Friedrich Merz (CDU) weiß, worauf es ankommt. Groß war die Verwunderung, als der Oppositionsführer ankündigte, er besuche Israel. Mit einer kleinen Delegation reiste Merz am Montag aus Jerusalem in den Norden des Landes. Denn im Süden waren schon alle anderen. Ein eigener Akzent soll her.
Merz gibt sich als guter Zuhörer, fast staatsmännisch. Hört sich geduldig alle Geschichten der knapp ein Dutzend Menschen an, die aus ihren Dörfern im Norden fliehen mussten und nun seit Monaten in Hotels untergebracht sind. Er will Bilder erzeugen.
Schließlich will der CDU-Chef Kanzlerkandidat werden. Das weiß man auch in Israel. Dort hat man die Umfragen genau studiert, beobachtet, wie die CDU nach oben klettert. "Herr Merz, wir wünschen Ihnen, dass Sie der nächste Kanzler werden", sagt ihm ein pensionierter Geschichtslehrer, wie der "Spiegel" berichtete.
Merz lacht daraufhin zwar. Doch eigentlich ist das auch genau sein Ziel. Er will bei seinem Besuch zeigen, dass er das Zeug zum Kanzler hat.
Wie groß seine Ambitionen sind, zeigt auch die lange Liste an Treffen, die er sich in Israel organisiert hatte: ein Besuch beim Staatspräsidenten, beim Parlamentssprecher, beim Premierminister, beim Außen-, beim Verteidigungsminister und auch noch ein Telefonat mit dem Oppositionsführer.
Netanjahu dürfte bei seinem Treffen mit Merz allerdings mehr als übermüdet gewesen sein. Er verfolgte bis tief in die Nacht im Gefechtsstand des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin Bet die Kommandoaktion, bei der zwei Geiseln befreit werden konnten und mehr als 70 Palästinenser ums Leben kamen.
Trotzdem nahm sich Netanjahu fast eine Dreiviertelstunde Zeit für Merz. Die Deutschen sind mit die einzigen Freunde, die Israel geblieben sind. Nach dem Treffen sagte der CDU-Chef jedoch einen Satz, den offenbar sogar sein gesamtes PR-Team überforderte.
Merz' Delegation hatte im Anschluss des Treffens nur lobende Worte für den israelischen Premier übrig. Er habe eine große analytische Tiefe gezeigt, hieß es, schreibt der "Spiegel". Und das, obwohl inzwischen sogar die wichtigsten Verbündeten auf Distanz gegangen sind.
So sagte US-Präsident Joe Biden beispielsweise, Israels Militärkampagne sei "überzogen". Die grüne Außenministerin Annalena Baerbock warnte vor einer "humanitären Katastrophe mit Ansage", sollte Israel seine Ankündigung wahr machen, eine Offensive gegen die Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens starten.
Nach seinem Besuch bei Netanjahu sagte Merz dann vor Pressevertreter:innen: "Die israelische Regierung und die israelische Armee tun nach meinem Eindruck alles, um die Zivilbevölkerung dort zu schützen." Damit steht er wohl weltweit ziemlich allein da.
Sein PR-Team schnitt daraufhin sein Statement allerdings falsch zusammen, offenbar verwirrt von Merz' Worten. "Wahr ist auch, es gibt zivile Opfer. Es wird auch weiter zivile Opfer geben und ich persönlich habe dem Premierminister gesagt, dass ich das voll und ganz unterstütze", sagt der CDU-Chef darin. Etwa eine halbe Stunde lang war diese Kurzversion des Statements auf X online, dann wurde es offenbar wieder gelöscht.