Verlassene, halb verfallene Wohnwagen. Vom Gestrüpp überwucherte und eingewachsene Bungalows. Fährt man heute durch Teile der Niederlausitz, lässt sich das Urlaubs-Idyll aus vergangenen Tagen noch erahnen. Früher Sehnsuchtsort für unsere Eltern, heute vor allem Sinnbild: Junge Menschen zieht es oft weg, weg aus den ländlichen Regionen des Ostens. Die, die bleiben, haben die Hoffnung auf Besserung oft aufgegeben.
In Dresden-Klotzsche soll beispielsweise seit Jahren ein neues Schwimmbad her. Doch eigentlich glaubt dort niemand mehr so Recht daran, dass man in unbestimmter Zukunft dort seine Bahnen ziehen kann. Wir – die Landessprecher:innen der Grünen Jugend in Sachsen, Thüringen und Brandenburg – wollen das nicht weiter hinnehmen.
Keine Perspektive für junge Menschen, keine Hoffnung, Angst vor Nazis? Wir nehmen es selbst in die Hand – jetzt erst recht!
Während Freund:innen von früher wegziehen, fühlen sich viele junge Menschen immer einsamer und abgehängter. Begegnungsräume für Jugendliche fallen regelmäßig den kommunalen Haushalts-Sparplänen zum Opfer. Die Kommunen sind klamm und in den meisten Dörfern besteht die Freizeit-Auswahl – wenn überhaupt – aus Fußballverein oder freiwilliger Feuerwehr.
Und wenn’s denn doch mal einen Jugendclub im nächsten größeren Ort gibt, sucht man die Busverbindung dorthin vergebens. Viele junge Menschen hier fragen sich komplett zurecht: Wartet irgendwo zwischen all den elfstöckigen Platten und den halb verrotteten Bungalows noch eine blühende Zukunft auf uns?
Dabei hatte man unseren Eltern nach der Wende doch blühende Landschaften versprochen. Die Enttäuschung über den fehlenden Wandel in den 90ern und die fehlenden Perspektiven heute haben vor allem Politikverdrossenheit hinterlassen – nicht nur in unserer Elterngeneration, sondern auch bei vielen jungen Menschen.
Gerade jetzt, in den Wochen vor den Landtagswahlen, sprechen viele über den Osten – über uns, aber selten mit uns. Zwischen Unverständnis und Ablehnung mischt sich Mitleid. Doch das ist das Letzte, was junge Menschen im Osten jetzt brauchen. Das, was wir wollen, ist eine gerechte Zukunft!
Die ist aktuell aber noch weit entfernt.
Ein Beispiel: Das Vermögen sitzt in Westdeutschland. Viel davon stammt aber eigentlich aus dem Osten, der an den Westen ausverkauft wurde. Es geht um mehr als um die Wahlen am Sonntag. Es geht um die Frage, wie und für wen in Deutschland Politik gemacht wird. Wenn die Politik die Fehler der Wende korrigieren will und 30 Jahre später endlich einen Beitrag zu einer Wiedervereinigung auf Augenhöhe leisten will – dann müssen wir im Osten das bekommen, was uns zusteht. Dafür und für vieles mehr kämpfen wir.
Gleichzeitig erleben wir aber, dass viele Menschen demobilisiert sind. In Thüringen, Sachsen und Brandenburg sind wir zu den Landtagswahlen deshalb mit eigenen Kampagnen unterwegs.
Unser Ziel: In einer Zeit, in der sich immer mehr Menschen übergangen und abgehängt fühlen, und den Glauben daran verlieren, dass sich für sie etwas zum Besseren verändern lässt, wollen wir anderen jungen Menschen zuhören und wissen, wie es ihnen geht.
Oft stellen wir fest: Wir teilen die gleichen Sorgen. Wir glauben, politische Veränderung gibt es dann, wenn sie auch nach der Wahl von denen eingefordert wird, die es betrifft. Das Problem ist aber, viele Menschen glauben gar nicht mehr daran, dass sie noch etwas ausrichten können. Wir können uns deshalb nicht einfach darauf beschränken, Forderungen aufzustellen und fromm hoffen, dass sich schon irgendwer kümmern wird – denn wenn niemand mehr daran glaubt, dass sich Dinge noch zum Guten ändern, bekommen wir auch keinen Druck organisiert. Wir schlagen deshalb eine andere Strategie vor.
Wir nehmen die Probleme, die wir im Alltag erleben, selbst in Hand: Wenn unsere Jugendzentren kaputtgespart und unsere Skateparks abgerissen werden, dann organisieren wir halt unsere eigenen Treffpunkte. Erst letztes Wochenende haben wir in Potsdam ein Straßenfest gefeiert. Wir haben Bratwurst für alle angeboten, Wasserschlachten mit den Nachbarskindern gemacht und lange mit den Menschen vor Ort zusammengesessen und gebastelt.
Für uns bedeutet politische Arbeit in Ostdeutschland: zuhören, ernst nehmen und zum Mitmachen einladen. Wir sehen in anderen jungen Menschen nicht Wähler:innen, sondern Nachbarn, Kolleginnen und Kommilitonen. Wie ernst die Lage aber ist, zeigt sich, wenn wir mit Menschen sprechen, bei denen die Hoffnung langsam, aber sicher bröckelt. Das Gefährliche dabei: Diese Verdrossenheit macht viele junge Menschen für Nazis zugänglich.
Und gerade deshalb bedeutet Engagement für die Demokratie für uns nicht nur, Nazis zu blockieren, sondern Menschen ein besseres Angebot zu machen – seien es gegen die hohen Preise, den Schimmel in der Wohnung oder miese Arbeitsbedingungen.
Das ist natürlich nicht immer leicht. Anfeindungen treffen uns genauso wie viele andere Menschen, die sich für eine offene Gesellschaft einsetzen. Bei Kampagnenaktionen bespuckt zu werden, ist da noch harmlos. Die Erfahrung, von Nazis verfolgt zu werden, nachdem man dazwischen gegangen ist, als Nazis auf einen jungen schwarzen Mann eingeschlagen haben – das geht dann natürlich mehr unter die Haut.
Es wäre gelogen, zu behaupten, dass uns der Rechtsruck keine Angst macht. Zum Aufgeben bringt uns das aber nicht! Wir wollen zeigen, dass niemand mit der Perspektivlosigkeit und dem Frust über gesellschaftliche Zustände allein sein muss. Das bedeutet: Wir machen weiter. Und das nicht aufgrund von Alternativlosigkeit, sondern weil wir wirklich Hoffnung haben.
In den letzten Wochen haben wir viel mit Menschen in unseren Vierteln und Dörfern darüber gesprochen, dass die Verhältnisse politisch veränderbar sind und dass es kein Naturgesetz ist, dass man sich für viel zu wenig Geld kaputt arbeitet oder dass man sich täglich langweilt, weil es für junge Menschen nichts zu tun gibt.
Eins teilen wir alle: den Frust. Und genau daraus entspringt unsere Hoffnung, dass wir etwas verändern können: Weil wir viele sind, die etwas verändern wollen – wir müssen uns nur zusammenschließen.