Volker Kauder und Ralph Brinkhaus lieferten sich am Dienstagnachmittag einen Showdown um die Stimmen der Unionsfraktion.Paramount pictures/imago/watson-montage
Deutschland
25.09.2018, 07:1825.09.2018, 17:22
Es ist eine kleine Revolution. In der Abstimmung um den Unions-Fraktionsvorsitz im Bundestag hat sich überraschend Ralph Brinkhaus gegen Amtshinhaber Volker Kauder durchgesetzt. Die erste Kampfabstimmung um den Fraktionsvorsitz seit 2005 galt auch als Stimmungstest für Kanzlerin Angela Merkel. Kauder gilt als Mann ihres Vertrauens. Die Union kommt damit nicht zur Ruhe. Ebenso die Groko.
- Ralph Brinkhaus gewann die Abstimmung mit einer knappen Mehrheit von 125 Stimmen. 112 Stimmen fielen auf Kauder.
- Bereits im Vorfeld der Abstimmung befürchteten einige, dass Merkels Kandidat für die Querelen der vergangenen Wochen abgestraft werden könnte.
- Die Abstimmung galt intern somit auch als Stresstest für den Rückhalt der Kanzlerin in der Union.
- Nicht nur Merkel hatte für die Wiederwahl ihres langjährigen Vertrauten Kauder geworben. Auch CSU-Chef Horst Seehofer und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprachen sich wiederholt für Kauder aus.
- Der Erfolg Brinkhaus' ist nach zwei dramatischen Regierungskrisen innerhalb weniger Monate ein deutliches Zeichen des schwindenden Rückhalts für Merkel in der Fraktion gewesen.
Die Kandidaten im Überblick:
Moderator und Blitzableiter Merkels: Volker Kauder
Bild: Jens Jeske/imago
Er steht seit dem ersten Tag an der Seite der Kanzlerin: So lange
Angela Merkel schon das Land regiert, hält Volker Kauder (69) die
Unionsbundestagsfraktion zusammen. Finanz- und Griechenlandkrise, der
Atomausstieg, das Rumoren durch den starken Flüchtlingszuzug: Kauder
hat immer wieder schwierige Lagen meistern und Mehrheiten für Merkel
organisieren müssen. Seit 13 Jahren führt der Baden-Württemberger die
Abgeordneten von CDU/CSU, so lange wie niemand zuvor.
Von 2002 bis 2005 war Kauder Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion unter der
Vorsitzenden Angela Merkel. Als sie 2005 in das Kanzleramt einzog,
wurde Kauder Fraktionschef. Ihr Verhältnis gilt als vertrauensvoll.
Kauder ist kein Mann der lauten Töne, gilt als loyal, zuhörend.
Heute muss Kauder mit Andrea Nahles die Koalition im Bundestag
zusammenhalten – und Mehrheiten für die dritte große Koalition unter
Merkel organisieren. Keine leichte Aufgabe angesichts einer
veränderten Parteienlandschaft im Bundestag, gerade auch durch den
Einzug der AfD.
Der CDU-Mann Kauder wurde zuletzt zunehmend zum Blitzableiter für den
Unmut, der sich in der Fraktion auch gegen die Kanzlerin aufgestaut
hat. Im Asylstreit mit der CSU kam es im vergangenen Sommer zu
getrennten Sitzungen der Abgeordneten der Schwesterparteien – eine Neuheit.
Nach der Bundestagswahl 2013, als die Union fast die absolute
Mehrheit geholt hatte, wurde Kauder noch mit 97,4 Prozent im Amt
bestätigt, sein bislang bestes Ergebnis. Aber schon bei der Wahl im
vergangenen Jahr gab es für den Fraktionschef nur noch eine
Zustimmung von 77,3 Prozent – ohne Gegenkandidaten. Dieses Mal gab es einen Herausforderer. Das Ende ist bekannt.
"Revoluzzer" aus Westfalen: Brinkhaus will neuen Schwung
Bild: Kay Nietfeld/dpa
Für wen das Herz von Ralph Brinkhaus schlägt, zeigt schon ein flüchtiger Blick auf seinen Schreibtisch. Da steht ein weißer Keramik-Geißbock. Der Westfale ist auch Mitglied im 1. FC Köln Fanclub des Bundestags, der "Koalition Rut-Wiess". 1968 in Rheda-Wiedenbrück geboren, wagt Brinkhaus (50) nun ein wenig die Revolution.
Er suchte die Kampfabstimmung gegen Kauder. Immerhin informierte der
bisherige Stellvertreter Brinkhaus brav vorab die Kanzlerin und
Kauder darüber. Und er verlor über Kauder kein böses Wort. Er ist
auch nicht der Typ, der in den Hinterzimmern um Stimmen feilscht.
Aber allein schon, dass Kauder einen Gegenkandidaten hat, weist auf
einen erkennbaren Unmut in der Fraktion hin - mit der Führung und
auch mit der Kanzlerin. Sein Programm: Nach 13 Jahren Kauder
brauche es neue Köpfe, Aufbruch, frischen Wind. "Ich kandidiere für
neuen Schwung in der Fraktion, nicht gegen die Kanzlerin", betont
er. Der Ausgang der Wahl wird in Indiz dafür sein, wie groß der Unmut
ist.
Brinkhaus hat sich als Finanz- und Haushaltspolitiker einen Namen
gemacht, leise und freundlich im Ton, durchsetzungsstark in der
Sache. Anfangs belächelt für seine Kandidatur, zog er westfälisch-stur das
Ding durch.
Er meint, man müsse viel stärker für den Zusammenhalt im Land kämpfen – aber nicht mit immer höheren Sozialleistungen. "Wir können die
Gräben in der Gesellschaft nicht mit Haushaltsmitteln zuschütten." Anders als Kauder, der sich anfangs niemals mit AfD-Politikern in
eine Talkshow setzen wollte, will Brinkhaus verstärkt "mit jenen ins
Gespräch kommen, die sich von uns abgewandt haben". Auch im
Mittelstand gebe es immer mehr Protestwähler, "um die wir uns stärker
als bisher kümmern müssen", so Brinkhaus.
(pb/dpa)
Die wichtigste Währung in einer Demokratie sind Stimmen. Doch kurz darauf folgt schon das Geld. Ganz besonders gilt das in der ältesten Demokratie der Welt – den USA. Bereits vier Wochen vor dem alles entscheidenden Wahltag haben Demokraten und Republikaner Milliarden von Dollar in den Wahlkampf geschüttet.