Gespräch mit allen Landwirten nicht zu, das von Minister Habeck gemachte Gesprächsangebot mit einzelnen Landwirten wurde leider nicht angenommen."
Nun meldet sich auch Habeck nach dem Vorfall an der Fähre zu Wort.
Habeck äußerst sich besorgt zur Stimmung im Land
Der Grünen-Politiker erklärt am Freitag: "Was mir Gedanken, ja Sorgen macht, ist, dass sich die Stimmung im Land so sehr aufheizt. Als Minister habe ich qua Amt Schutz der Polizei. Viele, viele andere müssen Angriffe allein abwehren, können ihre Verunsicherung nicht teilen. Sie sind die Helden und Heldinnen der Demokratie."
Wütende Bauern hindern Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) in Schleswig-Holstein am Verlassen einer Fähre.Bild: WestküstenNews / -
"Protestieren in Deutschland ist ein hohes Gut", so der Vizekanzler weiter. "Nötigung und Gewalt zerstören dieses Gut. In Worten wie Taten sollten wir dem entgegentreten." Habeck bedankt sich bei den Mitreisenden und der Crew auf der Fähre.
Er sagt:
"Sie sind unvermittelt in Mitleidenschaft geraten. Die Crew musste mit einem blockierten Hafen umgehen und die schwierige Lage managen. Die mitreisenden Passagiere wollten nach Hause oder hatten andere Pläne am Festland, wollten eigentlich Bus und Zug erwischen, konnten aber zunächst nicht von Bord und mussten erstmal geduldig ausharren."
Habeck dankt auch den Einsatzkräften der Polizei, die das Schiff gesichert hätten. "Ich bedauere, dass keine Gesprächssituation mit den Landwirten zustandekommen konnte", führt er aus.
(Mit Material der dpa)
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