Es sind starke Bilder, die derzeit von den deutschlandweiten Demonstrationen gegen rechts kursieren. Hunderttausende haben sich auch am Wochenende bundesweit gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie starkgemacht. In München gingen etwa so viele Menschen auf die Straße, dass die Demonstration von der Polizei abgebrochen werden musste. Aber auch in Frankfurt, Hannover, Köln, Bremen und Leipzig gingen Zehntausende auf die Straßen. Zudem protestierten Tausende in kleineren Städten mit geballter Kraft.
Es sind Bilder, die Hoffnung machen. Doch was bedeuten die Demonstrationen für die Gesellschaft? Der Sozialpsychologe und Konfliktforscher Andreas Zick sieht in den Menschenmassen auf der Straße durchaus ein positives Signal. Ihm zufolge herrscht Bewegung in der gesellschaftlichen Mitte, könnte die AfD sogar wertvolle Wähler:innen kosten. Doch die massiven Proteste spielen ihm zufolge der AfD teilweise auch in die Hände.
Der Konfliktforscher und Sozialpsychologe wertet es als positiv, dass sich Menschen aus vielen Lagern auf den Straßen Deutschlands bei den Protesten gegen rechts wiederfinden. Das sagte Andreas Zick im "Deutschlandfunk" (DLF). Man müsse sich bei solchen Protesten immer fragen, wer auf die Straße geht.
Der Blick auf die Teilnehmenden zeigt: Nicht nur Linke oder Grüne wagten sich zu den Demonstrationen. Auch neue Akteure wie Unternehmen, der Sport oder die Kirche machten sich gegen rechtsextremes Gedankengut stark. Und: "in Teilen eine neue zivilgesellschaftliche Mitte", sagt er.
In der Mitte sei es in den vergangenen Jahren zu still gewesen. "Vielleicht merkt diese jetzt, dass sie vieles zu lange erduldet hat". Vor drei Jahren habe er für die Friedrich-Ebert-Stiftung eine Mitte-Studie durchgeführt. Diese repräsentative Bevölkerungsumfrage zu demokratischen und antidemokratischen Einstellungen habe gezeigt: "Zwar hat sich die Mitte nicht unbedingt für antidemokratische Ideen geöffnet, aber sie ist teils in eine Art Graubereich hineingekommen." Neue Ergebnisse von vor einem Jahr zeigen hingegen, dass die Mitte in Teilen nach rechts gerückt sei.
Das gehe an der gesellschaftlichen Mitte nicht vorbei. Auf die Straße aber hat es in den vergangenen Monaten die Massen dennoch nicht getrieben. Ausschlaggebend für die aktuellen Proteste waren aber extremere Einstellungen wie der vermehrte Antisemitismus und die Rechercheergebnisse von "Correctiv".
Denn jetzt werde vielen klar: "Rechts hat einen Plan. Die AfD macht gemeinsame Sache mit anderen und sie möchte eine rückwärtsgewandte Gesellschaft." Hier werde vielen vor Augen geführt, wie wichtig die Demokratie sei. Ein gemeinsamer Nenner für die breite Masse.
Ausgerechnet Proteste wie jene der Querdenker in den vergangenen Monaten und Jahren könnten hier als Vorbild fungiert haben. Solche Bilder hätten der Mitte gezeigt, dass das Einstehen für die Demokratie durch das Demonstrieren relevant sei. Auch der Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Siegfried Russwurm, unterstützt die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus. Akteure wie diese auf den Protesten wertet Zick als deutliches Zeichen:
Das vergrößere auch den Druck auf die Politik, aber auch auf die AfD. "Die ist jetzt gezwungen, ihre Lippenbekenntnisse zu überprüfen. Und ich glaube, es gibt immer auch die Hoffnung, dass sich Menschen von rechts wieder zurück in die Mitte bewegen."
Das Thema des AfD-Zugehörigkeitsgefühls sieht der Sozialpsychologe differenziert. So könnten solche massiven Protestbewegungen einerseits sehr wohl dazu führen, dass Sympathisanten noch härtere Positionen einnehmen. Das betreffe vor allem diejenigen innerhalb der Partei, die mit rechtsextremem Gedankengut sympathisieren.
Allerdings seien es gerade einmal 24 Prozent der AfD-Mitglieder, die ein geschlossenes, rechtsextremes Weltbild vertreten. Der Rest aber nicht. "Auch in der AfD gibt es konservative Milieus", sagt er im "DLF". Die bürgerlichen Milieus, die hofften, eine gute Alternative zur Union zu finden, werden nach Meinung des Experten nun eher ins Zweifeln geraten.
Kurzfristig könnte die Identifikation mit Rechtsextremen zunehmen, wie auch ein Blick auf die Zustimmungswerte der AfD im Osten verrät. Änderungen von Einstellungen kämen immer verzögert, sagt Zick dazu. Hier müsse man die Wahlen abwarten. "Da kann es sich durchaus auswirken, dass Teile der AfD-Wähler dann doch in die konservativen, etablierten Parteien wählen." Allerdings müssten die Parteien auf die Demonstrationen und die Menschen reagieren.
"Die Regierung muss ein Modell sein, auch für Bürgerinnen und Bürger, wie Konflikte positiv reguliert werden können", sagt Andreas Zick. Sie sei ein wichtiges Modell der Demokratie. Die Ampel aber finde derzeit keine Regulation von Konflikten. So eine Einheit fehle den Menschen im Land, vor allem bei heißen Themen wie der Migration.