Politik
Analyse

USA: Trump und die Rechten nutzen Mord in Bus in Charlotte aus

Iryna Zarutska in einem Bus in North Carolina (rechts unten mit Kappe), kurz bevor sie ermordet wird.
Iryna Zarutska in einem Bus in North Carolina (rechts unten mit Kappe), kurz bevor sie ermordet wird.bild: keystone
Analyse

Iryna Zarutska: Wie die Rechten in den USA den Mord im Bus instrumentalisieren

Die Ukrainerin Iryna Zarutska wird in Charlotte, North Carolina, brutal und scheinbar ohne Grund niedergestochen. Der Mord schlägt in den USA hohe Wellen – auch weil er von den Rechten instrumentalisiert wird.
09.09.2025, 19:5910.09.2025, 13:19
Olivier Meier / watson.ch
Mehr «Politik»

Ein Mord an einer Frau in Charlotte im Bundesstaat North Carolina schlägt in den USA momentan hohe Wellen. Am Freitag wurde ein Überwachungsvideo publiziert, das zeigt, wie eine junge Ukrainerin von einem Mann in einem Bus mit einem Messer brutal und scheinbar grundlos getötet wird.

Das Opfer, die 23-jährige Ukrainerin Iryna Zarutska, flüchtete 2022 wegen des russischen Angriffskriegs in die USA. Der Täter, der bereits mehrfach vorbestraft war, wurde als Decarlos Brown Jr. (34) identifiziert, verhaftet und wegen Mordes ersten Grades angeklagt.

Der Fall löst seit einigen Tagen heftige Reaktionen aus – vor allem in konservativen und rechten Kreisen. Auch Donald Trump hat sich in die Diskussion eingemischt. Der US-Präsident spricht von einem brutalen Überfall und fordert Konsequenzen:

"Kriminelle wie dieser müssen EINGESPERRT werden. Das Blut dieser unschuldigen Frau tropft buchstäblich vom Messer des Mörders, und jetzt klebt ihr Blut an den Händen der Demokraten."
Donald Trump auf Truth Social

Instrumentalisierung von rechts

Der Mord passierte bereits Ende August, aber erst seit der Veröffentlichung des Videos sorgt der Fall im ganzen Land für hitzige Diskussionen. Für die Rechten und Konservativen ist er ein gefundenes Fressen – ein Symptom für den Verfall der Vereinigten Staaten im Umgang mit Kriminalität und die daraus resultierenden vermeintlichen Versäumnisse der US-amerikanischen Justiz.

Mark Harris, ein republikanischer Abgeordneter aus North Carolina, bezeichnete die Tat am Samstag als "Mikrokosmos einer nationalen Epidemie". Das Weiße Haus schlug in die gleiche Kerbe und bezeichnete Brown, der gemäß den Behörden psychisch krank und obdachlos ist, als ein "gestörtes Monster" mit einem "langen Vorstrafenregister".

Für die Rechten und das Weiße Haus ist der Schuldige schnell gefunden: die lokalen (und im weiteren Sinne auch die nationalen) Demokraten, die ihrer Ansicht nach zu nachsichtig gegenüber Kriminellen seien. In einer Mitteilung des Weißen Hauses heißt es:

"Es ist das Ergebnis der Tatsache, dass demokratische Politiker, Staatsanwälte und Richter in North Carolina woken Agenden Prioritäten einräumen, die ihre Bürger nicht schützen, wenn sie sie am dringendsten brauchen."
Statement des Weissen Hauses

Die Zahlen sprechen eine andere Sprache

Es ist nicht das erste Mal, dass rechte Kreise einen Mord in den USA instrumentalisieren. Bereits im vergangenen Jahr gab es einen ähnlichen Fall, bei dem eine Krankenpfleger-Schülerin in Georgia durch einen illegalen, venezolanischen Einwanderer ermordet wurde.

Auch dieses Verbrechen schlug hohe Wellen und Trump nutzte damals die Gunst der Stunde, um sich als Vorkämpfer gegen Kriminalität und illegale Einwanderung zu positionieren. Und er tut dies bis heute.

Dabei sprechen die Zahlen eine andere Sprache. Illegale Einwanderer:innen begehen weniger häufig Straftaten als in den USA geborene Amerikaner:innen, wie eine Auswertung der New York Times zeigt.

Bei Trump-Kritiker:innen besteht die Sorge, dass auch dieser Fall von rechten Kreisen "erfolgreich" instrumentalisiert wird. Und vor allem Trump in seinem Bestreben, mithilfe des Einsatzes der Nationalgarde und der Einwanderungsbehörde ICE in großen US-Städten wie Chicago oder Los Angeles "aufzuräumen", gestärkt wird.

Federal officers speak as they stand at a checkpoint operated by the Metropolitan Police Department and federal agencies, including officers from Immigration and Customs Enforcement (ICE) and Homeland ...
Die Abschiebebehörde ICE geht brutal gegen Migrant:innen vor.Bild: AP / Mark Schiefelbein

Zwar zeigen offizielle Daten auch hier, dass die Zahl der kriminellen Verbrechen in US-Großstädten kontinuierlich zurückgeht, trotzdem geht die Taktik Trumps momentan auf.

Der bekannte afroamerikanische Bürgerrechtsführer Dr. William Barber warnt nach Veröffentlichung des Videos deshalb in einem Statement:

"Trumps Maga-Verbündete versuchen, den tragischen Mord an einer Servicemitarbeiterin in Charlotte, North Carolina, zu nutzen, um ihre illegale Besetzung von US-Städten zu rechtfertigen."

Dabei muss auch beachtet werden, dass Trumps Umfragewerte in fast allen Bereichen in den Keller rasseln. Beim Kampf gegen Verbrechen und illegale Migration schneidet er in der US-Bevölkerung noch am besten ab. "Trumps Herangehensweise in Sachen Kriminalität ist nun eine klare Stärke für ihn", bilanziert deshalb der US-Sender PBS.

Vorwürfe auch an die Medien

Die Vorwürfe aus konservativen Kreisen richten sich allerdings nicht nur gegen Demokraten, sondern auch gegen die Medien. Nachdem das Video veröffentlicht wurde, warfen zahlreiche rechte Influencer Medien wie der "New York Times" Zensur vor.

Der rechte Kommentator Dinesh D’Souza zum Beispiel schrieb in einem Blogbeitrag: "Der Grund für das Schweigen der Medien ist rassistisch. Wäre der Mörder weiß, würde darüber berichtet werden. Wenn es sich um einen weißen Angreifer handeln würde, der ein schwarzes Opfer ermordet hat, wäre das natürlich überall auf den Titelseiten zu lesen."

Die Vorstellung, dass Mainstream-Medien Straftaten, die von Schwarzen begangen werden, herunterspielen würden, sei dabei in den vergangenen Jahren in einigen konservativen Kreisen zunehmend zum Gesprächsthema geworden, schreibt die "New York Times".

Dass der Fall erst seit der Veröffentlichung des Videos zum Politikum wurde, wird dabei aber kaum erwähnt. Und mittlerweile berichten alle US-Medien über den Fall, auch Mainstream-Medien wie die "New York Times", CNN oder die "Washington Post".

Auf die Wahrheit kommt es nicht an

So oder so zeigt der brutale Mord an der jungen Ukrainerin das Dilemma der Demokraten deutlich auf.

Trump und seine Maga-Anhänger:innen schaffen es immer wieder, mit solchen Einzelfällen, die kaum ein akkurates Bild der gesellschaftlichen Realität widerspiegeln, von den eigenen Problemen abzulenken und Hass und Angst in der Bevölkerung zu schüren.

Für die Maga-Bewegung kommt es dabei nicht auf Zahlen oder die Wahrheit an. Sondern nur darauf, ob man den Fall für seinen eigenen politischen Vorteil nutzen kann.

Kabinett winkt neuen Wehrdienst durch: So kannst du den Kriegsdienst verweigern
Freiwillig zur Bundeswehr – oder irgendwann doch gezwungen? Das neue Wehrdienst-Gesetz setzt (noch) auf Freiwilligkeit. Gleichzeitig lohnt sich ein genauer Blick ins Grundgesetz: Wer nicht kämpfen will, kann legal verweigern. Was du jetzt wissen musst – und wie du dich schützt.
Der Stein rollt: Das Bundeskabinett hat ein neues Gesetz zum Wehrdienst auf den Weg gebracht. Zunächst steht aber die Freiwilligkeit im Vordergrund. Eine Wehrpflicht gibt es (vorerst) nicht, dafür Angebote, um das Soldatenleben etwas attraktiver zu gestalten. Bleibt der Ansturm aus, kann sich der Wind noch drehen.
Zur Story