Gerade erst haben die Autor:innen der Jugendwahlstudie 2024 der Jugend politisches "cherry picking" attestiert. Die 16- bis 25-Jährigen hätten "ein neues Verständnis von Politik, Extremismus und Gemeinschaft" und zugleich "eine neue Unsicherheit", heißt es darin.
Rüdiger Maas, einer der Autor:innen, sagt etwa über diese Generation: Es sei eine neue Generation an Wähler:innen herangewachsen, "die nicht nur orientierungslos scheint, sondern auch emotional aufgeladen". Und: "Sie ist wütend, enttäuscht und fühlt sich von der Regierung im Stich gelassen", wie ihn der "Spiegel" zitiert.
Das politische Kirschenpicken wird in der Studie damit erklärt, dass die klassische Links-Rechts-Einteilung für viele junge Menschen überholt sei. Dadurch würden etwa Parteien wie das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) "auf dem politischen Spektrum sehr unterschiedlich eingeordnet". Zudem fühlten sich viele Erstwähler:innen "politisch heimatlos".
Die Parteien sind vielen jungen Menschen also nicht so wichtig, was zählt, sind Inhalte. Von dem diagnostizierten politischen cherry picking profitieren vor allem die AfD und das BSW, die stark auf einzelne bestimmte Themen setzen anstatt auf ein breit gefächertes Wahlprogramm.
Wie beliebt die AfD dadurch unter jungen Menschen ist, zeigt auch die simulierte U18-Wahl in Sachsen, deren Ergebnisse am Montag veröffentlicht wurden. Mehr als ein Drittel der Teilnehmer:innen wählten dabei die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte AfD aus Sachsen. Das entspricht 34,5 Prozent. Die CDU folgte mit großem Abstand mit 16,2 Prozent, vor der Linken mit 11,8 Prozent.
"Besorgniserregend", schloss Vincent Drews laut "Tagesspiegel", Vorsitzender des sächsischen Kinder- und Jugendrings, aus den Ergebnissen, die allerdings kein repräsentatives Meinungsbild darstellten. Sondern als Projekt zur politischen Bildung dienten.
Besonders perfide: In Brandenburg darf im Gegensatz zu Sachsen bereits ab 16 gewählt werden. Das macht sich die AfD dort jetzt zunutze.
Die AfD hat in Brandenburg unter den Wahlberechtigten ganz klar die Nase vorn: Nach derzeitigen Umfragen erreicht die Ganz-weit-rechts-außen-Partei 24 Prozent der Stimmen. Gefolgt von SPD (20 Prozent), CDU (19 Prozent) und BSW (17 Prozent) – die anderen Parteien kämpfen weit abgeschlagen um die Fünf-Prozent-Hürde.
Nach derzeitigem Stand wäre die AfD demnach mit ziemlicher Sicherheit an einer Regierung in Brandenburg beteiligt.
Um gezielt Jugendliche anzusprechen, druckt die Partei jetzt hunderttausende Flyer – speziell für Schüler:innen – und verteilt sie an Schulen.
Und das als einzige Partei in Brandenburg, wie der "Tagesspiegel" schreibt. Mitte August stellte die Rechtsaußen-Partei ihr Wahlprogramm "in schülergerechter Sprache" vor. Darauf zu sehen: zehn Punkte, wie die AfD das Land "besser machen" will. Versehen mit allerlei Emojis.
Die rund 50.000 Erstwähler:innen in Brandenburg zwischen 16 und 18 Jahren machen rund drei Prozent der Wahlberechtigten aus. Sie könnten im engen Rennen durchaus Gewicht haben.
Doch ausgerechnet beim Thema Bildung bleibt die AfD vage auf ihrem Flyer. Dort heißt es lediglich: "Bildung muss an Schulen und Universitäten im Mittelpunkt stehen, statt den Menschen zu sagen, was sie zu tun und zu lassen haben."
Stattdessen schürt die Rechtsaußen-Partei mit ihrem Flyer gezielt Ängste. Angesprochen wird etwa die angebliche Wichtigkeit des Handels mit Russland oder die Auswirkungen von Corona-Impfungen.
Allerdings sind Flyer nur eine Strategie der AfD, um Jugendliche zu ködern. Es ist kein Geheimnis, dass die Rechtsaußen-Partei das Social-Media-Game durchgespielt hat und die demokratischen Parteien nicht im Ansatz gegen sie ankommen.
Die teils schwammigen Aussagen auf dem Wahlflyer verfolgen laut dem Politikwissenschaftler Werner Krause von der Uni Potsdam ein bestimmtes Ziel: "Junge Menschen, die noch am Anfang ihrer politischen Sozialisation stehen, sind leichter empfänglich für leichte Antworten auf komplexe Probleme", sagt er dem "Tagesspiegel".
Zu Recht warnt der Pädagogen-Verband in Brandenburg daher vor dem Flyer: Die verkürzten Vorschläge bedürften ausführlicheren Erklärungen und könnten Schüler:innen überwältigen, zitiert der "Tagesspiegel". Sollte der Flyer im Unterricht thematisiert werden, dann unbedingt in Form eines Faktenchecks mit Diskussionsrunde, sagt etwa der Präsident des Brandenburgischen Pädagogen-Verbandes, Hartmut Stäker.