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Hitlergruß, AfD-Parolen und Hakenkreuze werden zum Jugend-Alltag

Teilnehmer einer Rechtsextremen-Demo in Dessau: Rechtsextremes Gedankengut ist dort verbreitet.
Teilnehmer einer Rechtsextremen-Demo in Dessau: Rechtsextremes Gedankengut ist dort verbreitet.Bild: IMAGO images / Steffen Schellhorn
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"Normal": Jugendliche berichten von Nazi-Ideologie im Alltag

In Teilen Ostdeutschlands berichten Jugendliche offen, wie alltäglich Hitlergruß, rassistische Parolen und rechte Sprüche an Schulen geworden sind. Ein Blick nach Dessau zeigt, wie weit die Normalisierung rechter Ideologien verbreitet sein kann.
26.06.2025, 15:2326.06.2025, 15:23
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In Teilen Ostdeutschlands ist Rechtsextremismus salonfähig. Das ist auf den Straßen zu sehen, etwa durch einschlägige Symbole, aber auch im alltäglichen Leben spürbar: in Gesprächen, bei Veranstaltungen und auf Schulhöfen.

Immer wieder tauchen Hakenkreuze und rassistische Parolen an Wänden auf. In einem Parkhaus ist neben dem AfD-Schriftzug mit "Heil Hitler" auch die im Nationalsozialismus übliche Grußformel und ein Songtitel des US-Rappers Kanye West zu lesen.

Für viele junge Menschen vor Ort gehört es längst zum Alltag. "In Teilen Ostdeutschlands ist 'Nazi' einfach Pop geworden", sagt Lukas Jocher vom Verein Gegenpart, der mobile Beratung gegen Rechtsextremismus anbietet. Und junge Menschen in Sachsen-Anhalt erzählen, wie sich diese Normalität für sie anfühlt.

Sicherheitsbehörden warnen vor Radikalisierung

In Dessau berichten Jugendliche, dass sie auch an ihrer Schule regelmäßig den Hitlergruß sehen. "Wenn Party gemacht wird, singen sie 'Ausländer raus!'", sagt der 17-jährige Jeremy gegenüber der Deutschen Welle (DW). Er fügt hinzu: "Wir singen einfach mit. Ist egal, was für Musik läuft."

Der Chef des Bundeskriminalamts, Holger Münch, warnte in einem Interview der Funke Mediengruppe im Mai 2025: "Seit etwa einem Jahr sehen wir vermehrt, dass sich sehr junge Menschen mit einer rechten Gesinnung weiter radikalisieren und sich in teilweise gut organisierten Strukturen zusammenschließen, um schwere Straftaten zu begehen."

Besonders betroffen ist auch hier Ostdeutschland. Steffen Andresch von Gegenpart berichtet dazu der DW: "Wir hatten in den letzten fünf bis zehn Jahren so viele Beratungsfälle an Schulen wie noch nie."

Hinzu kommen Angriffe auf jene, die sich dieser Welle entgegenstellen. Marcus Geiger vom Verein Buntes Roßlau berichtet der DW von eigenen Hass-Erfahrungen: "Wir sind schon auf offener Straße beschimpft worden als 'rote Zecken'".

Auch seine Frau Mandy berichtet von Angriffen auf ihr Zuhause: Nägel über das Hoftor, Bierflaschen durch die Fenster. Was sie besonders beunruhigt: Die Täter:innen werden immer jünger.

Davon können auch alternative Jugendliche ein Lied singen. Sophie, Paul, Timm und Max – wie sie im Artikel genannt werden – erzählen im Alternativen Zentrum Dessau: "An manchen Tagen hast du immer Angst", sagt Sophie. Paul engagiert sich im Stadtrat – er sei mit einem Messer bedroht worden. Und Sophie hört an der Grundschule, wie Kinder sagen: "Es müsste mal wieder eine blutdeutsche Klasse geben."

Bürgermeister mit Neonazi-Vergangenheit

Im Juli 2024 wurde in Dessau-Roßlau der AfD-Politiker Laurens Nothdurft zum Ortsbürgermeister gewählt – mit Stimmen aus mehreren Parteien. Brisant: Nothdurft war in den 1990ern Funktionär der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) – einer Organisation, die wegen ihrer Nähe zur Hitlerjugend 2009 verboten wurde.

Die AfD will sich eigentlich von Mitgliedern mit neonazistischer Vergangenheit distanzieren – auf Nachfrage dazu reagiert die Parteizentrale gegenüber der DW aber nur knapp: "Wir werden uns nicht äußern."

ARCHIV - 22.05.2020, Sachsen-Anhalt, Dessau-Ro�lau: Eine Fahne mit dem Parteilogo der AfD weht w�hrend einer Kundgebung der AfD Sachsen-Anhalt auf dem Marktplatz. (zu dpa: �AfD will �Stolz-Pass� in Sa ...
Sachsen-Anhalt, Dessau-Roßlau: Eine Fahne mit dem Parteilogo der AfD.Bild: dpa / Hendrik Schmidt

Dessau – zwischen Bauhaus und Brandanschlägen

Dessau ist Unesco-Welterbe, weltbekannt für das Bauhaus und seine moderne Architektur. Doch der Name der Stadt steht auch für rechte Gewalt: 2000 ermorden Neonazis den Schwarzen Familienvater Alberto Adriano. 2005 stirbt der Asylbewerber Oury Jalloh unter ungeklärten Umständen in einer Gefängniszelle – gefesselt auf einer Matratze, verbrannt. 2016 wird die chinesische Architekturstudentin Li Yangjie vergewaltigt und ermordet – vom Sohn eines Polizisten.

Der Ruf der Stadt hat international Schaden genommen. Die chinesische Botschaft sprach nach dem Mord an Li Yangjie sogar eine Reisewarnung aus. Der Ton: feindselig gegenüber Ausländer:innen. Und bis heute berichten Menschen aus migrantischen oder alternativen Milieus, dass sie in Dessau Anfeindungen erleben.

Trotz aller Rückschläge geben viele junge Menschen in Dessau nicht auf. Sie engagieren sich, halten zusammen, organisieren sich gegen Rechts. Sophie bringt es auf den Punkt: "Hier in Dessau zählt jede Person. Man kann auch etwas machen und erreichen."

"Daddy's Home": Weißes Haus feiert Trump mit bizarrem Clip
Der Nato-Gipfel in Den Haag war für Trump ein großer Erfolg. Das Weiße Haus verfasst Lobeshymnen auf ihn und greift den von Nato-Generalsekretär Mark Rutte gewählten Spitznamen für den US-Präsidenten auf.

Donald Trump war beim Nato-Gipfel in Den Haag am Mittwoch von Beginn an die zentrale Person – beginnend damit, dass die anderen Regierungschefs 40 Minuten auf den US-Präsidenten warten mussten. Auch bei der von ihm geforderten Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts hat er seinen Willen bekommen.

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