In der SPD tobt derzeit die K-Frage, die Diskussion über den nächsten Kanzlerkandidaten. Kanzler Olaf Scholz zeigt sich entschlossen, erneut anzutreten. Doch die Umfragen sprechen eine andere Sprache, zumindest zum aktuellen Zeitpunkt.
Verteidigungsminister Boris Pistorius, der in der Bevölkerung äußerst beliebt ist, wird ebenfalls als mögliche Option gehandelt.
In der ZDF-Talkshow "Markus Lanz" wurde am Mittwochabend die Kanzlerfrage der SPD heiß diskutiert. Der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) machte dabei unmissverständlich klar, dass er Scholz als den richtigen Kandidaten sieht. Scholz habe die Kandidatur "verdient" und werde "dramatisch unterschätzt", erklärte Lauterbach.
Moderator Markus Lanz und der Journalist Michael Bröcker forderten ihn mit scharfen Nachfragen heraus. Das machte Lauterbach wütend. Er schoss schließlich gegen den FDP-Chef Christian Lindner.
Lauterbach stellte in der Sendung klar, dass Scholz die Unterstützung der Partei hat. "Olaf Scholz ist unser Kanzlerkandidat", sagte er und zeigte sich überraschend entschlossen. Der "Wirbel um die Kandidatur" solle und werde schnellstmöglich enden. Sobald diese Klarheit herrsche, könne man tatsächlich in den Wahlkampf eintreten.
Markus Lanz griff Lauterbachs Aussage zur "fehlenden Klarheit" sofort auf. "Das ist interessant, dass Sie sagen, Sie müssen sie erst schaffen", bemerkte er. Lauterbach konterte darauf: "Es kann sich ja niemand selbst zum Kandidaten ausrufen, aber die Gremien werden Olaf Scholz bestätigen." Der "Spuk um die Kanzlerfrage" ist seiner Meinung nach nur ein vorübergehender.
Auf die anschließende Frage, wie es überhaupt zu dem aktuellen Streit in der SPD gekommen sei, hatte Lauterbach eine Erklärung: "Wenn ein Minister wie Boris Pistorius in den Umfragen glänzt und der Kanzler mit enormen Herausforderungen zu kämpfen hat, kommen solche Diskussionen auf."
Lanz ließ nicht locker und wollte wissen, warum Pistorius in der Partei als mögliche Alternative zu Scholz gesehen wird. Ein Hin und Her folgte. Lauterbach wich aus und erklärte lediglich, dass die SPD "eine Reihe von guten Kanzlerkandidaten" habe.
Gleichzeitig räumte er ein, dass die Debatte um Pistorius nicht überraschend sei. "Wenn die Umfragen schlecht sind, wird alles diskutiert", sagte Lauterbach. Wahlkämpfe würden jedoch nicht mit der Frage nach den beliebtesten Politiker:innen geführt.
Er bleibt bei der Überzeugung: Sobald die Partei Klarheit schaffe, werde auch die Bilanz von Scholz als Kanzler positiv wahrgenommen. Lauterbach lobte Scholz dafür, dass er das Land durch schwere Krisen geführt habe und nun bereit sei, die Wirtschaft wieder anzukurbeln: Die Bilanz des Kanzlers sei "deutlich besser", "als es derzeit in der Berichterstattung" den Anschein mache.
Eine Aussage, die den Moderator scharf werden ließ: "Das kann ich so nicht durchgehen lassen!", sagte Lanz. "Sie wollen jetzt nicht insinuieren, dass Olaf Scholz nur deswegen da ist, wo er ist, weil es unfaire Berichterstattung gegeben hat?" Dies verneinte Lauterbach, betonte jedoch erneut, dass Scholz oft unterbewertet werde.
Journalist Michael Bröcker zeigte sich ebenfalls skeptisch und griff die Argumentation Lauterbachs frontal an. "Olaf Scholz hat 400.000 neue Wohnungen versprochen und keines seiner Versprechen eingehalten", kritisierte er. Scholz stehe für Widersprüche und habe entgegen seiner Versprechen keine neue politische Kultur eingeführt. "Statt Respekt sieht man in der Ampelkoalition gegenseitige Beschimpfungen", argumentierte Bröcker.
Lauterbach ließ die Kritik nicht unbeantwortet. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten seien vor allem auf die Abhängigkeit von billigem Gas aus Russland zurückzuführen. "Die ständige Sabotage durch die FDP hat ihr Übriges getan", sagte er sichtlich wütend. Die Liberalen hätten Steuererhöhungen blockiert und die Ampelkoalition behindert.
Besonders scharf ging Lauterbach auf FDP-Chef Christian Lindner ein, dem er vorwarf, heimlich das Scheitern der Koalition geplant zu haben: "Das ist aus meiner Sicht ein beispielloser menschlicher Verrat." Die Spannungen innerhalb der Regierung hätten laut Lauterbach dazu beigetragen, dass Scholz in der Öffentlichkeit nicht fair bewertet werde.
Aktuell, so scheint es zumindest, ist in der Debatte über die Kanzlerkandidatur der SPD noch keine Entscheidung gefallen. Aus einer Schaltkonferenz der SPD-Führung drang bislang nichts nach außen. Und auch der Bundeskanzler selbst konnte in einer Reihe von TV-Interviews zum Abschluss des G20-Gipfels wenig Klarheit vermitteln. Außer, dass er gern wieder möchte und fest an die Unterstützung der Partei glaubte.
Unterdessen mehrten sich die Warnungen, dass eine zu ausschweifende Diskussion dem Kandidaten schaden könnte.
Eine Entscheidung dürfte sich allerdings nicht mehr allzu lange ziehen, wie Parteichef Lars Klingbeil bei "Bild" ankündigte: "Es wird jetzt eine zügige Entscheidung geben", sagte der SPD-Vorsitzende.