Im Superwahljahr 2024 warnen Expert:innen vor einem drohenden Rechtsruck in Deutschland und ganz Europa. Im vergangenen Jahr befand sich die AfD auf einem Höhenflug. Bei Umfragen überholte sie etwa die SPD. Vor allem in den ostdeutschen Bundesländern stößt die in weiten Teilen rechtsextreme Partei auf Anklang.
Genau dort finden im Herbst drei Landtagswahlen statt: in Sachsen, Brandenburg und in Thüringen. Expert:innen befürchten, dass die AfD eine Lawine auslöst und stärkste Partei wird.
AfD-Mann Björn Höcke, Landeschef in Thüringen, wünscht sich ein "blaues Wunder". Nun kam aber der Dämpfer: Bei den Landrats- und Oberbürgermeisterwahlen in Thüringen hat es am Sonntag keinen Durchmarsch der AfD gegeben.
Medien feiern die "Wahlniederlage". Schließlich gilt die Kommunalwahl auch als Stimmungstest für die Landtagswahl in Thüringen am 1. September. Die "Bild" spricht etwa von einer Pleite für Höcke und einem Rückschlag für die AfD.
Doch so einfach ist das nicht, meint Politikwissenschaftler und Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung Timo Reinfrank.
"Ich kann nur davor warnen, den Achtungserfolg der AfD und der rechtsextremen Landnahme in Thüringen bei den Kommunalwahlen zu verharmlosen", warnt er auf der Plattform X. Denn: Laut ihm war nicht zu erwarten, dass die AfD im ersten Wahlgang 50 Prozent bei den Wahlen um Landratsämter und Bürgermeisterposten erreicht.
Dabei konnte die AfD nirgendwo im ersten Anlauf ein Landrats- oder Oberbürgermeisteramt gewinnen.
Im Landkreis Altenburger Land holte der AfD-Kandidat bei der Landratswahl zwar die meisten Stimmen, er muss aber in die Stichwahl. In einigen weiteren Kreisen kommen AfD-Bewerber als Zweitplatzierte ebenfalls in die Stichwahl. Knapp 7500 Sitze in den Thüringer Kommunalparlamenten waren zu vergeben.
Dass die AfD-Welle in Thüringen ausblieb, deuten viele als positiv. Die AfD ist in den Kommunen zum Teil stark verankert und gewann im vergangenen Jahr den bundesweit ersten und bisher einzigen Landratsposten.
Reinfrank hebt dennoch hervor, dass sich in neun Landkreisen Stichwahlen mit AfD-Beteiligung für die Landratsämter abzeichnet. "In Hildburghausen hat es sogar der Neonazi Tommy Frenck in die Stichwahl geschafft", schreibt er.
Im südthüringischen Landkreis Hildburghausen schafft es der Rechtsextremist Frenck knapp in die Stichwahl um den Landratsposten. Der bundesweit bekannte Neonazi erhielt bei der Kommunalwahl am Sonntag 24,9 Prozent der Stimmen und zog damit knapp am CDU-Kandidaten Dirk Lindner vorbei.
"Für die realen Machtverhältnisse in einer Kommune dürften die Mehrheiten in den Kommunalparlamenten entscheidend sein", führt der Experte aus. Seine Prognose lautet: In mehreren Kreistagen und Stadträten dürfte die AfD stärkste Kraft werden.
Ein endgültiges Ergebnis sollte es frühestens am Montag geben. Bei fehlender Mehrheit finden die nötigen Stichwahlen zeitgleich mit der Europawahl am 9. Juni statt.
Insgesamt legt ihm zufolge die AfD erneut stark zu. Die rechtsextreme Partei sei "normal" in Thüringen und tauge nicht mehr als Schreckgespenst. "Mit den Kommunalwahlen bestätigte sich unsere Warnung, dass der Kipppunkt bereits vor den Landtagswahlen erreicht ist", warnt Reinfrank.
Sein Fazit lautet: Die Skandale um die mutmaßlichen Verflechtungen Rechtsextremer mit den Regimen in China und Russland haben der AfD in Thüringen, wenn überhaupt, nur sehr begrenzt geschadet.
Zuletzt sanken die Umfragewerte für die AfD. Grund dafür sind laut Expert:innen die Skandale um den EU-Spitzenkandidaten Maximilian Krah. Ihm und auch Petr Bystron, der auf Listenplatz zwei für die Europawahl steht, werden Spionage für Russland und China vorgeworfen.
(Mit Material der afp)