Linken-Chefin Schwerdtner rügt Union nach Wahl von Verfassungsrichtern
Sigrid Emmenegger, Ann-Katrin Kaufhold, Günter Spinner: Das sind die drei Namen, die die Bundestagsabgeordneten am Donnerstag auf dem Wahlzettel hatten.
Frauke Brosius-Gersdorf stand nicht mehr zur Wahl. Die Debatte um die renommierte Jura-Professorin der Universität Potsdam hat das eigentliche Problem, mit dem Schwarz-Rot bei der Wahl der Richter:innen konfrontiert ist, überschattet: Die Regierung hat alleine mit ihren Stimmen nicht die nötige Zweidrittelmehrheit. Auch zusammen mit den Stimmen der Grünen sind es nicht genug; Union und SPD hofften daher am Donnerstag auch auf die Stimmen der Linken.
Inzwischen steht fest: Alle drei Kandidierenden sind mit der nötigen Zweidrittelmehrheit gewählt worden. Ines Schwerdtner, Parteivorsitzende der Linken, äußert sich über das Ergebnis zunächst erleichtert. Gegenüber watson sagt sie:
Schwerdtner kritisiert Union für Debakel bei Verfassungsrichter-Wahl
Die Nachricht über die erfolgreiche Wahl dreier zu wählender Kandidierender hätte eigentlich schon am 11. Juli dieses Jahres verkündet werden sollen. Hier noch mit der Konstellation Spinner, Kaufhold, Brosius-Gersdorf.
Eine Wahl, die aus Zeitgründen eigentlich nötig gewesen wäre: Die Amtszeit zweier Richter:innen lief aus; ein weiterer Richter kündigte an, aus gesundheitlichen Gründen frühzeitig aus dem Amt auszuscheiden. Letztlich mussten die Richter:innen länger im Amt bleiben, damit das höchste deutsche Gericht handlungsfähig bleibt. Die erste Wahl neuer Kandidierender scheiterte – die Verantwortung kann man klar der Union zuschieben.
Ein kurzer Rückblick: Am Tag der Wahl setzte die Union ihrem Koalitionspartner SPD die Pistole auf die Brust. Entweder die SPD setzt Brosius-Gersdorf ab, oder die Union wird die Wahl durch Enthaltung crashen. Die Kanzlerpartei störte sich unter anderem an Plagiatsvorwürfen gegen Brosius-Gersdorf, die allerdings nach kurzer Zeit revidiert wurden.
Doch der Streit um die Richterin war so weit eskaliert, dass die Wahl abgesagt wurde. Brosius-Gersdorf blieb aber in der Schusslinie. Schließlich kündigte sie an, nicht mehr als Kandidatin zur Verfügung zu stehen.
Schwerdtner kritisiert das Verhalten der Union bei der Wahl der Richter:innen nun deutlich. Es bliebe ein "bitterer Beigeschmack", sagt sie nach der jetzt erfolgreichen Wahl. "Mit ihren parteitaktischen Manövern hat die Union dem Ansehen dieser für unsere Demokratie so zentralen Institution erheblichen Schaden zugefügt."
Linken-Chefin wirft Union fehlende Gesprächsbereitschaft vor
Die Linken-Vorsitzende wirft der Union die Verweigerung von Gesprächen mit ihrer Partei über die Abstimmung vor: "Bis zum Ende war sie nicht bereit, im Vorfeld der Wahl die erforderlichen Mehrheiten durch demokratische Parteien zu sichern."
Damit spielt sie auf die fehlende Gesprächsbereitschaft hinsichtlich der Unterstützung für den Kandidaten von CDU und CSU, Günter Spinner, an. Noch am Donnerstag verteidigte der erste parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Steffen Bilger (CDU), diese Entscheidung. Er fände es "unangemessen, wenn wir zu einer Richterwahl in Verhandlungen eintreten würden, Deals machen würden", sagte Bilger.
Der Kurs, den die Union in der Frage fährt, ist für Schwerdtner jedoch nicht nachvollziehbar:
Linke oder AfD? Unangenehme Frage bei Unions-Kandidat bleibt
Die Koalition gibt sich nach der Wahl sichtlich erleichtert. Elf Wochen lang musste sie nach dem ersten Wahl-Debakel im Juli in der Ungewissheit ausharren, ob die nächste Wahl klappen würde. Das hat sie. Doch trotzdem bleibt eine unangenehme Frage offen. Wem hat die Koalition die erfolgreiche Wahl zu verdanken?
Die Linken-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek kündigte am Mittwochabend in den "ARD"-Tagesthemen an, ihre Fraktion werde die von der SPD aufgestellten Kandidatinnen Sigrid Emmenegger und Ann-Katrin Kaufhold geschlossen wählen. Bei Günter Spinner, dem von der Union aufgestellten Kandidaten, habe die Fraktionsspitze das Wahlverhalten aber freigegeben.
Die Wahl der Verfassungsrichter:innen ist eine geheime Wahl. Die Frage, wer Günter Spinner die restlichen Stimmen vermacht hat, wer für die Zweidrittelmehrheit verantwortlich ist, wird im Raum bleiben. War es die Linke? Oder vielleicht doch die AfD?