
Besucher:innen des Christopher Street Day 2025 in Köln.Bild: imago images / Panama Pictures
Gastbeitrag
Das Selbstbestimmungsgesetz gilt als queerpolitischer Durchbruch. Doch jetzt könnten politische Bestrebungen diesen Fortschritt aushöhlen. Unter dem Vorwand der Sicherheit sollen sensible Daten von trans* Menschen dauerhaft gespeichert und an andere Behörden übermittelt werden: Das geht nicht, findet die Aktivistin und Autorin Julia Monro in ihrem Gastbeitrag für watson.
16.07.2025, 13:1216.07.2025, 16:15
Julia Monro
Durch das hart erkämpfte Selbstbestimmungsgesetz werden seit 2024 die Menschenrechte von trans*, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen deutlich gestärkt. Es war das Ergebnis jahrelanger Kämpfe, politischer Kompromisse – und einer klaren Grundidee: Menschen dürfen ihren Geschlechtseintrag und ihren Vornamen selbst bestimmen, ohne Vorgaben, ohne Pathologisierung, ohne Fremdbestimmung und übergriffige Gerichtsverfahren.
Aber: Dieser queerpolitische Meilenstein soll nun statt nach der im Gesetz vorgesehenen Frist von fünf Jahren bereits nächstes Jahr evaluiert werden und sät Zweifel an dem Gesetz. Eine Evaluation ist dann sinnvoll, wenn sie ergebnisoffen und wissenschaftlich fundiert erfolgt. Sie kann dazu beitragen, Missstände zu erkennen und das Gesetz ggf. zu verbessern. Bei der Evaluation soll jedoch ein besonderer Fokus auf die "Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche, die Fristsetzungen zum Wechsel des Geschlechtseintrags sowie den wirksamen Schutz von Frauen" gelegt werden. Diese Zusätze schließen an gefährliche transfeindliche Narrative an.
Nun wurde bekannt, dass die neue Regierung weitere Maßnahmen plant: Eine dauerhafte Offenbarung des früheren Geschlechtseintrags im Meldewesen.
Die Aktivistin und Autorin Julia Monro engagiert sich seit Jahren aktiv in der Antidiskriminierungsarbeit für trans* Menschen. Sie selbst erkannte schon früh ihre transgeschlechtliche Identität, in ihren Dreißigern begann sie, auch öffentlich darüber zu sprechen. Seitdem ist sie eine der bekanntesten Stimmen für die Rechte von transgeschlechtlichen Menschen in Deutschland.

Aktivistin und Autorin Julia Monro.Bild: imago images / dts Nachrichtenagentur
Bayern prescht vor – gegen den Geist des Gesetzes
Im Gesetzgebungsverfahren wurde hart darum gekämpft, dass nicht noch mehr Generalverdacht gegen trans* Menschen ins Gesetz geschrieben wird. Die automatisierte Weitergabe von früherem Geschlechtseintrag und Vornamen an Sicherheitsbehörden wurde auf Drängen der Community nicht im Gesetz verankert. Der Bundesdatenschutzbeauftragte sprach sich sogar ausdrücklich dagegen aus.
Kritisiert wird außerdem die fehlende Verbändeanhörung. Der Entwurf ist nicht durch das Bundesinnenministerium veröffentlicht worden. "Aus unserer Sicht ist es nicht nachvollziehbar, warum das Bundesinnenministerium die Interessenvertretungen nicht – wie sonst üblich – in das Verfahren eingebunden hat", sagt Koenig und appelliert an die Bundesregierung: "Bei neu einzuführenden Maßnahmen sollte der Schutz sensibler Daten sichergestellt werden und geprüft werden, ob das Diskriminierungsrisiko nicht verstärkt wird."
Doch Bayern geht bereits seit 2024 einen Sonderweg: Mit einer eigenen Meldedatenverordnung wird dort der frühere Geschlechtseintrag trotz Offenbarungsverbot automatisch an das Landeskriminalamt und die Waffenbehörde übermittelt – als wäre trans* sein ein Risikofaktor und überwachungswürdig. Diese Praxis ist nicht nur verfassungsrechtlich fragwürdig, sondern auch zutiefst entmenschlichend. Sie kehrt die Idee des Gesetzes ins Gegenteil: Wo Schutz versprochen wurde, wird unverhältnismäßige Kontrolle eingeführt. Interessenverbände kritisierten dieses Vorgehen.
Regierung will frühere Geschlechtseinträge dauerhaft speichern
Nun soll es auch auf Bundesebene eine Sonderregelung geben. Das Bundesinnenministerium plant im Meldewesen die Einführung zusätzlicher Datenfelder, die den früheren Geschlechtseintrag dauerhaft mitführen sollen. Begründet wird dieser Schritt damit, "dass Personen, die ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen geändert haben, in verschiedenen amtlichen Registern und amtlichen Informationssystemen weiterhin identifiziert werden können und ihre Identität nachvollziehbar ist." Doch dieses Argument ist nur vorgeschoben.
Gabriel_Nox Koenig vom Bundesverband Trans* sagt dazu: "Die Möglichkeit zur Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag existierte ja bereits seit 1981. Durch das Selbstbestimmungsgesetz hat sich lediglich die Art und Weise geändert, wie man einen neuen Geschlechtseintrag erreicht. Das Geburtenregister wird auch kontinuierlich fortgesetzt, sodass eine Identifizierung dauerhaft sichergestellt ist. Insofern sehen wir das Erfordernis nicht, Anpassungen an einer Praxis vorzunehmen, die sich in den letzten Jahrzehnten bewährt hat."
Da Register grundsätzlich fortgeschrieben, aber nie gelöscht werden, ist eine permanente "Datenspur" und damit auch die Identität einer Person also stets nachvollziehbar. Neu ist jetzt, dass es ein eigenes Datenfeld für den früheren Geschlechtseintrag geben soll. Dadurch wird die Änderung des Geschlechtseintrags besonders hervorgehoben, obwohl diese Information besonders sensibel ist und die grundrechtlich geschützte Intimsphäre berührt.
Koenig findet auch das Vorgehen fragwürdig, schließlich geht es um die Frage, wie man mit besonders schützenswerten Daten umgeht: "Solche tiefgreifenden Einschnitte in die Grundrechte müssen im Parlament in einem demokratischen Prozess geregelt werden und nicht in einer Verordnung."

Nyke Slawik (Grüne) hat das Selbstbestimmungsgesetz mitverhandelt.Bild: dpa / Bernd von Jutrczenka
Die Bundestagsabgeordnete Nyke Slawik (Grüne) hat in der Ampelregierung das Selbstbestimmungsgesetz mitverhandelt und den Gesetzgebungsprozess begleitet: "Das Innenministerium machte schon in der letzten Legislaturperiode Vorschläge, nach Änderung des Geschlechtseintrags die Meldedaten an sämtliche Sicherheitsbehörden zu übermitteln. Im Ausschuss wurde deutlich, dass dieser Wunsch mit hoher Wahrscheinlichkeit weder mit unserer Verfassung und auch nicht mit Europarecht vereinbar ist, deshalb haben wir es wieder gestrichen. Es jetzt über die Hintertür per Verordnung zu versuchen, nicht nur eine Unverschämtheit, sondern sie missachten auch den Willen des Gesetzgebers."
Das Bundesinnenministerium antwortet auf eine aktuelle Anfrage, das von der vorherigen Bundesregierung beschlossene Selbstbestimmungsgesetz erfordere Anpassungen im Bereich des Meldewesens: "Das Gesetz sieht vor, dass bisherige Einträge in amtlichen Registern erhalten bleiben. Die Verordnung zur Umsetzung des Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag im Meldewesen ist nötig, da Meldebehörden das Melderegister, wie vom Selbstbestimmungsgesetz vorgesehen, fortschreiben. Die zuständige Meldebehörde informiert aufgrund der einschlägigen Rechtsvorschriften die weiteren Behörden, die für ihre Aufgabenerledigung die Informationen benötigen."
Als Felix Banaszak 2024 zum Parteivorsitzenden der Grünen gewählt wurde, musste er deutsche Medien erst einmal über die Aussprache seines Nachnamens aufklären. In einem Tiktok wiederholte er gemeinsam mit Parteikollegen gebetsmühlenartig die drei zugehörigen Silben und wies darauf hin, dass "A" der einzige Vokal in seinem Nachnamen sei.