In Polen ist das oberste Gericht, also das Verfassungsgericht, längst von der Regierung unterwandert worden. Viele Experten und Expertinnen warnen mittlerweile davor, dass das Recht in Polen keine große Rolle mehr spiele.
An der Grenze zu Belarus kommt es durch Pushbacks gegen Migranten sogar zu Verstößen gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, also gegen Menschenrechte. Auch die Presse kann nicht ungehindert und frei arbeiten.
Im Oktober 2020 entschied das polnische Verfassungsgericht, dass das Abtreibungsgesetz von 1993 und die darin enthaltenen Bedingungen für einen Schwangerschaftsabbruch verfassungswidrig seien. Engster Berater für Regierung und Richter war damals bereits das ultrarechte und fundamentalistische "Instytut Ordo Iuris".
Schon davor war das Gesetz sehr strikt: Es erlaubte Abtreibungen nur, wenn die Schwangerschaft auf ein Verbrechen wie eine Vergewaltigung zurückzuführen war, das Leben der Frau in Gefahr war oder wenn der Fötus dauerhafte Schäden aufwies.
Die letzte Bedingung fiel durch die Entscheidung des Tribunals weg. Das Europäische Parlament verurteilte die Entwicklung im November 2021 scharf.
Watson traf sich mit einem Analysten dieser Juristenvereinigung zum Videointerview. Ausschnitte daraus veröffentlichen wir hier.
Hier ist es wichtig, noch einmal zu verdeutlichen, dass wir explizit nach Menschenrechten gefragt haben. Selbst nach mehrfacher Nachfrage hat der Analyst keine Antwort gegeben. Zuerst verwies er auf Frauenrechte und sprach von der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen.
Auf die Frage, ob er zwischen Menschen- und Frauenrechten unterscheide, sagte er nur, eine solche Unterscheidung sei künstlich. Dann müsse man auch von Männerrechten sprechen.
Das Wort "rechtsextrem" nahm der Analyst nicht in den Mund. Er meinte lediglich, er sehe es positiv, wenn das Institut kritisiert werde. Er sprach davon, dass man seinen "Werten treu" bleibe und es gut sei, wenn man Feinde oder Gegner habe.
Den Vorwurf, dass das Institut rechtsextrem sei, bezeichnete er als "Gerücht", brachte aber kein Argument, um vom Gegenteil zu überzeugen.
Der investigative Autor Tobias Ginsburg hatte sich bei dem Institut eingeschleust. Unter dem Decknamen Anton Schneider und als AfD-Mitglied getarnt, hatte Ginsburg Zugang zum Haus des hochrangigen "Ordo Iuris"-Mitglieds Dr. Tymoteusz Zych. Anwesend war zu dieser Zeit auch das damalige Vorstandsmitglied Karolina Pawłowska.
Nachdem Ginsburg sein Buch "Die letzten Männer des Westens" veröffentlicht hatte, sind die beiden nach offiziellen Angaben aus persönlichen Gründen zurückgetreten.
Interessant an der Antwort des Analysten ist, dass er zunächst sagte, es sei eine "persönliche Entscheidung" gewesen. Kurze Zeit später sagte er allerdings, er sei bei Vorstandsrunden nicht dabei, "bei denen diese Entscheidungen getroffen werden". Ein kleiner, aber sehr wichtiger Unterschied.