Vor mehr als 1000 Tagen fing es mit 5000 Helmen an. Russland startete völkerrechtswidrig einen Großangriff auf die Ukraine – und Deutschland antwortete mit der Lieferung von Militärhelmen.
Das sei ein "ganz deutliches Signal: Wir stehen an Eurer Seite", meinte die damalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD). Für die Ukraine aber war es ein Schlag ins Gesicht – der erste von vielen.
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko brachte es auf den Punkt: "5000 Helme sind ein absoluter Witz. Was will Deutschland als Nächstes zur Unterstützung schicken? Kopfkissen?"
Ein Kissen braucht wohl eher der schläfrig agierende Kanzler Olaf Scholz (SPD), der mit eingezogenem Kopf auf Eierschalen herumtanzt, um ja nicht den "Atombären" im Kreml zu verärgern.
Dass Russland es sich herausnehmen darf, seit mehr als 1000 Tagen mit nuklearen Waffen Europa zu drohen à la "Wehe, wehe! Ein falscher Schritt, dann kracht's", ist eine Farce.
Europa ist schwach, Scholz ist schwach – die Ukraine blutet aus und Kremlchef Wladimir Putin kriegt sich vor Lachen nicht ein. Die Angst vor den Atomwaffen Russlands hat Scholz so fest im Griff, dass er auf "Deeskalation" setzt.
Das Resultat: Russland eskaliert.
Der russische Aggressor terrorisiert die ukrainische Zivilbevölkerung durch Angriffe auf Krankenhäuser, Schulen, Energieanlagen und Wohnhäuser. Seit Kriegsbeginn haben fast 600 ukrainische Kinder ihr Leben verloren, und mehr als 1600 wurden verletzt.
Dazu kommen 20.000 nach Russland verschleppte ukrainische Kinder allein aus den von der Ukraine bereits befreiten Gebieten. Die Schätzungen für die noch besetzten Gebiete sollen um ein Vielfaches höher sein. Der Terror des Krieges hinterlässt tiefe Narben bei den Jüngsten.
In Russland nutzt Putin die Armut der Menschen aus, um sie für seinen Krieg "einzukaufen" und zu verheizen. Der russische Großangriff verursachte bisher eine Million Tote und Verletzte, verkündet "The Wall Street Journal" im September.
Aber all das ist keine Eskalation, Herr Scholz?
Russland darf die Ukraine mit zig Raketen beschießen, aber wir verbinden dem angegriffenen Land beide Arme hinter dem Rücken. Ab und an reichen wir Waffen-Häppchen, damit die Ukraine nicht stirbt, aber auch nicht richtig überlebt. Dann kommt auch schon der Ruf vom Kreml-Turm: "Wehe, wehe! Ein falscher Schritt, dann kracht's" und auf Social Media trendet der Hashtag #Weltkrieg.
Am liebsten würde Scholz dann einfach wirklich nur "Kopfkissen" schicken – für die Kinder in den Bunkern und Soldat:innen in den Gräben, die nicht mehr wissen, wie sich friedlicher, tiefer Schlaf anfühlt.
Russland darf eskalieren: Zivilisten:innen töten, Kinder entführen, Soldat:innen foltern, zivile Infrastruktur zerstören und seinen "Kumpel" Nordkorea einladen.
Aber die Ukraine muss um jede Hilfe betteln, um zu überleben und gleichzeitig die Sicherheit Europas zu schützen. Russland ist außer Kontrolle geraten, weil wir zu schwach sind.
Es brauchte zahlreiche Debatten, bis aus Helmen mal Panzer wurden – in der Zwischenzeit etliche Todesopfer durch russische Gewalt. Immer wieder trat nichts von den Prophezeiungen ein, "wenn wir das und das liefern, dann antwortet Russland mit Nuklearwaffen".
Aber der "Friedenskanzler" will besonnen bleiben und Russland keinesfalls provozieren. Da ruft er am besten Putin nach langer Funkstille selbst mal an, um ihn zum Frieden zu überreden.
Man müsse doch miteinander reden, heißt es. Doch bei Putin nutzen Worte nur dann was, wenn er in einer Position der Schwäche ist. Warum sollte er verhandeln? Dank unserer Schwäche, Unentschlossenheit und Angst hat er das überhaupt nicht nötig.
Alles läuft super für Putin: Die US-Unterstützung für die Ukraine steht mit Trumps Rückkehr auf der Kippe und Europa ist planlos.
Und so war es nicht überraschend, dass kurz nach Scholz' Anruf Russland die Ukraine mit etwa 120 Raketen und 90 Drohnen angriff. Putin antwortet mit erneuter Eskalation.
Laut Wolodymyr Selenskyj setzte Russland "in der vergangenen Woche fast 140 Raketen verschiedener Typen, mehr als 900 gelenkte Fliegerbomben und über 600 Angriffsdrohnen ein".
Scholz will weder Taurus noch Kampfflugzeuge liefern. Die USA lenken hingegen ein und erlauben der Ukraine Angriffe mit US-Langstreckenwaffen tief im russischen Staatsgebiet.
Endlich "darf" die Ukraine mit den US-Waffen russische Angriffe auf ihre Städte und Stromnetze stoppen. Selenskyj und viele seiner westlichen Unterstützer hatten die USA seit Monaten aufgefordert, den Einsatz westlicher Waffen für Angriffe auf militärische Ziele in Russland zu erlauben.
Das plötzliche grüne Licht von Biden kommt zu spät. Der Spielraum der Ukraine verkleinert sich nach mehr als zwei Jahren Verteidigung ohne richtige Unterstützung, die für Erfolge nötig gewesen wäre. Auch werden die Menschen kriegsmüde. Bei einer Umfrage begrüßten 52 Prozent der Befragten, dass ihr Land "so bald wie möglich" über ein Ende des Krieges verhandeln soll.
Möglicherweise kommt es zu einem Einfrieren des Krieges entlang der Front, ohne dass Kiew juristisch Gebiete an den Kreml abtritt. Aber Russland würde sich damit wahrscheinlich nicht zufriedengeben, kurz durchzuatmen und dann weiter marschieren.
Während Schweden und Finnland schon ihre Bevölkerung aufrufen, sich auf einen möglichen Krieg vorzubereiten, sitzt Deutschland noch immer auf heißen Kohlen, ganz nach der Devise "Abwarten und Tee trinken" sowie in guter Hoffnung, dass Putin einfach aufhört – aber Hauptsache deeskalieren.
Die einzige Sprache, die Russland versteht, wäre eine einheitliche, konsequente Härte des Westens. Mit Trump als baldigem US-Präsident könnte dieser Zug abgefahren sein. Die richtige Antwort Europas nach der US-Wahl hätte lauten müssen: Wir weiten die Unterstützung für die Ukraine jetzt – finanziell und militärisch – massiv aus.
Doch man will sich keine Wähler:innen vergraulen. Bei der Ampel-Regierung gehen alle Lichter aus, die Parteien schalten auf Wahlkampf für die Neuwahlen. Genau dann, wenn Trump ins Weiße Haus zurückkehrt und die Ukraine einen dritten Kriegswinter überstehen muss.
Für die prorussischen Sprachrohre Putins und anti-ukrainische Desinformationsflut hat man in Deutschland auch keine effektive Lösung. Für die hybride Kriegsführung Russlands schon gar nicht. Und die Warnung, dass Russland Nato-Gebiet angreifen könnte (trotz deeskalierender Haltung) stößt gefühlt auf taube Ohren.
Sicherheits- und Verteidigungsexpert:innen warnen, dass Russland nach der Ukraine nicht Halt machen werde. Laut Bundesnachrichtendienst-Chef Bruno Kahl könnte Russland spätestens 2030 in der Lage sein, Nato-Gebiet anzugreifen.
Scholz' Wegducken macht die Gefahr nicht weniger real, im Gegenteil. Es braucht einen Kanzler, der mutig in Europa vorangeht und Putin nur dann anruft, um ihm zu sagen: "Deine 'Wehe, wehe! Ein falscher Schritt, dann kracht's'-Drohung wirkt bei mir nicht."
Stattdessen lassen wir die Ukraine im Stich und das ist beschämend! Scholz' Versprechen "Wir stehen fest an ihrer Seite. As long as it takes" bedeutet am Ende nichts anderes als das langsame Ausbluten einer Nation, die ihre Hoffnung in unsere Hände gelegt hat.