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Was für eine Aussicht!Bild: dpa / Axel Heimken
Deutschland
Wer kennt sie nicht, die Anfeindungen von diesem einen Onkel auf der Familienfeier, dass man schließlich selbst in den Urlaub fliege und deshalb gar nicht so blöde Panik um die Klimakrise machen müsse. Der Onkel selbst fliegt zumeist jede Woche geschäftlich von Hamburg nach München und liebt seinen SUV.
SPD-Chef Lars Klingbeil bezeichnete Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz zuletzt im Bundestag ebenfalls als "nörgelnden Onkel". Betrachtet man genannte Whataboutism-Debatte übers Fliegen, scheint das gar nicht allzu weit hergeholt.
Im Wahlprogramm von CDU/ CSU steht geschrieben, dass Individualverkehr als "Inbegriff von Freiheit" gesehen wird. Friedrich Merz lebt diese Freiheit gern mit seinem privaten Flugzeug, der Diamond DA62, aus. Bereits 2022 erntete er für diesen heftige Kritik, als er mit der Maschine von Nordrhein-Westfalen nach Sylt zur Hochzeit von FDP-Politiker Christian Lindner reiste.
Berechnung zeigt Co2-Verbrauch von Merz' Privatflieger
Die "taz" hat nun auf der Grundlage von Daten des "OpenSkyNetworks" alle Flüge analysiert, die Merz mit seiner DA62 in den vergangenen drei Jahren gemacht hat. Am höchsten frequentiert ist dabei die Strecke zwischen seinem Wohnort Arnsberg und einem Flughafen nahe Berlin.
60 Mal stieg der Kanzlerkandidat demnach in den Flieger, um zu Sitzungen oder anderen Treffen im Bundestag zu reisen. Insgesamt ist die Maschine seit 2022 mindestens 160 Mal abgehoben. Berechnungen der "taz" zufolge hat Merz mit seinem Privatflieger damit mehr als 23 Tonnen CO₂, also etwa 7 Tonnen pro Jahr, verbraucht.
Zum Vergleich: Laut Umweltbundesamt liegt der CO₂-Verbrauch pro Kopf in Deutschland aktuell bei 10,3 Tonnen pro Jahr. Auf den Bereich Mobilität fallen dabei bei den Durchschnittsbürger:innen 2,1 Tonnen CO₂ pro Jahr.
Bahncard 100 im Bundestag: Warum fährt Merz nicht ICE?
Brisant ist die Analyse vor allem, weil Bundestagsabgeordnete standardmäßig eine Bahncard 100 zur Verfügung gestellt bekommen und damit stets kostenlos mit der Deutschen Bahn fahren können. Mit einer kurzen Autofahrt von Arnsberg aus wäre Merz etwa von Hamm oder Dortmund aus theoretisch nach vier Stunden ICE-Fahrt in Berlin.
Beim CO₂-Verbrauch würde der CDU-Politiker mit etwa 15 Kilo Emissionen dabei deutlich sparen. Seine DA62 dürfte für die entsprechende Strecke laut der "taz" 157 Kilo CO₂ verbrauchen. Dafür braucht sie aber eben auch nur ein bisschen mehr als eine Stunde.
"Mit meinem Kleinflugzeug verbrauche ich weniger Sprit als jeder Dienstwagen eines Mitglieds der Bundesregierung", argumentierte Merz noch 2022. Im Schnitt würde ein gängiger Dienstwagen aus dem Bundestag für die Strecke 16 Kilogramm CO₂ verbrauchen - ein E-Auto sogar noch weniger.
"Das ist eine klimaschädliche und elitäre Form des Reisens", kommentiert Lena Donat von Greenpeace das Reiseverhalten des CDU-Politikers.
Im Wahlprogramm seiner Partei stellt man zwar einerseits in Aussicht, den "ÖPNV attraktiver und zuverlässiger" zu machen. Gleichzeitig wird hier allerdings ein großes "Ja zum Auto" propagiert und eine Revision des Verbrenner-Verbots in Aussicht gestellt.
Die Reisekosten mit einem Privatfahrzeug werden laut einem CDU-Sprecher übrigens im Rahmen bis zum Preis eines vergleichbaren Bahntickets übernommen. Dass Friedrich Merz als potenzieller Kanzler Bahn fährt, davon sind wir also meilenweit entfernt.
Ob bei Demonstrationen für die Brandmauer, für Klimaschutz oder die Stärkung der Demokratie – bei traditionell liberalen Demonstrationen wird immer wieder ein kühnes Anliegen skandiert: "Nazis raus!"