Die Ampelregierung steht vor allerhand Problemen: Diverse Krisen überlagern sich, hinzu kommt durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe noch ein riesiges Haushaltsloch. 60 Milliarden Euro, die eigentlich zur Bewältigung der Coronapandemie vorgesehen waren, hat die Ampel in den Klima- und Transformationsfonds umgewidmet – ein verfassungswidriger Vorgang, so viel ist jetzt klar.
Nach wochenlangen Diskussionen und einigen Nachtsitzungen konnten Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) schließlich ihre Einigung für den Haushalt 2024 präsentieren. Eine Einigung, die bereits in wenigen Monaten erneut für Krach sorgen könnte. Denn darin ist auch festgehalten, dass, sollten es die Umstände erfordern, die Schuldenbremse womöglich für die Ukraine-Hilfe ausgesetzt werden könnte – zum Unwillen der FDP.
Für die Union ist das Haushaltsfiasko der Tropfen, der das Ampelfass zum Überlaufen bringt. Immer häufiger rufen Vertreter:innen der größten Oppositionspartei zu Neuwahlen auf. Im Interview mit dem ZDF wiederholt auch CSU-Chef Markus Söder diese Forderung; die Moderatorin allerdings beendet das Gespräch recht abrupt. Auf Social Media sorgt dieser Umgang für Furore.
"Mit wem würden Sie eigentlich koalieren wollen?", fragt "Berlin direkt"-Moderatorin Diana Zimmermann den bayerischen Ministerpräsidenten. Söders Antwort darauf: die Union soll erstmal stärkste Kraft werden und dann müsse man schauen, wie die Programme der anderen aussehen. Viel wichtiger ist dem CSU-Chef allerdings offensichtlich, zu verdeutlichen, dass die Ampel "restlos überfordert" ist. "Eine Neuwahl wäre das ehrlichste, beste für das Land anstatt einer dahinsiechenden Ampelkoalition", sagt Söder.
Die Ampel sei nicht stark genug, um gegen die AfD entgegenzutreten. "Wir müssen dann sozusagen Deutschland wieder in eine richtige Richtung bringen, aus den Krisen herausführen, nicht nur aus der realen, auch aus dieser mentalen Krise", leitet Söder den Auftrag der Union ab. Er betont außerdem, dass es mit der Union im Bundestag sicherlich kein "rumfummeln" an der Schuldenbremse geben werde. Angesprochen auf den Investitionsstau, in dem Deutschland aktuell stecke, auch durch die 16-jährige Regierungszeit von Angela Merkel (CDU), bekundet Söder Zweifel.
"Wie kommen Sie darauf, dass in 16 Jahren nichts passiert ist?", fragt er die Moderatorin. Zimmermann ist seit Dezember Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios Berlin. Sie beruft sich in ihrer Antwort auf "alle Ökonomen", die das bestätigen würden. Tatsächlich sprach der Deutsche Städte- und Gemeindebund bereits 2021 auf einen kommunalen Investitionsrückstand von 149 Milliarden Euro. Auch das Institut der Deutschen Wirtschaft etwa kam zu dem Schluss, der Investitionsstau bedrohe den Wohlstand.
Söder allerdings will von einem Investitionsstau nichts wissen. Die unionsgeführten Regierungen hätten schwerste Krisen gemeistert. Er nennt die Finanzkrise, den Einschub Zimmermanns, dass die Ampel aktuell zahlreiche schwere Krisen zu meistern habe, wischt er weg. Die Zeit ist wohl um, denn Zimmermann will Söder mitten in der Antwort abwürgen. "Ich muss leider zum Ende kommen, herzlichen Dank nach Nürnberg", sagt sie. Ein Vorgehen, dass Söder nicht toleriert. "Sie können nicht einfach den Satz unterbrechen", erwidert er.
Doch Zimmermann lässt sich nicht abbringen. Söder aber auch nicht. Er sagt:
Auf Social Media sorgen das Interview und das abrupte Ende für Furore. Anhänger:innen der Union fühlen sich offensichtlich durch die resolute Moderatorin auf die Füße getreten. "Das war kein journalistisches Interview, sondern Kommentar und Meinung der Fragestellerin", wettert etwa die frühere Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) auf X, früher Twitter.
Ihr Parteikollege Marc Henrichmann stellt sogar die Vermutung auf, die Ampel habe sich das ZDF zu eigen gemacht. "Journalistische 'Neutralität' war da jedenfalls arg am Limit, liebes ZDF", fügt er an. Angehängt ist ein verkürztes Video des Interviews, in dem das Abwürgen der Moderatorin zu sehen ist.
"Märchen über 16 Jahre Investitionsstau erzählen und Markus Söder die Erwiderung verweigern. Journalistisch ziemlich übel!", urteilt der CDU-Politiker Markus Patzke. Andere aber feiern die resolute Moderation auf X ab. So schreibt eine Kommentatorin etwa: "Hach, das war jetzt mal wieder eine kleine journalistische Sternstunde. Diana Zimmermann ließ sich von Söder nicht abspeisen. Er war ziemlich beleidigt. Frau Zimmermann, bitte weiter so!" Eine andere ist begeistert darüber, dass Zimmermann es dem "Eigenlobweltmeister" Markus Söder nicht leicht mache.
Auch bei Autorin Jagoda Marinić kam das Interview offensichtlich gut an. Sie schreibt auf X: "Bei 'Berlin direkt' hat endlich mal jemand Markus Söder nicht ausreden lassen und das war sehr angenehm." Politikwissenschaftler Thomas Jäger antwortet darauf, dass es sich bei dem Interview nicht um "seriösen Journalismus" und bei dem Format nicht um "Berlinangenehm" sondern "Berlin direkt" handele. Marinićs Erwiderung: "Exakt, sie war ja sehr direkt, genau das war angenehme angesichts seiner ausgeprägten und neidlos hervorzuhebenden Monologbegabung."