"Lieber Herr Sänger" – jede Antwort, die der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke auf eine Frage des MDR-Journalisten Lars Sänger gibt, beginnt mit dieser Phrase.
Wie jedes Jahr hat der Mitteldeutsche Rundfunk den AfD-Politiker zum Sommerinterview geladen. Doch zurzeit gibt es besonders viel Zündstoff in derartigen Gesprächen. Denn viele stellen sich die Frage: Sollte man der in Thüringen als gesichert rechtsextrem eingestuften Partei eine so große Bühne bieten?
Auf der anderen Seite steht, dass die AfD dort momentan in Umfragen die stärkste Partei ist – wäre heute Wahl in Thüringen, kämen die Populisten laut Infratest Dimap auf 34 Prozent.
Im September 2024 wird in Thüringen gewählt – höchstwahrscheinlich wird Fraktions- und Landeschef Björn Höcke auch der Spitzenkandidat der AfD. Er will Ministerpräsident werden, spricht aber während des gesamten Interviews davon, dass es nicht um ihn als Person gehe.
Sein Auto erzählt hier aber eine andere Geschichte, wie der Journalist Sänger herausstellt.
Sänger hat das Interview auf eine recht geschickte Weise geführt. Denn: Er gab Björn Höcke, der laut einem Gerichtsurteil tatsächlich als Nazi bezeichnet werden darf, nicht die Chance, etwaige rassistische, LGBTQI+-feindliche oder frauenverachtende Phrasen loszutreten. Stattdessen sprach er fast 21 Minuten lang mit Höcke über die Bildungspolitik der AfD.
AfD-Fans regte das auf Twitter auf. Ein User schreibt: "Deindustrialisierung, Inflation, Masseneinwanderung, Asylmissbrauch ... und der Typ will über Digitalisierung im Klassenraum und die Anzahl von Gesetzentwürfen [reden]."
Tatsächlich sprach Sänger über die Anzahl von Anträgen und eingebrachten Gesetzentwürfen. Dabei arbeitete er heraus, dass die AfD zwar selbst immer wieder behauptet, die Bildungspolitik sei eines der Kernthemen der AfD – Höcke arbeitete ja schließlich selbst 15 Jahre lang als Lehrer. Doch: In mehr als 1000 Anträgen, die die AfD in den Thüringer Landtag eingebracht hatte, seien es lediglich zwei gewesen, die die Bildungspolitik beträfen.
Einer davon: Abbau von Digitalisierung an Schulen.
Dass sich Höcke über die Art und Weise, wie Sänger das Interview führte, beschwerte, war abzusehen. Am deutlichsten zeigte er seinen Unmut, als es um einen möglichen Wahlkreiswechsel des AfD-Chefs ging.
Höcke möchte offenbar von seinem Kreis Eichsfeld I in den deutlich vielversprechenderen Kreis Altenburger Land II wechseln. Höcke selbst will "nicht über ungelegte Eier sprechen", Entscheidungen seien noch nicht getroffen. Selbst wenn, dann habe das nichts mit seinen persönlichen Karriereplänen zu tun.
Das sehen Expert:innen allerdings anders. Auch Sänger geht davon aus, dass sich Höcke im mutmaßlich neuen Wahlkreis einfach bessere Chancen ausrechnet. "Als Björn Höcke ist es wichtig, Erfolge zu präsentieren", brachte der Journalist an. Doch Höcke ärgerte sich wohl über dieses Interview-Thema. Auf Sängers Fragen dazu wollte er sich nicht einlassen, doch der Journalist ließ nicht locker.
"Sie haben über viele Jahre erzählt, wie wohl Sie sich im Eichsfeld fühlen, dass das Eichsfeld Ihre Heimat ist", sagte Sänger und fragte nach dem Warum.
Doch Höcke gab keine ernstzunehmende Antwort. Stattdessen sagte er, diese Frage interessiere die Menschen nicht. Er kritisierte lieber die Öffentlich-Rechtlichen – eines der tatsächlichen Kernthemen der AfD.
Zwischenzeitlich war Höcke sogar so verärgert, dass er versuchte, seine Themenschwerpunkte – etwa eine angebliche Massenmigration – einzubringen. Sänger und Höcke redeten sich ins Wort, dem Streit war kaum noch zu folgen.
Letztlich pochte Höcke erneut darauf, dass es ihm nicht um sich und seine Person ginge, sondern um Thüringen und Deutschland. Die er beide sehr liebe.
Dass es nicht um Höcke als Person gehe, widerlegte Sänger mit einem interessanten Detail.
"Ich habe draußen Ihr Kennzeichen gesehen, das endet auf MP-2024, Ihre Ziele sind also ganz klar für die Landtagswahl", sagte er. MP-2024 – Ministerpräsident 2024. Auf diese Bemerkung ging Höcke jedoch nicht ein. Geht man nach den derzeitigen Umfragen, könnte diese Annahme aber tatsächlich Wirklichkeit werden.