Kann man Politikern "zu viel" Emotionalität in Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg vorwerfen? Das tut derzeit jedenfalls der SPD-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller. Wegen seiner Aussagen steht er nun heftig in der Kritik – und landete damit sogar in den Twitter-Trends.
Der Grund: Er hat den Ukraine-Besuch von drei Ampel-Politikern scharf kritisiert. Der Besuch von Anton Hofreiter (Grüne), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Michael Roth (SPD) sei "nicht hilfreich" gewesen. Das sagte Müller am Donnerstag in einem Interview mit der "Berliner Zeitung".
Müller ist seit seinem Ausscheiden als Berliner Regierungschef im vergangenen Herbst Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages. Er warf den drei Politikerin der eigenen Koalition vor, "voller Emotionalität" aus der Ukraine wiedergekehrt zu sein. Dafür erntet er nun einen Shitstorm.
Unter anderem meldet sich die von ihm kritisierte FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zu Wort und erteilt ihm damit eine Retourkutsche.
Auf Twitter schreibt sie: "Ich biete Michael Müller gerne an, Emotionen zu entwickeln, um zu verstehen, dass ein brutaler Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine nichts ist, was uns kaltlassen kann und entschiedenes Handeln bei der Lieferung von Unterstützung keine Gefühlsduselei ist." Damit weist sie die Vorwürfe, zu emotional reagiert zu haben, entschieden zurück.
Anton Hofreiter und Michael Roth äußerten sich bisher nicht zu den Vorwürfen.
Der Welt-Journalist Deniz Yücel schießt unterdessen scharf gegen Michael Müller. Er nennt den Ex-Bürgermeister aufgrund seiner Aussagen gar einen "Apparatschik": "Wären wir nicht in Deutschland, würde Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Anton Hofreiter und Michael Roth 'Emotionalität' nicht zum Vorwurf gereichen – wohl aber einem Apparatschik wie Michael Müller die Empathielosigkeit. (Nicht nur, wenn er ein SPD-Parteibuch besitzt. Aber gerade dann.)"
Kritik gibt es auch vonseiten des Journalisten und Museumsdirektors Enno Lenze, der Müller vorwirft, vom "sicheren Büro" aus und in Anbetracht des Krieges über die Emotionalität anderer zu urteilen:
Zahlreiche Twitter-User stellen in Zusammenhang mit den Emotionalitäts-Vorwürfen außerdem Müllers Kompetenz in Frage. Andere werfen ihm etwa "menschliche Kälte" angesichts der "Kriegsverbrechen" vor. Michael Müller reagierte bisher nicht auf die Vorwürfe.
Müller kritisierte zuvor vor allem das Verhalten der aus der Ukraine zurückgekehrten Politiker: "Wir haben erlebt, dass die Abgeordneten durch die Bilder und die Gespräche vor Ort voller Emotionen zurückgekommen sind und dann sehr, sehr schnell auch Forderungen in Richtung Bundesregierung formuliert haben", sagte Müller.
Schon zu Wochenbeginn hatte Müller beim Fernsehsender ntv gesagt: „Ich staune bei einigen, die sich auch die Situation vor Ort angeguckt haben, wie schnell man jetzt nach schweren Waffen ruft.“ Jene, die das fordern, sollten auch sagen, dass sie „billigend in Kauf nehmen, dass dieser Konflikt weiter eskaliert“. Man müsse „immer auch reden“, auch, wenn das bei Putin gerade schlecht möglich sei.
(ast)