Die CSU-Politikerin Dorothee Bär befindet sich auf einem "heiligen Kreuzzug", so zumindest schätzt Grünen-Politikerin Nyke Slawik die Lage ein. Was sie zu dieser Aussage bewegt? Ein Gastbeitrag, den Bär in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" veröffentlicht hat.
Darin geht es um das geplante Selbstbestimmungsgesetz der Ampel – und Bärs Kritik daran. In dem Gesetzentwurf geht es um eine Reform des Transsexuellengesetzes. Für Ärger hat der Entwurf nicht nur in der konservativen Blase gesorgt, sondern auch bei der Queercommunity. Denn dort ist die Sorge, dass sich viele Freiheiten durch das neue Gesetz verschlechtern könnten. Um diese Sorgen geht es in Bärs Gastbeitrag allerdings nicht.
Der Gesetzentwurf der Ampel, schreibt sie, sei verantwortungslos. Und: "Statt Familienpolitik an vermeintlich neue Realitäten anzupassen, schaffen die Koalitionsparteien neue Realitäten für Familien, ideologisch geprägt durch Partikularinteressen der queeren Ränder neuer Lebensentwürfe und fernab jeglicher Mitte."
Aus der queerfreundlichen Community hagelt es massive Kritik an dem Beitrag. Grünen-Politikerin Slawik spricht sogar eine Warnung vor Bär aus.
Auf Twitter schreibt Slawik: "Der heilige Kreuzzug von Dorothee Bär geht weiter: Früher war sie gegen die Ehe für alle, letztes Jahr war sie gegen die Abschaffung von 219a und jetzt ist sie gegen das Selbstbestimmungsgesetz. Sie warnt vor einem zu queeren Deutschland, ich warne vor Frau Bär!"
Tatsächlich hatte Bär 2017 gemeinsam mit 225 Mitgliedern ihrer Fraktion (CDU/CSU) gegen die Ehe für alle gestimmt. Die Abschaffung des Paragrafen 219a, der die "Werbung" für Schwangerschaftsabbrüche kriminalisiert, hatte sie kritisiert.
Gemeinsam mit ihren Parteifreund:innen – unter anderem Andreas Scheuer – war Bär vor kurzem zu Besuch bei Floridas Gouverneur Ron DeSantis. Das Treffen sorgte für Kritik, weil der Republikaner dafür bekannt ist, Minderheitenrechte nach und nach einzuschränken. Scheuer erklärte nach dem Treffen, dass er viele der Analysen DeSantis teile – gerade, wenn es um trans*Rechte geht.
Schon damals teilte Slawik ihre Bedenken auf Twitter. Sie schrieb: "Wovor ich mich in den letzten Jahren immer gefürchtet habe und wo wir nun angekommen sind: Extreme Transfeindlichkeit als 'Kulturkampf' nun auch bei deutschen Konservativen." Sie hoffe darauf, dass es bei der Union noch Menschen gebe, die die "Welle des Hasses" stoppen wollen.
Der Gastbeitrag von Bär hat nun aber wohl noch einmal Öl ins Feuer gekippt, statt es zu löschen. Die Christsoziale nennt das geplante Selbstbestimmungsgesetz der Ampel ein "Paradestück der fragwürdigen Identitätspolitik" und ein "Entbiologisierungsprojekt".
Sie räumt ein, dass das Transsexuellengesetz zwar reformiert werden müsse, um Lebensrealitäten besser abzubilden – aber nicht auf dem Rücken der "großen Mehrheit". Denn andere Menschen würden durch die Anpassung ihre Interessen nicht mehr gewahrt sehen, "etwa beim Frauenschutz oder bei den Gefahren für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen."
Nicht nur Nyke Slawik zeigt sich über die Aussagen der Unionsfraktionsvizen empört. Auch auf Twitter sorgt der Gastbeitrag für Furore. Marvin Schuth von den Grünen in NRW twittert:
Ein anderer Account schreibt: "Wer den Versuch, queeren Menschen gleiche Rechte zu verschaffen, als 'ideologische Partikularinteressen' labelt und die (falsche) Behauptung der sozialen 'Ansteckung' durch trans* Menschen wiederholt, zeigt ein ausgesprochen problematisches Verständnis von Demokratie."