Ein mobiles Team im Kreis Gütersloh, das Mitarbeiter von Tönnies testet.Bild: dpa / David Inderlied
Deutschland
23.06.2020, 06:3823.06.2020, 12:23
Nach dem massiven Corona-Ausbruch beim
Fleischverarbeiter Tönnies in Rheda-Wiedenbrück mit inzwischen mehr
als 1500 nachweislich infizierten Mitarbeitern zeichnen sich weitere
Schritte zur Eindämmung des Infektionsherdes ab.
- Fachleute des Robert-Koch-Instituts und andere Wissenschaftler sind im Kreis Gütersloh nach Angaben der Behörden im Einsatz. "Deren Empfehlungen folgen weitere Maßnahmen", teilte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Montag über den Kurznachrichtendienst Twitter mit, ohne dabei Details zu nennen.
- SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte einen kurzen Lockdown mit massiven Tests in der Region. Er warnte auch vor einem freien Reiseverkehr der Menschen aus der Region Gütersloh.
- Inzwischen hält auch der Gütersloher Landrat Sven-Georg Adenauer (CDU) einen Lockdown in der Region für vorstellbar. "Ich würde sagen: ja", sagte Adenauer am Montagabend auf die Frage, ob es nach einem Lockdown "rieche".
So begründet der Landrat seine Aussage zum Lockdown:
Die mobilen Teams, die in den Wohnungen und den
Unterkünften unterwegs seien und auch Familienangehörige ansprächen,
stießen jetzt in ein gewisses Dunkelfeld. "Insofern ist das für mich
schon eine neue Situation", erklärte Adenauer.
Die mobilen Teams
hätten einige positive Fälle bei ihrem Einsatz gefunden. Eine Zahl
wollte der Landrat aber zunächst noch nicht nennen, da erst einmal
ausgeschlossen werden solle, dass es hier doppelte Zählungen gebe.
Die NRW-Landesregierung will am Dienstag zu
einer Sitzung zusammenkommen, wie aus der Staatskanzlei in Düsseldorf
verlautete. Der Landrat geht davon, dass er bei einer möglichen
Entscheidung der Landesregierung zu einem regionalen Lockdown vorab
informiert werde.
Das sind die aktuellen Zahlen aus Gütersloh:
Die Zahl der nachweislich infizierten Tönnies-Mitarbeiter ist
nach jüngsten Daten weiter gestiegen. Es gebe 1553 positive Befunde
von den Personen, die unmittelbar im Werk tätig sind, sagte der
Leiter des Krisenstabes im Kreis Gütersloh, Thomas Kuhlbusch, am
Montagabend bei einer Pressekonferenz in Gütersloh. Insgesamt seien
6650 Proben genommen worden. Zuvor hatten die Behörden von 1331
bestätigen Corona-Fällen (Stand Sonntag) in der Tönnies-Belegschaft
berichtet.
Die hohe Zahl der Corona-Infizierten hat im Kreis Gütersloh eine
Kennziffer für die Pandemie-Bekämpfung deutlich nach oben getrieben.
Die sogenannte 7-Tages-Inzidenz zu den Corona-Neuinfektionen ist dort
auf den Wert von 263,7 gestiegen. Er zeigt an, wie viele
Neuinfektionen in den vergangenen 7 Tagen pro 100.000 Einwohner
gemeldet wurden. Auch im benachbarten Kreis Warendorf geht der Wert
nach oben. Dort liegt er nach Angaben des nordrhein-westfälischen Landeszentrums für Gesundheit bei 41,8.
Bei der Marke von 50 sollen für eine betroffene Region wieder
stärkere Einschränkungen in Betracht gezogen werden. Bund und Länder
haben allerdings auch vereinbart, dass diese Zahl keine Rolle spielt,
wenn es sich um einen lokal eingrenzbaren Infektionsherd handelt. So
wird auch der Ausbruch bei Tönnies bisher von der Landesregierung
eingestuft. Laschet schließt aber einen Lockdown in der Region weiter
nicht aus. Die Bundesregierung betonte, über konkrete Maßnahmen zur
Eindämmung der Infektionen entscheide das Land Nordrhein-Westfalen.
Lauterbach kritisiert NRW-Regierung – Usedom schickt Urlauber aus Gütersloh zurück
Lauterbach kritisierte das Vorgehen der NRW-Landesregierung. "Ich
bin sicher, dass deutlich mehr Menschen außerhalb der
Mitarbeiterschaft inzwischen infiziert sind", sagte er der
"Rheinischen Post" (Dienstag). Deshalb sei es ein Fehler, "dass es jetzt keinen
kurzen Lockdown mit einem massiven Testaufgebot gibt". Das sei nötig,
um das tatsächliche Infektionsgeschehen in der Region genau
einschätzen zu können.
Lauterbach warnte auch vor einem freien Reiseverkehr der Menschen aus der Region Gütersloh. Das Virus könnte sich so potenziell sehr weit verteilen, sagte der studierte Epidemiologe.
Die Behörden im Kreis Vorpommern-Greifswald haben unterdessen ein Ehepaar aus Gütersloh, das auf Usedom Urlaub macht, zur vorzeitigen Abreise gefordert. Das berichtet unter anderem die "Bild"-Zeitung.
Ein Kreissprecher nannte die Angelegenheit demnach ein "für alle Beteiligten unangenehmes Unterfangen". Er habe auf eine Verordnung der Landesregierung verwiesen. Demnach dürfen Personen nicht einreisen oder bleiben, wenn sie aus einem Landkreis kommen, in dem die Obergrenze von Neuinfektionen überschritten wurde.
(ll/dpa)
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