Emotionale Szenen aus dem georgischen Parlament gehen viral. Ein Abgeordneter will seine Rede halten und wird dabei von einem Mann angesprungen. Seine Faust trifft sein Gesicht. Darauf bricht ein Handgemenge aus, es fliegen die Fäuste zwischen mehreren Abgeordneten.
Grund der Prügelei: das umstrittene Gesetz zu "Interessen ausländischer Mächte". Bereits im Frühjahr 2023 löste es Proteste in Georgien aus. Das Gesetz sieht vor, dass Organisationen, die sich zu mehr als 20 Prozent mit Geldern aus dem Ausland finanzieren, als sogenannte ausländische Agenten registrieren lassen müssen. Anderenfalls drohen ihnen Strafen.
Georgiens Regierung reagierte damals auf die Massenproteste der Zivilbevölkerung und kündigte an, das geplante "Agenten-Gesetz" aufzugeben. Kritiker:innen bezeichnen es auch als "russisches Gesetz", denn der Entwurf ähnelt einem 2012 in Russland verabschiedeten Gesetz. Russische Behörden nutzen es, um gegen Medien, regierungskritische Organisationen und andere Regierungsfeinde vorzugehen.
Nach Ansicht der Regierung wolle man mit der Reglung den Einfluss von außen auf politische Entwicklungen verhindern. Die Regierungspartei Georgischer Traum hatte demnach Anfang April angekündigt, den vor einem Jahr zurückgezogenen Gesetzentwurf in geänderter Fassung erneut zur Abstimmung bringen zu wollen.
Bei der Debatte im Parlament reißt offenbar der Geduldsfaden des Oppositionsmitglieds Aleko Elisashvili und versetzt dem Angehörigen der Regierungspartei Mamuka Mdinaradze einen Schlag gegen den Kopf.
"Die hier schlug in das russische Gesicht von Mdinaradze", sagt er nach der Prügelei vor Reporter:innen. Dabei zeigt er stolz seine Faust in die Kamera. Sichtlich aufgebracht, lässt er seinem Frust freien Lauf. "Ich wurde verprügelt, aber wenn es für Georgien ist, dann soll es so sein", sagt er. Mit lauter Stimme verkündet er: Man müsse ihnen dieses Gesetz in den Allerwertesten schieben.
Die Zeit der Höflichkeit sei abgelaufen, sie drängen uns direkt in die Arme Russlands, führt das Oppositionsmitglied Elisashvili aus. "Wir sind entweder Georgier oder Sklaven", aber sein Faustschlag habe gezeigt, Georgien hat eine Wahl. Im Hintergrund steht eine Frau, eingewickelt in der ukrainischen Flagge. In den Händen hält sie ein Schild mit der Aufschrift "Nein zu Russland" in die Höhe.
Nach dem Vorfall versammelten sich vor dem Parlament in Tiflis bis zu 10.000 Demonstrierende.
Sie schwenkten EU-Flaggen und riefen "Nein zum russischen Gesetz". Die Polizei nahm bei dem friedlichen Protest mindestens vier Demonstrierende fest, wie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP beobachtete.
"Wir lehnen dieses Gesetz ab, es ist antieuropäisch, es ist eine Kopie des drakonischen russischen Gesetzes", sagt die Studentin Maka Kvirikadze, die am Protest teilnahm. "Georgien wird mit solch antidemokratischen Gesetzen nicht in die EU aufgenommen, deshalb werden wir es nicht zulassen", sagt der Zahnarzt Giorgi Lachkhi. "Georgien gehört zu Europa, es wird nie wieder Russlands Hinterhof sein."
Das osteuropäische Land stellte einen Antrag auf den EU-Beitritt im März 2022. Allerdings wird die Regierungspartei weithin der verdeckten Zusammenarbeit mit dem Kreml verdächtigt. Experten zufolge sieht sie die westliche Finanzierung für prodemokratische Nichtregierungsorganisationen und unabhängige Medien als Herausforderung für ihre Machtergreifung an.
Laut Georgien-Experten Denis Cenusa vom Zentrum für Osteuropastudien könnten die Oppositionskräfte die Gewinner dieses offenen Konflikts vor den Parlamentswahlen im Oktober sein. Die einen, wollen laut ihm ihre Macht durch die Einschränkung des politischen Raums ausbauen, während die anderen um ihr politisches Überleben kämpfen, schreibt er auf X.
(Mit Material der afp)