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Russland: Wenn Putsche scheitern und doch alles ändern – zwei Beispiele

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Moskau, 21. August 1991: Demonstrierende fordern während des gescheiterten Augustputschs russische Soldaten auf, zu ihrer Seite zu wechseln.Bild: imago images / SNA
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Wenn Putsche scheitern – und doch alles ändern: Zwei Beispiele aus Russland

06.07.2023, 19:1606.07.2023, 19:19
Daniel Huber / watson.ch
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Noch ist nicht absehbar, welche Folgen Jewgeni Prigoschins bizarrer Ein-Tages-Putsch haben wird. Die meisten Beobachter sind sich darin einig, dass die Geschehnisse Präsident Wladimir Putin geschwächt oder seine Schwäche offengelegt haben. Immerhin hatte "WWP", wie manche Russen den langjährigen Machthaber nennen, den unbotmäßigen Wagner-Chef als Verräter gebrandmarkt und ihm strengste Bestrafung angedroht – um wenige Stunden später zurückzurudern und die Ermittlungen gegen Prigoschin einzustellen.

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Als "Dolchstoß in den Rücken des Landes" hatte Putin in seiner TV-Ansprache an die Nation Prigoschins überraschenden Aufstand bezeichnet. Dabei verwies der Kreml-Chef auf eine historische Parallele in der russischen Geschichte: den Kornilow-Putsch von 1917.

Dieser gescheiterte Putsch schwächte die russische provisorische Regierung unter Alexander Kerenski entscheidend und ebnete der Machtergreifung der Bolschewiki in der Oktoberrevolution den Weg.

Der Putschversuch von General Lawr Kornilow ist nicht nur deshalb interessant, weil Putin darauf Bezug genommen hat. Er kann – zusammen mit dem Augustputsch 1991, der den Zusammenbruch der Sowjetunion einläutete – als Beispiel für die destabilisierende Wirkung solcher Aktionen dienen.

Nicht immer führt indes ein Putschversuch zu einer Destabilisierung des bestehenden Regimes. Dies zeigt ein anderes Beispiel: der gescheiterte Putsch von Teilen des türkischen Militärs gegen Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan im Juli 2016. Der Sieg gegen die Putschisten konsolidierte das Regime Erdogans, der danach umso fester im Sattel saß.

Turkish people celebrate the fail of millitary coup attempt at Ataturk Airport, Istanbul, 15th of July, 2016. Turkish army junta started a millitary coup attempt at 10.00 on 15th of July, 2016. A grou ...
Istanbul, 15. Juli 2016: In der Türkei feierte man das Scheitern des Militärputschversuchs am Atatürk-Flughafen.Bild: imago images / Depo Photos

Putschversuche als Herausforderung eines Regimes sind deshalb aufschlussreich, weil sie oft – zumindest im Nachhinein – Einblicke in die Mechanik der Macht erlauben und zeigen, welche Gruppen loyal zum Machthaber stehen, und welche nicht.

Während es beim Wagner-Aufstand – bei dem Vieles derzeit noch im Dunkeln liegt, obwohl es Anzeichen für den Beginn einer Säuberung gibt – zu früh ist, um die Auswirkungen abzuschätzen und Gewinner und Verlierer definitiv zu benennen, eignen sich der Kornilow- und der August-Putsch für eine nähere Betrachtung.

Gescheiterte Putsche und die Mechanik der Macht

Zuvor aber noch etwas Polit-Theorie: Es gibt mehrere Studien, die sich mit der Frage auseinandersetzen, inwiefern Putsche die Macht von Autokraten verringern oder erhöhen. Eingehend tut dies etwa ein Paper eines Teams von Politologen um Joan C. Timoneda von der Purdue University, das im vergangenen März in der Cambridge University Press erschienen ist.

Die Studie beschränkt sich auf gescheiterte Putsche, deren Auswirkungen sie anhand von Beispielen aus drei afrikanischen Ländern analysiert. Rund drei Viertel aller Putschversuche finden in Diktaturen statt, wie die Studienautoren schreiben, und es gelingt den Putschisten oft nicht, die Macht zu ergreifen: Etwa die Hälfte aller Putschversuche seit 1946 scheiterte daran, die Amtsinhaber abzusetzen.

Diktaturen: Eliten unterstützen meist die Machthaber

Die Eliten in autokratisch regierten Staaten unterstützen meist ihren eigenen Interessen entsprechend den Machthaber, können sich aber untereinander in einem Konkurrenzverhältnis befinden – das wiederum dem Machthaber erlaubt, sie gegeneinander auszuspielen.

Wenn es dem Machthaber jedoch gelingt, immer mehr Macht auf sich zu konzentrieren, stellt dies für die Eliten zunehmend ein Problem dar: Solche Autokraten neigen dazu, immer unberechenbarer, gewalttätiger und korrupter zu agieren, je mehr die Möglichkeiten schwinden, sie zu kontrollieren.

Das Haupthindernis für das Machtstreben von Autokraten besteht im Interesse der Eliten an der Aufrechterhaltung der Machtbalance. Dem Bestreben der Eliten, den Machthaber im Zaum zu halten, steht als stärkstes Mittel die latente Androhung eines Staatsstreichs zur Verfügung. Wenn es von der Androhung zur Ausführung kommt, sind normalerweise Angehörige des Sicherheitsapparats maßgeblich daran beteiligt.

Auch wenn der Putsch scheitert, stellt diese offene Herausforderung des Autokraten einen Schock dar, der die Machtdynamik zwischen ihm und den Eliten verändert.

Gescheiterte Putsche sind "kritische Wendepunkte", die dem Machthaber Informationen über Fraktionen innerhalb der Eliten und deren Loyalität offenbaren können. Dies ermöglicht ihm, gegnerische Gruppen und Rivalen zu identifizieren und auszuschalten. Gescheiterte Staatsstreiche verstärken zudem seine Motive für die Akkumulation von Macht, um solche Ereignisse in Zukunft verhindern zu können – und können ihm die Gelegenheit dazu verschaffen.

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Rostow, Juni 2023: Söldner der Wagner-Gruppe bewachen einen Bereich vor einem Panzer.Bild: Kommersant Publishing House / Vasily Deryugin

Im für den Autokraten günstigen Fall kann er das Zeitfenster nutzen, um tatsächlich oder vermeintlich feindliche Elemente der Eliten zu säubern und seine Macht auf deren Kosten zu konsolidieren. In der Tat kommt es im Gefolge von gescheiterten Putschversuchen oft zu Säuberungen, insbesondere bei hochrangigen Kabinettsmitgliedern und Personen, die strategische Positionen innehaben, etwa im Sicherheitsapparat.

Im Nullsummenspiel der Macht zwischen Machthaber und Eliten untergräbt das Scheitern eines Putschversuchs – zumindest vorübergehend – die Glaubwürdigkeit und die abschreckende Wirkung dieses "Instruments" der Eliten. Allerdings können solche gescheiterten Putschversuche unter Umständen auch die Schwäche eines Machthabers offenlegen und die Eliten dazu veranlassen, seine Position erneut infrage zu stellen.

Kornilow-Putsch: Wie Kerenski seine Glaubwürdigkeit verspielte

Im Spätsommer 1917 befand sich Russland in einer verzweifelten Lage. Das noch weitgehend agrarische Riesenreich war nach drei verlustreichen Kriegsjahren nicht mehr in der Lage, die Anstrengungen einer industrialisierten Kriegsführung zu tragen; die russischen Truppen waren demoralisiert und die Bevölkerung kriegsmüde. In den Städten war die Versorgungslage katastrophal.

Bereits im Februar hatte die Krise zur Februarrevolution geführt, die den Zaren zum Rücktritt zwang und die russische Monarchie beendete. Eine provisorische Regierung aus Liberalen und Linken hatte die Regierungsgewalt übernommen, die sie freilich in einer Art Doppelherrschaft mit dem Petrograder Sowjet (Petrograd war von 1914 bis 1924 der Name der Hauptstadt St. Petersburg) teilen musste.

Die provisorische Regierung setzte den Krieg gegen die Mittelmächte fort und vertagte die von der Landbevölkerung geforderte Landreform. Dadurch verlor sie rasch an Popularität. Ihr Kriegsminister, Alexander Kerenski, versuchte im Juli, die Moral der Truppen mit einer erneuten militärischen Offensive zu heben. Diese Kerenski-Offensive endete in einer Katastrophe und erreichte das Gegenteil; bereits im Juli kam es zu einem Aufstand, der von den Bolschewiki, die im Petrograder Sowjet immer stärker wurden, angeführt wurde.

Truppen der provisorischen Regierung eröffnen während des Juli-Aufstands 1917 das Feuer auf Demonstrierende.
Truppen der provisorischen Regierung eröffnen während des Juli-Aufstands 1917 das Feuer auf Demonstrierende.Bild: wikimedia / Bulla, Viktor Karlovich

Der Putsch war jedoch nicht erfolgreich, und die Bolschewiki wurden vorübergehend geschwächt, während Kerenski zum Präsidenten der provisorischen Regierung aufstieg und de facto zum Diktator Russlands wurde. Er wechselte die Armeespitze aus und ernannte den Infanteriegeneral Lawr Kornilow zum Oberbefehlshaber – einen Offizier, von dem einer seiner Kollegen sagte, er habe "das Herz eines Löwen, aber das Hirn eines Schafs".

Kerenski lehnte einen Frieden mit den Mittelmächten weiterhin ab; dies stärkte die Bolschewiki, während zugleich der Unmut auch unter bürgerlichen Industriellen und Geschäftsleuten in der provisorischen Regierung zunahm und Rufe nach einer Wiederherstellung der Ordnung nach dem Juli-Aufstand lauter wurden. In dieser angespannten Situation beauftragte Kerenski Kornilow, Truppen in die Nähe von Petrograd zu verlegen.

Putschversuch: Absichten von Kornilow bis heute unklar

Ende August/Anfang September verlangte Kornilow dann diktatorische Vollmachten von Kerenski und befahl am 9. September dem 3. Kavalleriekorps, in die Stadt vorzurücken.

Ob Kornilow damit wirklich einen Putsch gegen die provisorische Regierung ins Werk setzen und eine Militärdiktatur errichten wollte, ist umstritten. Jedenfalls war es seine Absicht, den Petrograder Sowjet aufzulösen und die Bolschewiki zu verhaften. Kerenski entzog ihm aber das Oberkommando und verbündete sich mit dem Petrograder Sowjet gegen die Putschisten. Doch Kornilow, der vom britischen Militärattaché unterstützt wurde, ließ seine Truppen weiter gegen die Hauptstadt vorrücken.

General Kornilow
"Das Herz eines Löwen, aber das Hirn eines Schafs": General Kornilow.Bild: Wikimedia / pd

Es war vornehmlich der Petrograder Sowjet, der nun den Widerstand gegen die Putschisten organisierte, wobei namentlich die Bolschewiki im Vordergrund standen: Da Kornilows Truppen in Eisenbahnzügen transportiert wurden, sabotierten sie mithilfe von Eisenbahngewerkschaftern den Bahnverkehr.

Zudem schickten sie Männer in die Züge, um Kornilows Soldaten für ihre Sache zu gewinnen. Dies gelang und führte dazu, dass der Putsch nach vier Tagen unblutig in sich zusammenfiel, bevor er richtig begonnen hatte. Kornilow wurde festgenommen und zusammen mit anderen Armee-Offizieren, die als Putschisten verdächtigt wurden, in einer Festung inhaftiert. General Krymow, der die Truppen befehligt hatte, erschoss sich.

Die Folgen des Putschs waren gravierend: Die provisorische Regierung, die wegen der Fortsetzung des Krieges ohnehin unpopulär war, büßte enorm an Glaubwürdigkeit ein, während die Bolschewiki wieder stark an Boden gewannen. Sie waren zudem zur Abwehr des Putschs wiederbewaffnet worden – und benutzten diese Waffen bald darauf in der Oktoberrevolution, in der sie selber die Macht ergriffen.

Die Bestrafung Kornilows durch Kerenski erboste auch viele Offiziere, die nicht am Putsch teilgenommen hatten. Während der Oktoberrevolution folgten sie deshalb Kerenskis Aufruf nicht, die provisorische Regierung zu verteidigen.

Kerenski geriet durch den Putsch zwischen die Fronten: Die Rechte und die Armee hassten ihn dafür, dass er sich gegen Kornilow gewandt hatte; die Linke verzieh ihm nicht, dass er Kornilow zum Oberbefehlshaber gemacht hatte, und verdächtigte ihn, den Putsch insgeheim unterstützt zu haben. Kerenskis dramatischer Imageverlust ebnete den Weg für die Machtübernahme der Bolschewiki in der Oktoberrevolution.

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Nach der Oktoberrevolution verbrachte Alexander Kerensky den Rest seines Lebens im Exil in den USA.Bild: imago images / UIG

Der Kornilow-Putsch und seine Folgen zeigen, wie ein gescheiterter Putschversuch dann verheerende Auswirkungen auf die Position des Machthabers haben kann, wenn es diesem nicht gelingt, die hinter dem Putsch stehenden Kräfte unter Kontrolle zu bringen. Kerenski bestrafte zwar Kornilow und die am Putsch beteiligten Offiziere, aber er befand sich keinesfalls in der Lage, das Offizierskorps zu säubern.

Er benötigte die Armee, um den Krieg gegen die Mittelmächte weiterzuführen, und vor allem, um gegen den Petrograder Sowjet und die Bolschewiki vorzugehen. Diese Unterstützung versagte ihm jedoch die Armeespitze, die sich durch Kornilows Bestrafung brüskiert fühlte und sich ohnehin nicht mit der Abschaffung der Monarchie anfreunden mochte. Kerenski überstand den Putsch mithilfe jener Kräfte, die ihn danach selber hinwegfegten.

Augustputsch: Vergeblicher Aufstand der Polit-Greise

Am 19. August 1991 rollten Panzer durch die Straßen der sowjetischen Hauptstadt Moskau. Schon vorher, kurz nach 6 Uhr, hatten die Nachrichtenagentur TASS und Radio Moskau bekannt gegeben, dass Staatspräsident Michail Gorbatschow erkrankt sei und seinen Amtspflichten nicht nachkommen könne. Gemäß Artikel 127.7 der sowjetischen Verfassung habe Vizepräsident Gennadi Janajew die Amtsgeschäfte übernommen.

In Wahrheit war Gorbatschow nicht krank, sondern bereits am Vortag an seinem Feriendomizil Foros auf der Krim unter Hausarrest gestellt worden. Damit hatte eine Reihe von Ereignissen begonnen, die zur Entmachtung Gorbatschows und der Kommunistischen Partei führten und in der Folge das Ende der Sowjetunion besiegelten. Sie werden heute unter der Bezeichnung "Augustputsch" zusammengefasst.

Bildnummer: 54209486 Datum: 19.08.1991 Copyright: imago/ITAR-TASS
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Gennadi Janajew während der kurzen Phase, in der er die Amtsgeschäfte von Gorbatschow übernommen hatte.Bild: stock&people / imago images

Das selbst ernannte achtköpfige "Staatskomitee für den Ausnahmezustand" unter Janajew, dem eine Reihe von Hardlinern aus den Spitzen der Kommunistischen Partei, des Geheimdienstes KGB und der Armee angehörte, erklärte, "eine tödliche Gefahr" schwebe "über unserem großen Vaterland". Es erließ mit der Resolution Nr. 1 ein Verbot von Demonstrationen und Streiks und verhängte die Zensur der Medien.

Doch der Putsch verlief nicht wie geplant. Sobald die Truppen der Putschisten in Moskau einrückten, versammelten sich in der Hauptstadt und in Leningrad (heute St. Petersburg) große Menschenmengen, die gegen die Usurpatoren demonstrierten. In Moskau diskutierten die Leute auf der Straße mit den Soldaten und drängten sie dazu, ihre Befehle nicht zu befolgen. Vor allem vor dem Weißen Haus, dem Parlamentsgebäude der Sowjetrepublik Russland, sammelten sich Demonstranten und errichteten Barrikaden.

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Demonstrierende stoppen einen Panzer in Moskau während des gescheiterten Augustputsches 1991.Bild: imago images / ITAR-TASS

Am Mittag erschien dort der russische Präsident Boris Jelzin, der auf einen Panzer stieg und den Generalstreik ausrief. Jelzin erklärte den Putsch für illegal, nannte die Putschisten "Kriminelle" und "Verräter" und forderte die russischen Beamten auf, den Anordnungen des Staatskomitees nicht Folge zu leisten.

Einige Panzerbesatzungen der Putschisten wechselten die Seiten und bezogen vor dem Weißen Haus Stellung. Auch in Leningrad spitzte sich die Situation zu; Bürgermeister Anatoli Sobtschak sammelte die Opposition gegen den Coup und rief die Truppen zum Ungehorsam auf.

Am 20. August erließ Jelzin einen Präsidialerlass, mit dem er die Kontrolle über alle Truppen, den KGB und weitere Sowjet-organe auf russischem Territorium übernahm. In der Nacht kam es zu Scharmützeln zwischen Truppen der Putschisten und Demonstranten beim Weißen Haus, bei dem es drei Tote gab. Die Gefechte eskalierten jedoch nicht. Offensichtlich wurden die Befehle des Staatskomitees nicht befolgt.

Am 21. August lief die Mehrheit der Truppen zu den Demonstranten über und der Putsch fiel vollends zusammen. Einige der führenden Putschisten begingen Suizid, die anderen wurden festgenommen und später zu Haftstrafen verurteilt.

MOSCOW, RUSSIA. First Russian President Boris Yeltsin (front L) makes a speech as he stands atop an armoured vehicle next to his bodyguard Alexander Korzhakov (front 2nd L) outside the building of the ...
Jelzin (M.) hält eine Rede auf einem Panzer vor dem Weißen Haus in Moskau.Bild: imago images / ITAR-TASS

Am nächsten Tag kehrte Gorbatschow nach Moskau zurück – und fand ein völlig verändertes Machtgefüge vor. Der gescheiterte Putsch hatte im Grunde einen zweiten, erfolgreichen Putsch ausgelöst, nämlich jenen von Jelzin gegen den sowjetischen Machtapparat.

Schon am 24. August trat Gorbatschow als Generalsekretär der Kommunistischen Partei zurück und musste deren Verbot zustimmen. Der Zerfall der Sowjetunion beschleunigte sich nun; Sowjetrepubliken, die bereits ihre Unabhängigkeit erklärt hatten, lösten sich nun endgültig von Moskau, andere erklärten nun ihre Unabhängigkeit in rascher Folge. Am 21. Dezember schließlich hörte die Sowjetunion auf zu existieren.

Der Augustputsch war der vergebliche Versuch der reaktionären Sowjet-Machtspitze, den Zerfall des Sowjetimperiums noch aufzuhalten. Nicht zufällig schlugen die Putschisten am 19. August los: Am nächsten Tag hätte Gorbatschow mit einer Gruppe von Republikchefs den Unionsvertrag unterzeichnet, der die alte Sowjetunion durch ein neues, weniger zentralistisches Gebilde ersetzt hätte.

Die Krise der Sowjetunion war freilich bereits in den Achtzigerjahren manifest geworden; die Planwirtschaft war an ihre Grenze gestoßen, die Versorgungslage wurde zusehends prekärer.

Moskau. Präsident der Sowjetunion Michail Gorbatschow (vorne, links) kehrt mit seiner Ehefrau Raissa und Tochter Irina nach dem gescheiterten Augustputsch aus dem Urlaub in Foros nach Moskau zurück. Z ...
Befreit, aber entmachtet: Gorbatschow bei seiner Rückkehr nach Moskau.Bild: imago images / ITAR-TASS

Gorbatschow hatte seit 1985 versucht, den wankenden Koloss durch ein Reformprogramm zu retten: Perestroika, der politische und wirtschaftliche Umbau, und Glasnost, die größere Transparenz der Staatsführung gegenüber der Bevölkerung, sollten die Sowjetunion fit für die Zukunft machen. Dies verärgerte den linken, reaktionären Flügel der Partei, die ohnehin zunehmend einer Gerontokratie glich.

Der Widerstand der KP-Greise wuchs, als die Reformen nicht den gewünschten wirtschaftlichen Aufschwung brachten und die zentrifugalen Kräfte in der Sowjetunion wuchsen. Doch der Aufbruch, den Gorbatschow initiiert hatte, ließ sich nicht mehr einhegen. Am Ende fiel ihm auch Gorbatschow selbst zum Opfer, und mit ihm die Sowjetunion.

Der Augustputsch weist erstaunliche Parallelen mit dem Kornilow-Putsch auf. Auch hier war der Staatsstreich zwar nicht erfolgreich, brachte aber trotzdem den Machthaber zu Fall und läutete einen folgenschweren Umsturz ein, der das politische System völlig veränderte – freilich ganz und gar nicht im Sinne der Putschisten. Wie beim Kornilow-Putsch war es nicht der Machthaber, der den Putsch niederzuschlagen vermochte, sondern es waren neue, aufstrebende Kräfte, die mit den Putschisten auch den Machthaber besiegten.

US-Wahl und die Spaltung der Gesellschaft: Was Deutschland daraus lernen sollte

Seit der US-Wahl steht fest: Donald Trump wird erneut ins Amt des US-Präsidenten zurückkehren. Spannend war das Rennen ums Weiße Haus allemal. Doch es war ein Wahlkampf, der von starker Polarisierung und emotionaler Abneigung zwischen den beiden politischen Lagern geprägt war. Er hat die gesellschaftlichen Gräben in den Vereinigten Staaten weiter vertieft.

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