Die richtigen Worte finden, die Menschen emotional abholen und dabei vor allem glaubwürdig bleiben. In der Politik ist es unerlässlich, die Kunst des Redens zu beherrschen. Die einen beherrschen es besser als die anderen.
Da wäre zum Beispiel Vizekanzler Robert Habeck (Grünen), der mit seiner Rede zu Israel und zum Antisemitismus großen Anklang fand – und damit laut Kritiker:innen den Kanzler Olaf Scholz (SPD) in den Schatten stellte. Seine Worte wurden parteiübergreifend gelobt, das Video millionenfach aufgerufen.
Doch was macht seine Rhetorik besonders? Laut Fernsehmoderatorin Katrin Prüfig kommt es hier auf das sogenannte "akustische Charisma" an. Auf Basis von mehr als 25 Jahren im Journalismus bietet sie Kommunikations- und Medientrainings an.
Im Gespräch mit dem "Deutschlandfunk" erklärt sie, was dahinter steckt: Akustisches Charisma vereine die Signale in der Stimme, die Kompetenz und Selbstbewusstsein transportieren – und die dritte Säule: Leidenschaft.
Leidenschaft misst man laut ihr etwa durch das Sprechtempo und den Klang der Stimme. Selbstbewusstsein zeichne sich etwa durch einen Fall am Ende des Satzes aus, à la "Pasta! Ich meine, was ich sage", meint Prüfig. Sprich: Akustisches Charisma ist mithilfe eines Algorithmus messbar.
Der Expertin zufolge dient die Stimme als ein Führungsinstrument. "Oftmals unterschätzt man, wie wichtig die Stimme ist, für das, was wir vermitteln wollen", sagt sie.
Sie führt aus:
Ihrer Einschätzung nach fehlen Scholz etwa komplett die Leidenschaftssignale. Also das, was spritzig klinge, die Leute emotional abhole. "Kompetenz und Selbstbewusstsein sind in seiner Stimme vorhanden, aber man sieht dabei wenig Mimik und Gestik", sagt die Kommunikationsexpertin.
Scholz erhält oft Kritik, dass seine Reden einschläfernd, monoton und nichtssagend wirken. Auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) könnte laut Prüfig noch etwas an ihrer Rhetorik verbessern. Sie spreche demnach zu weit vorne im Mundraum, dadurch klinge sie etwas kleiner als nötig.
Allerdings habe die Expertin in den vergangenen Jahren große Veränderungen wahrgenommen. Damals während des Wahlkampfes 2021 sei sie oft zu schnell, schrill und hektisch gewesen. Jetzt im Amt habe sich ihre Stimme aber entschleunigt.
Allgemein gebe es die Annahme, Frauen hätten es schwieriger, da ihre Stimmen "dünner" klingen. Aber das muss nicht so sein, betont Prüfig. Als Beispiel hebt sie die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hervor.
Frauen können an ihren Stimmen arbeiten. "Wir können sie voluminöser machen und sie so nutzen, dass wir am Ende des Satzes gut landen", sagt die Expertin und sinkt dabei mit ihrer Stimme. Das sei der finale Fall, der akustische Punkt, wie sie es nennt.
Doch wer hat nun das Zeug zum Kanzler oder zur Kanzlerin allein anhand der Stimme?
Unter den aktiven Politiker:innen wie Habeck, Baerbock oder auch dem redegewandten Finanzminister Christian Lindner (FDP) fällt die Wahl der Expertin auf eine Frau – und zwar auf Strack-Zimmermann. Ihr akustisches Charisma ist demnach wohl besonders gut.
Das stellte sie etwa jüngst bei einem Auftritt in Ravensburg unter Beweis. Dabei geigte sie einigen Bürger:innen die Meinung, die nicht wollen, dass Deutschland und die EU die Ukraine unterstützen. Auf Social Media erhielt sie dafür reichlich Zuspruch.